Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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Schauder flog durch die Glieder des jungen Mädchens. Sie dachte an das verzweiflungsvolle Ende des Verbrechers, aber sie konnte es nicht über sich gewinnen, Herrn von Walde diese Mitteilung zu machen.

      »Ich fürchte ihn nicht mehr!« sagte sie ernst.

      »Er hat auf alle Fälle die Gegend verlassen, und wenn nicht, nun, so wird er doch nicht so unhöflich sein, den Leuten die Freude zu verderben, die sich nun auch für die gehabte Anstrengung des Glückwünschens amüsieren wollen … Apropos, es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß ein jedes aus der Gesellschaft mir heute einen Augenblick besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat; selbst das jüngste Gänschen im florenen Flügelkleide hat nicht versäumt, mir seinen huldigenden Knix zu machen und einen einstudierten Glückwunsch herzusagen … Sie halten mich wohl noch nicht für alt genug, um mir ein noch längeres Leben zu wünschen?«

      »Ich meine, diesen Wunsch kann man der Jugend und dem kräftigen Lebensalter so gut aussprechen, wie den greisen Menschen; denn jene haben ebensowenig ein Monopol für die Lebensdauer, wie diese.«

      »Nun, warum kamen Sie dann nicht auch zu mir? … Gestern retten Sie mir das Leben, und heute ist es Ihnen so gleichgültig, daß Sie nicht einmal die Lippen öffnen und sagen mögen: ›Gott beschütze es auch ferner.‹«

      »Sie sagten vorhin selbst: ›Jedes aus der Gesellschaft,‹ ich gehörte aber nicht zu der Gesellschaft und durfte mich deshalb auch nicht in die Reihen der Glückwünschenden drängen.« Sie sprach hastig, denn schon grollte es in seiner Stimme, und er machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Arme, auf welchem ihre Hand lag.

      »Sie waren doch eingeladen –«

      »Um die Eingeladenen zu amüsieren.«

      »War diese bescheidene Ansicht einzig und allein der Grund, weshalb Sie vorhin nicht mit mir gehen wollten?«

      »Ja, meine Weigerung galt durchaus nicht dem Herrn, dessen Name mir ja völlig unbekannt war.«

      »Das machen Sie mir nichts weis, Sie mußten ja auf den ersten Blick sehen, daß bereits sämtliche Herren – mich ausgenommen – versagt waren; Sie wußten sogar, daß meine Schwester, ohne ein Papier zu ziehen, sich schon vorher Hollfelds Begleitung ausgebeten hatte, weil sie an seinem Arme am sichersten geht. – Gestehen Sie!«

      »Ich sah und wußte gar nichts … Ich war viel zu aufgeregt, als ich in den Saal trat, um das Papier zurückzugeben; denn man hatte mir gestern ganz bestimmt die Stunde genannt, zu welcher mir gestattet sein würde, nach Hause zu gehen. Daß nach dem Konzerte irgend welche Festlichkeit folgen könne, darüber hatte ich gar nicht nachgedacht; mit der Annahme der kleinen Papierrolle habe ich mir eine Gedankenlosigkeit zu schulden kommen lassen, die ich mir nie verzeihen werde.«

      Er blieb plötzlich stehen.

      »Sehen Sie mich einmal an!« sagte er gebieterisch.

      Sie hob das Auge, und obgleich sie fühlte, daß eine hohe Röte in ihr Gesicht stieg, hielt sie seinen Blick doch aus, der zuerst flammend auf ihren Zügen ruhte, dann aber in einem unbeschreiblichen Ausdrucke schmolz.

      »Nein, nein,« flüsterte er wie für sich mit weicher Stimme, »es wäre Sünde, hier an das abscheuliche Laster, die Lüge, zu denken … Ja, doppelte,« fuhr er in gänzlich verändertem, sarkastischem Tone fort – es klang fast, als wollte er seine momentane Weichheit persiflieren – »habe ich nicht selbst als unfreiwilliger Zeuge den Ausspruch von Ihnen gehört: ›Man brauche mehr Mut dazu, eine offenbare Lüge dreist zu sagen als einen Fehler zu bekennen‹?«

      »Das ist meine Ueberzeugung, ich wiederhole sie.«

      »Ah, es ist etwas Hohes um die Charakterfestigkeit! … aber ich meine, wenn man zu wahrhaftig ist, um seine Lippen mit einer Unwahrheit zu beflecken, so darf man auch seinem Auge nicht gestatten, zu lügen … ich kenne jedoch einen Moment in Ihrem Leben, wo Sie sich anders zeigten, als Sie dachten.«

      Das junge Mädchen zog verletzt die Hand aus seinem Arme.

