Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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von ängstlicher Unruhe und Erwartung tief in ihre Seele drang.

      »Kommen Sie!« rief er rauh, nachdem er einen Augenblick auf einen Laut von ihren Lippen gewartet hatte, und zog sie fort. »Es war ein thörichtes Verlangen von mir … Ich weiß ja, Ihr Mund, der allezeit bereit ist, andren Freundliches und Liebes zu sagen, schweigt entweder für mich, oder ergeht sich in strenger Zurechtweisung.«

      Sie erblaßte bei diesen Worten und blieb unwillkürlich stehen.

      »Sie wollen?« frug er milder. »Geht es durchaus nicht?« fuhr er kopfschüttelnd fort, als sie noch immer nicht sprach, ihn aber bittend ansah. »Nun, dann will ich Ihnen einen Vorschlag machen … Ich werde Ihnen den Glückwunsch sagen, wie ich ihn ungefähr von Ihren Lippen zu hören gewünscht hätte, aber ich mache die Bedingung, daß Sie ihn Wort für Wort nachsprechen.«

      Jetzt erschien wieder ein Lächeln auf Elisabeths Gesicht, und sie nickte zustimmend.

      »Zuerst reicht man dem – dem Freunde die Hand,« begann er und nahm ihre Hand in die seine – sie bebte, zog aber die Hand nicht zurück – »und spricht: ›Sie sind bisher ein armer, unbeglückter Wanderer gewesen; es war hohe Zeit, daß die Wolken sich teilten, und daß endlich der holde Lichtstrahl erschien, der Ihr ganzes Dasein umgewandelt hat. Es ist mein eigener, unumstößlicher Wunsch und Wille, daß er Sie nie wieder verlasse, hier ist meine Hand als Bürge eines unaussprechlichen Glückes –‹«

      Bis dahin hatte sie den höchst seltsam lautenden Glückwunsch pünktlich nachgesprochen, bei dem letzten Satze trat sie erstaunt zurück und zögere. Er aber faßte heftig auch ihre andere Hand und drängte. »Weiter, weiter!«

      »Hier ist meine …« begann sie endlich.

      »Das ist hübsch, Herr von Walde,« rief plötzlich Cornelies Stimme durch das Gebüsch, »daß wir uns hier treffen! So habe ich doch den Triumph, an Ihrer Seite mit Musik empfangen zu werden!«

      Nie in ihrem ganzen Leben hatte Elisabeth eine so entsetzliche Veränderung in einem menschlichen Antlitz bemerkt, wie die, welche in Herrn von Waldes Zügen vor sich ging. Auf der bleichen Stirn zeigte sich sofort eine starke blaue Ader, seine Augen sprühten, und die Nasenflügel dehnten sich aus. Er stampfte heftig mit dem Fuße, und es sah aus, als habe er die größte Lust, die unwillkommene Störerin, die jetzt, ihr Kreppkleid hoch aufnehmend, sich durch die Büsche arbeitete, wieder dahin zurückzuschleudern, wo sie hergekommen war. Diesmal gelang es ihm nicht so rasch, Herr seiner inneren Bewegung zu werden, vielleicht wollte er auch gar nicht, denn seine Augenbrauen falteten sich noch grimmiger, als Hollfeld hinter der Hofdame auftauchte. Bei dessen Erblicken schob Herr von Walde Elisabeths Arm heftig in den seinigen und preßte ihn fest an sich, als solle sie ihm entrissen werden.

      »Wie sehen Sie denn aus, Herr von Walde?« rief Fräulein von Quittelsdorf, mitten in den Weg springend. »Sie machen uns wahrhaftig ein Gesicht; als wären wir Banditen, die es auf Ihr kostbares Hab und Gut abgesehen hätten!«

      Ohne ein Wort auf diese Ansprache zu erwidern, wandte er sich an seinen Vetter und fragte kurz: »Wo ist Helene?«

      »Sie bekam plötzlich Angst vor dem weiten, unebenen Wege,« entgegnete dieser, »und hat es vorgezogen, zu fahren.«

      »Nun, ich denke, du wirst es dem alten Grafen Wildenau nicht überlassen, Helene aus dem Wagen zu helfen; ich begreife überhaupt nicht, wie du, als vielgetreuer Ritter, den Hauptweg verlassen konntest … Einige rasche Schritte werden die Versäumnis ausgleichen, ich will dir nicht hinderlich sein,« sagte Herr von Walde mit auffallend scharfer Stimme, während ein sarkastisches Lächeln um seine Lippen zuckte. Er trat mit Elisabeth seitwärts, um das Paar vorüberzulassen.

      »Und warum sind Sie nicht auf dem Hauptwege geblieben, wenn man fragen darf?« frug Fräulein von Quittelsdorf pikiert und schnippisch; sie war in diesem Augenblicke bei weitem mehr Kammerkätzchen als Hofdame.

      »Das können Sie erfahren; einfach, weil ich hoffte, auf diesem einfachen Wege der redseligen Zunge gewisser Damen zu entgehen,« erwiderte Herr von Walde trocken.

