Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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eine geriebene Person …«

      »Ich bin fest überzeugt, das Mädchen hat ein Liebesverhältnis,« meinte Frau Ferber.

      »Ja, das haben Sie mir schon einmal gesagt, Frau Schwägerin,« entgegnete der Oberförster ärgerlich, »wenn Sie mir aber auch dabei bemerken wollten, mit wem, dann würde ich Ihnen sehr dankbar sein … Sehen Sie sich doch nur um, ob nur ein einziger da ist, der einem Mädchen so den Kopf verdrehen könnte … Meine Gehilfen? … Die sind ihr lange nicht gut genug, die hat sie gleich zu Anfang ablaufen lassen, daß es eine Art hatte … und der Schurke, der Linke, der wird’s wohl auch nicht sein mit seinen krummen Beinen und der semmelfarbenen Perücke, und damit wäre denn das Register voll.«

      »Einen haben Sie vergessen,« sagte Frau Ferber bedeutsam und sah sich um nach Elisabeth, die einige Schritt zurückgeblieben war, um für Ernst eine Gerte abzuschneiden.

      »Nun?« fragte der Oberförster.

      »Herrn von Hollfeld.«

      Der Oberförster blieb betroffen stehen. »Hm,« brummte er endlich, »das wäre mir auch in meinem ganzen Leben nicht eingefallen … Nein, nein,« fuhr er lebhaft fort, »das glaube ich nicht; denn erstens wird das Mädel nicht so stockdumm sein, sich einzubilden, der werde sie zur gnädigen Frau auf Odenberg machen –«

      »Vielleicht hat sie das doch gehofft und sieht sich nun enttäuscht,« warf Frau Ferber ein.

      »Hochmütig und eitel genug wäre sie am Ende,« meinte der Onkel nachdenklich, »aber er – er soll sich ja ganz und gar nichts aus den Weibern machen.«

      »Er ist ein kalter Egoist,« sagte Miß Mertens.

      »Das letztere glaube ich – das erstere aber nicht,« erwiderte Frau Ferber, »und eben diese Anschauung erklärt mir Berthas ganzes Thun und Treiben.«

      »I, das wäre ja eine greuliche Geschichte!« rief der Oberförster zornig. »Und ich hätte mir in meinem Arglosigkeit und Nachsicht eine Nase drehen lassen, wie nur irgend ein alter, bornierter Komödienvater! … Ich werde der Sache jetzt unerbittlich auf den Hals rücken, und wehe der ehrvergessenen Person, wenn sie es wirklich gewagt hat, unter meinem ehrlichen Dache eine Liebelei anzuzetteln, die ihr und mir nur Schande bringen kann!«

      Das Mittagessen verlief sehr still. Der Oberförster war und blieb verstimmt und hätte am liebsten Bertha sogleich in die Beichte genommen, wenn nicht Frau Ferber gebeten hätte, er möge des Sonntags gedenken. Nach dem Kaffee verließen die Gäste das Forsthaus. Der Onkel warf die Büchse über die Schulter, ging mit hinauf bis vor das Mauerpförtchen und verlor sich dann in den Wald, der, wie er sagte, ihn stets beruhigte und wieder zu sich selbst brachte.

      Elisabeth schmückte sich zum Konzert, d. h. sie zog ein einfaches, weißes Mullkleid an und steckte als außergewöhnlichen Schmuck ein frisches Waldblumenboukett an die Brust. Die Mutter brachte ein kleines Medaillon am schwarzen, schmalen Samtbändchen und legte ihr dasselbe um den Hals – das war die Konzerttoilette, die gewiß jedes andere junge Mädchen, im Hinblicke auf sein Erscheinen in einer glänzenden Gesellschaft, mit einem bedrückten Gefühle angelegt haben würde. Elisabeth dagegen fand mit großer Genugtuung, daß das schon so oft gewaschene Kleid noch nie so tadellos unter ihrem Plätteisen hervorgegangen sei, als diesmal, und hätte am liebsten den kleinen goldenen Schmuck der Mutter wieder abgelegt; denn sie war der Ansicht, da unten sei sie ja nur Musikant und nicht Gesellschaft, und die Hauptsache seien heute ihre Finger. Es beunruhigte sie übrigens einigermaßen, daß sich an diese Finger ein entblößter Arm schloß, und daß das Kleid auch die Schultern frei ließ. Bis dahin war sie stets bis an das Kinn verhüllt gegangen; sie begriff nicht, weshalb die vornehme Welt es passender finde, bei festlichen Gelegenheiten dekolletiert zu gehen … Daß ihre Schultern und Arme reizend geformt und von einem fast glänzenden Weiß waren, fiel ihr selbst nicht auf, so wenig, als sie bemerkte, wie ihr schöner Kopf voll schwerer, blonder Flechten im Vereine mit dem schlanken Halse und den Schultern eine unbeschreiblich graziöse Linie bildete. Die Mutter hatte heute das goldene Lockengekräusel selbst geordnet, das auf Elisabeths Stirn fiel und durch seinen lichten Glanz die feinen, aber festen Bogen der schwarzen Augenbrauen, als einen eigentümlichen Reiz, wunderbar hervortreten ließ … Sie konnte Miß Mertens nicht widersprechen, die, nachdem Elisabeth den Weg ins Schloß angetreten hatte, begeistert meinte, der Anblick des jungen Mädchens habe etwas Ueberirdisches, denn sie selbst hatte heute überrascht die Bemerkung gemacht, daß ihr Kind in auffallender Schönheit erblüht sei.

