Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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sehe diese Notwendigkeit durchaus nicht ein,« entgegnete Elisabeth. »Sie legen überhaupt meinem Anteil bei dem Vorfalle viel zu viel Gewicht bei … Ich habe einfach eine Pflicht gegen den Nächsten erfüllt, und würde,« fügte sie mit einem eigentümlichen Trotze in Ton und Gebärden hinzu, »ganz ebenso gehandelt haben, wenn der Fall ein umgekehrter, und Linke der Bedrohte gewesen wäre … Es ist mir sehr erwünscht, daß auch er die Sache in der Weise auffaßt; denn bei seinem Hochmute müßte ihm das Gefühl einer nicht einzulösenden Verbindlichkeit einem anderen menschlichen Wesen gegenüber jedenfalls ein höchst peinliches werden, ich aber möchte um alles dieses Wesen nicht sein.«

      In diesem Augenblicke stritten zärtliche Angst und Bitterkeit in ihr. Sie verfolgte in Gedanken den Hinabsteigenden Schritt um Schritt und schüttelte sich vor Entsetzen, wenn sie dachte, er gehe vielleicht gerade jetzt an der Stelle vorüber, wo der Rachedürstende auf ihn lauere … dann meinte sie, indem sie hastig vorwärts schritt, es sei doch recht thöricht, alles Denken und Empfinden an einen Mann zu verschwenden, der ihr geflissentlich die rauheste Seite seines Wesens zeige … Selbst der Baronin gegenüber, die ihm doch in tiefster Seele zuwider war, verlor er keinen Augenblick seine Ruhe, setzte er nie die Formen der allgemeinen Höflichkeit aus den Augen, wenn er ihr auch seine Ueberzeugung stets ungescheut ins Gesicht sagte. Seine ganze Umgebung kannte ihn nicht anders, als von dem Nimbus der Ruhe und Würde umgeben; nur im Gespräch mit ihr hielt er es nicht der Mühe wert, sich zu beherrschen … Wie heftig konnte er da werden! Wie flammten seine Augen auf und hingen mit verzehrender Ungeduld an ihren Lippen, wenn sie nicht rasch oder bestimmt genug antwortete! … Dabei verlangte er, sie solle ihn womöglich schon verstehen, noch bevor er gesprochen, und doch war er ihr noch völlig unverständlich, wenn er fertig zu sein meinte. Vielleicht waren alle anderen scharfsinniger als sie und fanden sich rascher in seine Sprech-und Denkweise, die für sie nun einmal ein unlösbares Rätsel war und blieb … War es ihr zu verdenken, wenn sie sich vornahm, dergleichen Konflikten künftig auszuweichen? … Gewiß nicht … Nun, zum Glücke war ja seine Abreise nahe … zum Glücke? … Der mittels Trotz und Stolz aufgerichtete Bau der Selbstbetrügerei zerfiel plötzlich vor diesem einen Gedanken; ja, er versank so spurlos, daß sie zu Miß Mertens’ Verwunderung eilig in den Weg einbog, der von der Waldblöße hinunter nach dem Schlosse führte … Sie mußte sich überzeugen, ob Herr von Walde unangefochten zurückkehre. Miß Mertens folgte ihr willig bis in ein Boskett, nahe bei der Thür, wo er abzusteigen pflegte, und auch ihr fiel ein Stein vom Hetzen, als er gleich darauf aus dem Walde hervorsprengte.

      14.

       Inhaltsverzeichnis

      Abends saß die Familie Ferber im Garten unter den Brunnenlinden, Frau Ferber und Miß Mertens arbeiteten an einem warmen Fußteppich aus lauter Tuchstückchen, der im Winter unter das Klavier gelegt werden sollte.

      Die Mutter hatte ein bedeutendes Teil der gleichmäßigen Ruhe eingebüßt, die ihre äußere noch immer schöne Erscheinung so wohl kleidete. Sie konnte sich noch immer nicht beruhigen über den Vorfall am Nachmittage; denn obgleich ihr Kind wohlbehalten und unverletzt vor ihr gestanden hatte, war sie doch außer sich gewesen bei Miß Mertens’ Erzählung. Ihr Blick suchte seitdem unablässig die Tochter; der leiseste Farbenwechsel aus Elisabeths Wangen beunruhigte sie und ließ sie eine Erkrankung infolge der gehabten Alteration befürchten … Anders dachte der Vater. »So recht, mein tapferes Töchterchen,« hatte er mit strahlenden Augen gesagt, »mit kühlem Blute überlegt und dann flink und unerschrocken mit Hand und Fuß bei der That – so wollte ich dich haben.«

      Frau Ferber sah in ihrem Gatten stets das Ideal eines Mannes. Noch jetzt, nach so und so viel Ehestandsjahren, schwur sie blindlings auf seine Aussprüche, als auf etwas Unfehlbares. Heute aber, bei seinem väterlichen Belobung, war ihr doch ein Seufzer entschlüpft, und sie hatte gemeint, eine Mutter liebe ihre Kinder doch ungleich mehr, als der Vater.