      »O nein, so wohlfeil entkommen Sie mir nicht!« rief er, sie festhaltend. »Jetzt heißt es bestätigen oder widerlegen … Sie schienen neulich gleichgültig, als ich das zärtliche Andenken meines Retters, die Rose, wegwarf.«

      »Hätte ich ihr nachspringen sollen?«

      »Allerdings, wenn Sie wahrhaftig waren.«

      Elisabeth wußte jetzt, weshalb er den einsamen Waldweg mit ihr betreten hatte, sie sollte beichten, wie sie über Hollfeld denke; es war richtig, wie sie damals vermutet hatte, Herr von Walde war offenbar in großer Besorgnis, daß sie jene Huldigung seines Vetters zu hoch anschlagen und sich wohl gar einbilden könne, er habe ihren bürgerlichen Standpunkt vergessen. Jetzt war der Moment gekommen, wo sie ihre Ansicht aussprechen durfte. Mit einer raschen Bewegung befreite sie ihre Hand von der seinigen und trat einen Schritt seitwärts.

      »Ich muß Ihnen zugeben,« sagte sie, »daß mein Aeußeres, wenn es in jenem Augenblicke gleichgültig war, durchaus nicht im Einklange mit meinem Innern gewesen ist.«

      »Sehen Sie!« rief er, aber es lag nichts weniger als ein Triumph in diesem Ausrufe.

      »Ich war vielmehr entrüstet.«

      »Ueber mich?«

      »Zunächst über den unpassenden Scherz des Herrn von Hollfeld.«

      »Er hat Sie erschreckt – freilich –«

      »Nein, beleidigt. Wie konnte er es wagen, sich mir in der Weise aufzudrängen! … Ich verabscheue ihn!«

      Sie hatte recht gehabt in ihrer Voraussetzung, aber daß er einen solchen außerordentlichen Wert auf ihren Ausspruch legen würde, hatte sie nicht geahnt. Es schien ihm eine Zentnerlast vom Herzen zu fallen … Brach es nicht wie heller Jubel aus den Augen, die eben noch in einem Gemische von Mißtrauen, Hohn und Bitterkeit auf sie gerichtet gewesen waren? Er schöpfte tief Atem und breitete plötzlich die Arme aus … Elisabeth sah sich um nach dem unbekannten Etwas, das seine leuchtenden Blicke in der Luft suchten, um es ohne Zweifel an sein Herz zu ziehen. Sie entdeckte nichts, wohl aber fühlte sie ein heftiges Zittern seiner Hand, als er die ihrige nahm und sie wieder auf seinen Arm legte. Sie gingen einige Schritt weiter, er sprach kein Wort.

      Plötzlich blieb er wieder stehen.

      »Wir sind in diesem Augenblicke ganz allein,« sagte er mit unbeschreiblich milder Stimme. »Sehen Sie, nur ein Stückchen blaues Himmelsauge sieht auf uns herab, keines jener Gesellschaftgesichter drängt sich zwischen uns … ich kann und will Ihren Glückwunsch nicht entbehren … Sagen Sie ihn jetzt, wo ihn niemand hört, als ich, ich ganz allein!«

      Sie schwieg verlegen.

      »Nun, wissen Sie nicht, wie man das macht?« drängte er.

      »O ja,« entgegnete sie, und ein schelmisches Lächeln flog um ihren Mund, »ich habe Uebung darin; die Eltern, der Onkel, Ernst –«

      »Jedes hat seinen Geburtstag,« fiel er lächelnd ein, »aber Sie können es mir nicht verdenken, wenn ich meinen Glückwunsch für mich ganz allein haben will, daß ich verlange, er soll ganz anders klingen, als alle, die Sie bisher ausgesprochen haben, denn ich bin weder Ihr Vater, noch der barsche Försteronkel, am allerwenigsten beanspruche ich die Rechte des Bruders, mit dem Sie spielen … Nun sprechen Sie!«

      Sie

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