Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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widersinnig, daß du zu diesen Übungen, die dir von seiten der Ärzte streng verboten worden sind, sogar auf neue Kostüme sinnst ... Felix ängstigte sich stets und hielt dich zurück, wenn du im Übermut in irgend eine Tanzweise verfallen wolltest.« –

      »Ja – aus Eifersucht. Er konnte es nicht ertragen, der gute Felix, wenn auch andere Augen als die seinen mein Talent bewunderten; gewisse Leute machen es ebenso, sie verzehren sich vor Neid. – Und das haben die Speichellecker, die zwei weisen Salomos, unsere Ärzte, recht gut gemerkt; sie haben sich sofort auf die Seite der Großmacht im Hause gestellt – natürlich! – und sich alles Ernstes eingebildet, ich ließe mich ins Bockshorn jagen, wenn sie mir mit geheimnisvollem Achselzucken verkündigten, meine Gesundheit sei angegriffen – die Schlauköpfe!« Mit unbeschreiblicher Komik und Grazie machte sie die Geste der langen Nase und drehte sich abermals wie ein Wirbelwind auf der äußersten Fußspitze, und ihr Töchterchen haschte aufjauchzend nach dem gelben Atlasröckchen, das sich wie eine goldglänzende Sonnenscheibe über dem leichten Gewölk der Gazekleider mit der Tänzerin drehte.

      In Mercedes' Wangen stieg ein helles Rot. Sie ergriff schweigend Paulas Hand, um das Kind aus dem Zimmer zu führen; allein Lucile vertrat ihr den Weg. »Oh nein – Paula bleibt bei mir, bei ihrer Mama, wohin sie gehört!« sagte sie bestimmt. »José magst du meinetwegen mit Beschlag belegen. Ich habe ihn auch lieb, sehr lieb; aber ich habe keine Macht über den großen Bengel. Das Schicksal ist doch manchmal wie mit Blindheit geschlagen bei seinen Fügungen – solch einem jungen, unerfahrenen Ding wie mir die Erziehung eines wilden Jungen zuzuweisen – Unsinn! ... Mein süßes Mädchen dagegen, meine kleine Paula, behalte ich für mich, so wie einst Mama und ich zusammenstanden – daß du es weißt –«

      »Felix hat die endgültige Verfügung über beide Kinder vorläufig in Frau von Valmasedas Hand gelegt,« unterbrach sie Baron Schilling mit ernstem Nachdruck.

      Lucile wandte ihm rasch das Gesicht zu und maß ihn mit einem spöttischen Blick. »Auch du, Brutus?« rief sie pathetisch. »Nun ja, ich konnte das wissen! – Drüben unterwarfen sich ja auch alle ihren Orakelsprüchen, alle unsere Herren, ihr Vater, Felix, der arme Valmaseda ... Diese dämonischen Frauen mit den finsteren Mienen sind leidenschaftlich im Herrschen und Gebieten und zurückhaltend im Gewähren – das ist die ganze Kunst! – Sie war eine sehr kühle Braut, diese Donna de Valmaseda –«

      »Schweige!« unterbrach Mercedes mit flammenden Augen die boshafte Verräterei.

      »Mein Gott, ich bin ja schon still!« wich die kleine Frau mit einer drolligen Furchtgebärde zurück. »Aber Baron Schilling ist mein Freund, mein guter, alter Freund noch aus der himmlischen Berliner Zeit – ich darf nicht leiden, daß er auch hineintappt, ich leide es durchaus nicht! Er hat ohnehin schwer zu tragen am Leben, der unglückliche Mann –«

      »Unglücklich?« fuhr er mit zorniger Überraschung auf. »Wer sagt Ihnen denn, daß ich mich unglücklich fühle? –«

      »Mein Gott, ich denke – oder wäre sie hübscher geworden, Ihre Frau? Und liebenswürdig?« rief sie, jetzt wirklich überrascht, mit großen Augen; aber sie senkte sie doch einen Augenblick erschrocken über den Ausdruck des Manneszornes, den ihre taktlose, vorwitzige Zunge geweckt hatte.

      Sein Blick fuhr wie ein Blitz seitwärts über das Antlitz der Frau hin, die vor wenigen Stunden mit vernichtend drastischer Betonung gesagt hatte: »Der Mann hat sich verkauft.« ... Er ertappte eine sichtliche Spannung, aber auch kaltlächelnden Hohn in den geistreichen Zügen.

      »Ich bin Ihnen sehr verbunden, Frau Lucian – Sie sind die Barmherzigkeit selbst,« sagte er, ihre indiskreten Fragen völlig übergehend, mit scharfem Spott. »Aber Sie dürfen sich beruhigen, ich kann Ihnen versichern, daß ich an meinem Los nichts auszusetzen habe.«

      Er legte die Hand auf den Türgriff, und José, der sich während der ganzen Zeit fest an ihn geschmiegt, ja, sich hinter ihm förmlich versteckt hatte, trat dicht an die Türspalte, um beim Öffnen sofort hinauslaufen zu können – es sah aus, als brenne dem Kind die Schwelle unter den Sohlen.

