Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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würden.

      »Bleiben Sie noch so lange, bis man anfängt zu tanzen,« meinte sie auf Elisabeths Aeußerung hin, daß vielleicht jetzt der passende Augenblick gekommen sei, wo sie sich unbemerkt entfernen und nach Hause gehen könne. »Ich verdenke es Ihnen gar nicht, wenn Sie die Gesellschaft so bald wie möglich zu verlassen wünschen,« fügte sie lächelnd hinzu; »auch wir werden nicht lange bleiben, mir läßt die Sorge um meine Kleinen daheim keine Ruhe, und daß ich überhaupt hier bin, ist ein schweres Opfer, welches ich der Stellung meines Mannes bringe … Herr von Walde, dem Sie nun einmal heute durch das Los angehören, tanzt nicht, er wird Sie gewiß freigeben, wenn der Tanz beginnt, denke ich.«

      Der Menschenknäuel entwirrte sich plötzlich. Von der Zinne des Turmes rauschte ein imposanter Marsch hernieder, und während die Herren schattige Plätze suchten, eilten die Damen nach den Büffetts, um, den Statuten des Festes gemäß, das beste für die Herren der Schöpfung herbeizutragen.

      Herr von Walde schritt langsam über den Platz, er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und sprach mit dem Kreisgerichtsdirektor Busch, der an seiner Seite ging.

      »Mein bester Herr von Walde, nun kommen Sie zu uns!« rief die Oberhofmeisterin zu ihm hinüber und streckte ihm in beinahe zärtlicher Weise die Hände entgegen. »Ich habe Ihnen ein reizendes Plätzchen reserviert … Ruhen Sie hier aus auf den wohlverdienten Lorbeeren, die man Ihnen heute streut … Zwar sind sämtliche junge Damen durch das Los gefesselt, aber hier unsere schönen, liebenswürdigen Waldnymphen sind bereit, Ihnen den Wein zu kredenzen und von den Buffetts herbeizutragen, was Ihr Herz begehrt.«

      »Ihre Güte und Fürsorge rührt mich, Exzellenz,« entgegnete der Angeredete, »aber ich will nicht hoffen, daß Fräulein Ferber mich dem allgemeinen Mitleide überlassen wird.«

      Er sprach mit lauter Stimme und wandte sich um nach Elisabeth, die nicht sehr entfernt von ihm stand. Sie hatte jedes Wort gehört. Sofort schritt sie hinüber und stellte sich so ruhig und fest an seine Seite, als sei sie durchaus nicht gewillt, auch nur ein Haar breit von ihrer Verpflichtung an andere abzutreten. Es flog in diesem Augenblicke etwas, wie ein freudiges Erschrecken über sein Gesicht. Sein Auge begegnete aufleuchtend dem ihren, das, unbeirrt durch die Umgebung, lächelnd zu ihm aufsah. Er schien unerhörterweise ganz und gar zu vergessen, daß die Frau Oberhofmeisterin ein »reizendes Plätzchen« für ihn reserviert hatte, denn nach einer leichten Verbeugung gegen die Exzellenz und die sie umringenden, willfährigen jungen Damen reichte er Elisabeth den Arm und führte sie über den Platz nach einer dickstämmigen Eiche, unter deren Schatten Doktor Fels soeben für sich und seine Frau einen Sitz zurechtmachte.

      »Nein, diese Rache geht denn doch ein wenig zu weit!« wandte sich die Oberhofmeisterin entrüstet an den Grafen Wildenau und die sehr verblüfft dastehenden fünf Waldgrazien. »Er sucht das ganze Fest zu persiflieren, indem er die Anwesenheit der kleinen Person in so auffallender Weise markiert … Jetzt fange ich an, mich über ihn zu ärgern … Niemand sieht es ja besser ein, als ich, daß er vollkommen recht hat, wenn er zürnt; aber ich meine auch, er dürfte sich nicht so weit hinreißen lassen, die Rücksicht für die übrigen Anwesenden zu vergessen, die ja völlig schuldlos sind an dem geistlosen Machwerke der Lessen und der Quittelsdorf … Ich wette, schließlich bildet sich das Gänschen dort auch noch ein, das geschehe alles nur um ihrer schönen Augen willen.«

      Alle zehn Augen der schönen, liebenswürdigen Dryaden schleuderten a tempo einen vernichtenden Blick auf Elisabeth, die in diesem Augenblicke unbefangen nach dem Marketenderzelte ging und bald darauf mit einer Flasche Champagner und vier Gläsern nach der Eiche zurückkehrte, wo sich Herr von Walde und das doktorliche Ehepaar bereits einträchtig hinter einem Tische niedergelassen hatten.