      »Hu, wie grob! … Gott behüte einen in Gnaden vor solch einem sauertöpfischen Geburtstagskinde!« rief die Hofdame sich schüttelnd und im komischen Entsetzen einen Schritt zurückprallend. »Es war sicher ein Mißgriff, daß wir heute nicht mit Leichenbittermienen, Zitronen in den Händen und bis über die Nase in schwarzen Krepp gewickelt, erschienen sind.«

      Sie hing sich schmollend wieder an Hollfelds Arm und schob ihn vorwärts; allein es hatte den Anschein, als wolle dieser unerhörterweise und vielleicht zum erstenmale in seinem Leben seinem Vetter trotzen. Langsam, wie ein Lebensmüder, schritt er weiter. Er sah angelegentlich rechts und links in die Büsche, als beschäftige ihn jeder Stein, jede vorbeihuschende Eidechse; dabei knüpfte er ein Gespräch mit seiner Begleiterin an; ihre Antworten waren scheinbar von großem Interesse für ihn, denn er blieb sogar einmal stehen, um keines ihrer Worte zu verlieren.

      Herr von Walde murmelte etwas zwischen den Zähnen, Elisabeth konnte es nicht verstehen, aber der feindselige Blick, den er auf seinen Vetter schleuderte, ließ sie erraten, daß er aufs äußerste ergrimmt sei über dessen Gebaren. Mit ihr sprach er nicht mehr. Er wandte einmal langsam den Kopf nach ihr, und sie fühlte, daß seine Blicke unverwandt auf ihr ruhten, allein es war ihr unmöglich, die Augen zu ihm aufzuschlagen. Hätte er nicht auf der Stelle sehen müssen, daß ihr ganzes Innere in Aufruhr war über jenen rätselhaften Glückwunsch, den er ihr mit tiefbewegter Stimme souffliert hatte? … Er würde mittels eines einzigen Blickes erraten haben, was in ihr wogte und stürmte, und – sie mochte diesen Gedanken gar nicht ausdenken – infolge dieser Wahrnehmung seinen vielleicht sehr harmlos gemeinten Einfall bereuen. Es war eine natürliche Folge dieser Befürchtung, daß die Lider des jungen Mädchens sich noch tiefer senkten, als zuvor, und deshalb konnte sie auch nicht bemerken, wie ein leiser, unhörbarer Seufzer über die Lippen ihres Begleiters glitt, während der Groll aus seinen Zügen verschwand, um dem gewissen melancholischen Schatten über und zwischen den Augen Platz zu machen.

      Ein schwacher, schnell hinsterbender Trompetenton, den ohne Zweifel die Ungeduld der auf der Galerie des Turmes wartenden Musikanten hinausgeschickt hatte, verriet die Nähe des Festplatzes. Bald summte und lärmte es, als ob ein großes Zigeunerlager in der Nähe sei; der Weg wurde breiter, hinter dem nächsten Buschwerke wogte ein buntes Gedränge, und plötzlich schmetterte eine wahre Salve von Posaunen-und Trompetentönen auf die Ankommenden herab. Elisabeth benutzte diesen Moment, ihren Arm leise aus dem Waldes zu ziehen und sich unter die Gesellschaft zu mischen, die einen dichten Kreis um den Schloßherrn bildete, während eine junge Dame als Dryade kostümiert und von vier anderen dekorierten Waldnymphen umgeben, ihn in holperigen Hexametern im Waldreviere begrüßte.

      »Nun, der Walde hat wenigstens im geeigneten Momente seine aufgedrungene Dulcinea abzuschütteln gewußt, ich sehe die Kleine nicht mehr,« flüsterte lächelnd die Oberhofmeisterin dem Grafen Wildenau zu, der neben ihr auf einem erhöhten Sitze unter den Eichen saß. »Der vergibt es der Lessen und unserer vorwitzigen Hofdame nie und nimmer, daß er durch ihr einfältiges Arrangement gezwungen worden ist, dem kleinen Dinge gegenüber einen Augenblick die Rolle des Ritters spielen zu müssen … Kindchen,« wandte sie sich an Helene, die, zu ihrer Rechten sitzend, ihr getrübtes Auge suchend über den Menschenschwarm gleiten ließ, »wir müssen ihn nachher, wenn die dort drüben ihn freilassen, in unsere Mitte nehmen und alles aufbieten, damit er den unerquicklichen Anfang des Festes vergißt.«

      Helene nickte mechanisch mit dem Kopfe. Sie hatte offenbar nur die Hälfte von dem verstanden, was die alte Dame ihr zugeflüstert. Ihre kleine, verkrüppelte Gestalt, die ein schwerer, zartblauer Seidenstoff umhüllte, drückte sich hilflos und matt an die hohe Stuhllehne, und ihre Wangen waren weißer, als der Seerosenkranz, der über ihrer Stirn lag.

      Elisabeth

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