      Als Elisabeth das Vestibül im Lindhofer Schlosse betrat, bemerkte sie den Doktor Fels, der, seine Frau am Arme führend, eben in einen Korridor einbiegen wollte. Sie eilte auf ihn zu und begrüßte ihn freudig, denn ihr Herz hatte auf dem ganzen Wege ängstlich geklopft bei dem Gedanken, daß sie allein in den weiten Saal werde eintreten müssen, wo voraussichtlich schon der größte Teil der Geladenen versammelt war. Der Doktor reichte ihr sogleich die Hand und stellte sie seiner Frau mit halblauter Stimme als das »Heldenmädchen von gestern« vor. Beide nahmen das junge Mädchen herzlich gern ins Schlepptau … Die hohe Flügeltür des Saales rauschte auf. Elisabeth dankte in diesem Augenblicke ihrem guten Sterne, der sie hinter der imposanten Gestalt der Doktorin völlig verschwinden ließ, denn der Eindruck des großen, festlich geschmückten Raumes, über dessen spiegelglattes Parkett prachtvolle Damenroben rauschten, und die feinen Lackstiefel der vornehmen befrackten Herren hinglitten, hatte etwas Ueberwältigendes für sie … Inmitten des Saales stand die Baronin Lessen, von einem prächtigen, dunkelblauen Moiré antique umbauscht, und machte die Honneurs. Sie erwiderte den Gruß des eintretenden Ehepaares sehr höflich, aber auch sehr kühl, und deutete auf des Doktors Frage nach Herrn von Walde auf einen Menschenknäuel, nahe am Fenster, von welchem ein Gesumm, unverständlich wie die babylonische Sprachverwirrung, herüberscholl.

      Während Fels mit seiner Frau dorthin schritt, folgte Elisabeth froh und dankbar einem Winke Helenes, die, in einem andern Fenster sitzend, ihr hastig und aufgeregt mitteilte, daß sie plötzlich vom sogenannten Lampenfieber überfallen worden sei; sie habe entsetzliche Angst, vor all diesen Leuten zu spielen, und möchte am liebsten in ein Mäuseloch kriechen. Schließlich bat sie das junge Mädchen, statt der vierhändigen Piece, mit der das Konzert eröffnet werden sollte, eine Sonate von Beethoven zu spielen, ein Wunsch, auf den Elisabeth sofort einging. Ihre Befangenheit war verflogen. Sie trat an den Tisch, auf welchem die Musikalien lagen, und schlug die Sonate auf, die sie vortragen wollte. Währenddem fuhren draußen Wagen auf Wagen donnernd in die Einfahrt. Die Thüren öffneten sich unermüdlich und beförderten nach und nach einen solchen Ueberfluß von Tüll und Spitzen und Samt und Seide in den Saal, daß Elisabeth bedauerlich lächelnd auf ihr schön gebügeltes Mullkleid hinabsah, denn einmal zwischen jenes Krinolinengedränge geraten, mußte es auf der Stelle seine tadellose Glätte einbüßen.

      Aus der Begrüßung der Baronin konnte sie sehr leicht erkennen, aus welcher Rangstufe die Eingetretenen standen. Mittels einer einzigen Wendung des federgeschmückten Hauptes schwebte die Dame sofort über dem Fahrwasser freundschaftlichen Verkehrs, wenn bürgerliches Element in ihre Nähe kam, und dieses bürgerliche Element that auch alles, jenen hohen, unnahbaren Standpunkt streng zu respektieren und anzuerkennen. Zuerst strömten gewöhnlich alle Ankommenden auf den Wink der Baronin nach dem Fenster, wo Herr von Walde stehen sollte – von ihm selbst sah Elisabeth keine Spur, denn der Ring, den die Glückwünschenden bildeten, war stets undurchdringlich – dann verteilten sie sich in einzelne Gruppen, die entweder ruhig der Dinge harrten, die da kommen sollten, oder eine Unterhaltung auf eigene Faust anknüpften.

      In diesem Augenblicke rauschte abermals die Thür auf, und eine alte korpulente Dame hinkte am Arme eines ebenso bejahrten, vielfach dekorierten Herrn, und von Fräulein von Quittelsdorf begleitet, in den Saal. Die Baronin eilte den Eintretenden entgegen, auch Fräulein von Walde erhob sich mühsam und trat, von Hollfeld geführt, auf das alte Paar zu, während die um sie versammelten Damen ihr folgten, wie ein Kometenschweif. Der Menschenknäuel

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