      » Mehr sicher nicht – nur anders,« war Ferbers ruhige Antwort gewesen. »Gerade, weil ich sie liebe, erziehe ich sie zu Menschen, die selbständig und mutig denken und handeln, damit sie nicht später einmal zu jenen unglückseligen Umhergestoßenen gehören, die aus Mangel an Thatkraft die unausgesetzt Leidenden sind.«

      Elisabeth brachte auch eine Arbeit mit in den Garten; allein der kleine Ernst machte ein sehr ungnädiges Gesicht, als sie das Nähzeug auspackte.

      »Na warte nur, Else!« sagte er entrüstet. »Herr von Walde kann mich zehnmal fragen, ob ich dich lieb habe – ich werde ganz gewiß nicht wieder ja sagen … Du spielst ja gar nicht mehr mit mir und bildest dir wohl gar ein, du seiest auch nun auf einmal ein so großes Mädchen wie Miß Mertens? … Ach, das lasse du ja bleiben – das bist du noch gar lange nicht.«

      Ein allgemeines Gelächter erscholl über die Verwechselung des Alters und der Größe. Elisabeth aber erhob sich eilig, um den Vorwürfen zu begegnen, schürzte ihr langes Kleid und zählte mit dem Kleinen ab, wer zuerst der Haschende sein müsse – dann ging es pfeilschnell den Damm hinauf und herunter.

      Unterdes war am Mauerpförtchen geläutet worden. Der Vater ging hinüber um zu öffnen und gleich darauf erschienen in der offenen Thür der Halle Doktor Fels, Reinhard und der Oberförster. Elisabeth eilte gerade als Verfolgte durch den Hauptweg und bemerkte die Eintretenden nicht sogleich.

      »Nun, das muß ich sagen!« lachte Doktor Fels und blieb stehen. »Das ist eine wunderbare Entpuppung … nachmittags Walküre und abends Schmetterling.«

      Der Oberförster aber schritt vor, fing das Mädchen in den Armen auf und drehte sich jubelnd einigemal mit ihr herum. »Prachtmädel!« rief er endlich und schob sie von sich, während er mit leuchtenden Blicken ihre zierliche Gestalt musterte. »Da sehe mir einer das Ding an! … sieht aus, wie aus Elfenbein geschnitzt, so fein und zerbrechlich, und hat doch eine Kraft in Herz und Händen, wie ein Mann … schade, daß du kein Junge bist – du müßtest in den grünen Rock, da möchte nun dein Vater sagen, was er wollte.«

      Doktor Fels war mittlerweile auch näher herangetreten. Er reichte Elisabeth die Hand. »Herr von Walde war in der Stadt,« sagte er, »und forderte mich auf, mit hierher zu kommen … Es liegt ihm sehr daran, zu wissen, ob Ihnen die Aufregung und der Schrecken nicht geschadet haben.«

      »Ganz und gar nicht,« entgegnete sie tief errötend. »Wie Sie sehen,« fügte sie scherzhaft hinzu, »bin ich vollkommen im stande, meinen schwesterlichen Pflichten zu genügen, und Ernst hat mir soeben ärgerlich versichert, ich sei sehr schwer zu fangen.«

      »Nun, ich werde diese Antwort Herrn von Walde wörtlich überbringen,« sagte der Doktor mit einem feinen Lächeln; »er mag selbst entscheiden, ob sie besorgniserregend oder beruhigend für ihn ist.«

      Ferber forderte die Herren auf, Platz zu nehmen, was auch sofort geschah. Der Doktor zündete sich eine Zigarre an und schien sich bald sehr behaglich in dem Kreise zu fühlen. Es wurde viel über Linkes Attentat gesprochen. Gleich nach seinem Weggange von Lindhof war man zahllosen Unterschleifen auf die Spur gekommen, die er sich während der Abwesenheit des Gutsherrn erlaubt hatte. Die Sache war auch ruchbar geworden – obgleich Herr von Walde keine Schritte gethan hatte, den Betrüger zur Rechenschaft zu ziehen – und war die Veranlassung gewesen, daß sich ein neues Engagement des Verwalters zerschlug. Diese Enttäuschung hatte offenbar das Maß seiner Rache gefüllt und ihn zu der heutigen That getrieben … Es war alles aufgeboten worden, um des Verbrechers habhaft zu werden; auch der Oberförster hatte auf die Nachricht hin mit seinen Burschen den Wald durchstreift, aber bis jetzt waren alle Anstrengungen vergeblich gewesen. Reinhard erzählte, daß Herr von Walde den Leuten im Schlosse streng untersagt habe, seiner Schwester den Vorfall mitzuteilen, weil ihr der Schrecken schaden könne. Auch die Baronin, Hollfeld und die alte Kammerfrau sollten nicht davon wissen.

      »In

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