      »Wir waren gekommen, Ihnen diesen kleinen Ausreißer heil und unversehrt zuzuführen –« sagte Baron Schilling, auf den Knaben deutend, immer noch mit finsterem Gesicht und eigentümlich harter Stimme.

      »Ach ja –« fiel Lucile ein – »er war ja wohl für einen Augenblick nicht zu finden? Man hat ihn auch bei mir gesucht – War es nicht der Bediente Robert, den du an der Türe abfertigtest, Minna?« Sie zog die Schultern empor. »Ich habe nicht weiter daran gedacht – solch ein großer Bursche kann ja doch wahrhaftig nicht verloren gehen wie eine Stecknadel!« – Sie trat näher und legte die Hand schmeichelnd auf den Kopf des Kindes. »Wo hast du denn gesteckt, mein Junge?«

      Der Knabe, der ihr immer noch den Rücken zukehrte, schüttelte in wilder Aufregung die Hand von sich. »Nein, Mama, nein!« schrie er auf, ohne ihr das Gesicht zuzuwenden – er drückte die Stirne so fest an die Türe, als wolle er sie in das Holz einbohren.«Ziehe deinen langen Schlafrock an – ich kann dich nicht ansehen! – Du bist gar nicht meine Mama – nein!«

      »Einfältiger Junge!« zürnte sie und faßte ihn an der Schulter, um ihn gewaltsam umzudrehen; aber bei dem Kinde machte sich jetzt offenbar die erlittene heftige Nervenerschütterung geltend, sonst so sanft und fügsam, sträubte es sich und verfiel dabei in ein konvulsivisches Weinen und Schreien, in das sein erschrockenes kleines Schwesterchen aus Leibeskräften einstimmte. »Gott im Himmel, das ist ja zum Verrücktwerden!« schrie Lucile, und beide Hände auf die Ohren pressend, floh sie in das Nebenzimmer, dessen Türe sie schmetternd hinter sich zuwarf, während Baron Schilling schweigend den Knaben auf seinen Armen hinaustrug und Donna Mercedes im Verein mit der Kammerjungfer die kleine Paula zu beruhigen suchten ...

      »Mir steht das Getue bis an den Hals – ich mag gar nicht mehr hinsehen,« sagte der Bediente Robert draußen entrüstet und mit verachtungsvollem Blick, nachdem Baron Schilling mit dem Knaben an ihm vorüber in die Kinderstube gegangen war.

      Er stand mit dem Gärtner an der offenen, nach dem großen Garten führenden Türe der Flurhalle, und Mamsell Birkner, die eben aus den unteren Räumen kam, um Deborah das Gebäck für den Teetisch zu bringen, trat auch hinzu.

      »Da haben wir alle Gott gedankt, daß die Gnädige den guten Einfall hatte, ihre Minka einstweilen auswärts in Pflege zu geben –« sagte der Bediente weiter – »und jetzt gäb' ich gleich zehn Taler drum, wenn wir sie wieder da hätten, und es wär' alles beim alten! ... Man versetzte manchmal der schwarzen Kanaille einen heimlichen Knuff und Fußtritt, und da hatte man Ruhe für eine ganze Zeit ... Aber jetzt? – Zum Totärgern ist die Wirtschaft! – Wohin man tritt, liegt das Spielzeug liederlich im Wege – es wäre nötig, man machte in einem fort den Buckel krumm, den Kram wegzuräumen; und vor der wilden Bestie, dem Hund, muß man ewig auf der Flucht sein – ich wüßte schon, was ich dem am liebsten in die volle Fleischschüssel gäbe! ... Und die verzogenen Rangen alarmieren fortwährend unser ganzes Haus. Bald muß man mit Stangen rennen, um nach dem Jungen im Teich zu fischen, bald dem heulenden Ding, dem kleinen Mädchen, beispringen, wenn es auf die Nase gefallen ist, und eben haben sie beide geschrien, daß mir noch die Haare zu Berge stehen. Und dafür kriegt man nicht einen Blick, geschweige denn einen Dank von der hochnäsigen Madame, die nicht einmal ihr Essen bezahlen kann ... Dem Herrn kostet das ein Heidengeld, und dabei tut er doch, als sei er in seinem ganzen Leben noch nicht so glücklich gewesen. Damit soll er aber der Gnädigen nur kommen – sie kann das Kindervolk nicht ausstehen; man sieht ihr die stille Wut an, wenn ihr ein solch kleines Ding unversehens über den Weg läuft –«

      »Ja, weil ihr der liebe Gott keine eigenen beschert,« fiel Mamsell Birkner ein und schob und ordnete an dem Gebäck auf dem Teller, den sie in der Hand hielt.

      »Na, vielleicht betet sie deshalb

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