      »Unsere sämtlichen Damen haben heute wahre Blumengärten auf dem Scheitel,« sagte Frau Fels, als das junge Mädchen an den Tisch trat, »nur Fräulein Ferber geht schmucklos wie Aschenbrödel; das leide ich nicht.«

      Sie zog aus dem großen Boukett, das sie in der Hand hielt, zwei Rosen und stand auf, um Elisabeth mit denselben zu schmücken.

      »Halt!« rief Herr von Walde und hielt ihre Hand zurück. »In diesem Haare mag ich nur die Orangenblüte sehen.«

      »Die ziemt eigentlich nur den Bräuten,« meinte die Doktorin unbefangen

      »Ja, eben deshalb,« entgegnete er, und so ruhig, als habe er etwas gesagt, das sich ganz von selbst verstehe, füllte er die Gläser und wandte sich an Fels.

      »Stoßen Sie mit mir an, Doktor,« sagte er. »Ich trinke auf das Wohl meiner Retterin, der Goldelse auf Gnadeck!«

      Der Doktor schmunzelte und stieß kräftig an. Auf dies Signal näherte sich eine Schar Herren, mit den Gläsern in der Hand.

      »Schön, meine Herren, daß Sie kommen!« rief ihnen der Schloßherr entgegen, »trinken Sie mit mir auf die Erfüllung meines höchsten Wunsches!«

      Ein Hoch schallte durch die Lüfte, und die Gläser klangen lustig aneinander.

      »Skandalös!« rief die alte Exzellenz und ließ die Gabel mit einem saftigen Stücke marinierten Aales auf den Teller fallen. »Dort drüben geht es ja wahrhaftig zu, wie in einer Studentenkneipe … Ich bin ganz konsterniert! Welch unanständiger Lärm! Da schreit ja wirklich der Pöbel auf den Straßen manierlicher, wenn er unseren Durchlauchten ein Hoch zu bringen sich erlaubt … Apropos, meine Liebe,« wandte sie sich an Helene, »ich bemerke mit großem Erstaunen, daß Ihr Herr Bruder ziemlich familiär mit dem Doktor Fels verkehrt.«

      »Er schätzt ihn hoch als einen durchaus rechtlichen Mann mit bedeutendem Wissen,« erwiderte Helene.

      »Das ist alles recht schön und gut, aber er weiß sicher nicht, daß dieser Mensch gegenwärtig sehr übel angeschrieben ist an unserem Hofe. Denken Sie sich, er hat die unbegreifliche Kühnheit gehabt, unserer allgeliebten Prinzessin Katharina –«

      »Ja, ich kenne diese Geschichte,« unterbrach Fräulein von Walde die Entrüstete, »mein Bruder hat sie mir vor einigen Tagen selbst mitgeteilt.«

      »Wie, er weiß das und berücksichtigt so wenig die Stimmung des Hofes, der ihn stets ausgezeichnet hat? … Unglaublich! … Ich versichere Ihnen, liebes Kind, mir schlägt schon jetzt das Gewissen, und ich werde bei Ankunft unserer Herrschaften sicher die Augen nicht aufschlagen können, in dem schuldigen Bewußtsein, daß ich mit diesem unmanierlichen Menschen hier zusammengekommen bin.«

      Helene zuckte mit den Achseln und überließ die Oberhofmeisterin ihren Gewissensbissen und einem frisch gefüllten Glase Champagner, mit welchem sie sich ohne Zweifel jetzt schon für jenen großen, gefürchteten Auskunftsmoment Mut und Fassung einzuflößen suchte.

      Fräulein von Walde litt neben der Dame alle jene Qualen, die uns so manchmal die Konvenienz auferlegt; sie mußte mit zuvorkommender Aufmerksamkeit auf tausend Nichtigkeiten hören und antworten, während ein heißer Schmerz ihr Inneres zerriß. Aber auch nur eine Frau, wie die Oberhofmeisterin, die das höchste Erdenglück in einem Gnadenblicke aus fürstlichen Augen suchte und fand, eine Person, deren ganze Seelenthätigkeit sich darauf beschränkte, Schildwache vor dem Reiche der Etikette zu stehen und den Nimbus ihrer sauer genug errungenen Exzellenz ängstlich zu behüten, nur sie konnte wiederholt in das Gesicht der jungen Dame sehen, ohne die tiefe innere Erregung in den Zügen zu bemerken.

      Hollfeld war nicht allein so unaufmerksam gewesen, Helene bei ihrer Ankunft auf dem Festplatze der Fürsorge des Grafen Wildenau zu überlassen, er hatte auch, als er endlich erschienen war, kein Wort der Entschuldigung für seine Säumnis gehabt, und mürrisch und zerstreut hatte er sich endlich an ihre Seite gesetzt. Sie fand ihn seltsam verändert, und ihr unruhiges Herz, ihr Kopf zermarterten

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