Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

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Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

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      »Das heißt, alles was kreucht und fleucht an Vierfüßlern und Geflügel im silbernen oder bunten Felde,« unterbrach ihn sarkastisch der Doktor; »nämlich alle adligen Wappen, und dann alle Beamten vom Rate aufwärts … Man hat eine strenge Auswahl getroffen, genau nach der Hofordnung … Deshalb habe ich meiner Frau auch bereits eingeschärft, daß sie nur hübsch demütig ist als Krähe unter den Edelfalken. Wir sind zu unserer Verwunderung von der Frau Baronin – denn sie leitet das Ganze – auch ›befohlen‹ worden.«

      »Apropos, Herr Doktor!« rief lachend Reinhard, »man erzählte mir heute in L., die alte Prinzessin Katharine habe Sie zu ihrem Leibarzte machen wollen, Sie hätten sich aber dem Antrage zu entziehen gewußt – ist das wahr? … ganz L. steht auf dem Kopfe vor Erstaunen.«

      »Ach, das ist nichts Neues – das passiert der lieben kleinen Stadt bei jeder Gelegenheit. Deshalb ist auch die Intelligenz stets unten, und das Gotteslicht der Erkenntnis scheint vergeblich auf ihre unempfänglichen Fußsohlen … Uebrigens haben Sie ganz recht gehört; ich bin in der That so frei gewesen, mich für die Ehre zu bedanken.«

      »Aber weshalb?«

      »Weil ich erstens keine Zeit habe, die hysterischen Grillen jenes hochgeborenen Kopfes täglich in frische Windeln zu legen – verzeihen Sie, meine Damen – und dann habe ich einen heiligen Respekt vor der Hofetikette.«

      »Ja, ja,« rief lachend der Oberförster, »die ist auch schuld, daß ich stets drei Kreuze mache, wenn ich das Schloß in L. im Rücken habe. Die Herrschaften, besonders aber unsere prächtige Fürstin, die machen’s einem nicht schwer; sie drücken womöglich beide Augen zu, wenn man einen anderen Kratzfuß macht, als das steife Unding vorschreibt. Aber der Hoftroß, der um sie her knickst und schwänzelt und lispelt – daß Gott erbarm’ – der schreit Zeter, wenn ein Männerabsatz fest auftritt, und kriegt Krämpfe über eine Stimme, die frei aus der Brust herauskommt, wie sie der liebe Gott geschaffen hat.«

      Es war dunkel geworden. Die Familie und Miß Mertens begleiteten die Aufbrechenden bis vor das Mauerpförtchen, und als alle auf die Waldblöße heraustraten, da klang es feierlich aus dem Thale herauf durch den nachtstillen Wald, wo sich kein Vogel auf den Zweigen rührte, und selbst der Abendwind in den Wipfeln eingeschlafen war über den Wundersagen aus fernen Landen, die er allabendlich den Blättern erzählt … Das Stadtmusikkorps aus L. brachte Herrn von Walde ein Ständchen.

      15.

       Inhaltsverzeichnis

      Am andern Morgen um fünf Uhr wurden die Bewohner von Gnadeck durch Böllerschüsse geweckt. »Aha,« sagte Ferber zu seiner Frau, »die Verherrlichung nimmt ihren Anfang.« Elisabeth aber fuhr jäh aus einem schrecklichen Traume auf. Das Unglück, welches sie gestern abgewendet, hatte der Traum wahr gemacht; sie sah in dem Augenblicke Herrn von Walde sterbend zusammenbrechen, als der Schuß im Thale sie aufschreckte. Es bedurfte langer Zeit, ehe sie sich zu sammeln vermochte. In einen einzigen Moment hatten sich unnennbare Schmerzen zusammengedrängt. Sie hatte gewähnt, Himmel und Erde müßten mit jener hohen Gestalt zusammenstürzen und auch sie unter ihren Trümmern zerschmettern, und noch jetzt, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß das goldene Morgenlicht in ihr Stübchen und nicht auf die blutgetränkte Waldwiese falle, vibrierten die aufgetürmten Gefühle nach … nicht einmal gestern, als sie ihr Leben für das seine wagte, war sie sich so klar bewußt gewesen, daß sie in einem solchen Augenblicke mit ihm sterben müsse.

      Wieder und wieder donnerte es drunten durch das Thal. Die Fensterscheiben klirrten leise, und Hänschen flatterte entsetzt auf und klammere sich an die Stäbe seines Käfigs. Elisabeth schauderte jedesmal zusammen, und als die Mutter, die sich noch immer nicht über den Vorfall des gestrigen Tages beruhigen konnte, obgleich sie ihr Kind wohlbehalten und unverletzt sich zurückgegeben sah, an der Tochter Bett trat, um zu fragen, wie sie geschlafen habe, da schlang diese heftig die Arme um ihren Hals und brach in einen unaufhaltsamen Thränenstrom aus.

      »Um Gotteswillen, Kind!« rief Frau Ferber erschrocken, »du bist krank! … Ich wußte wohl, daß die gestrige Nervenaufregung nicht ohne Folgen bleiben würde … und nun schießen sie auch noch so unvernünftig da unten.«

      Es kostete Elisabeth viele Mühe, die Mutter zu überreden, daß sie sich ganz gesund fühle und um keinen Preis im Bette bleiben, sondern mit den anderen zusammen Kaffee trinken wolle. Um jede Einwendung sofort abzuschneiden, schlüpfte sie in ihre Kleider, wusch das verweinte Gesicht mit frischem Wasser und stand bald draußen am Herde, um die letzte Hand an das von der Mutter vorbereitete Frühstück zu legen.

      Die Schüsse waren plötzlich verstummt, und es währte nicht lange, da waren auch die Thränenspuren aus Elisabeths Augen verwischt. Sie blickte wieder heller in die Welt, denn wenn sie auch ein Leben voll Entsagen vor sich sah, so lebte er ja doch; dieser Gedanke hatte infolge des fürchterlichen Traumgesichts eine beschwichtigende Kraft für ihr unruhiges Herz … und wenn er auch ging – weit fort –, und sie mußte jahrelang leben, ohne ihn zu sehen, einmal kam doch eine Zeit, da er wiederkehrte … Und ihn lieben und an ihn denken durfte sie ja auch, denn er gehörte ja keiner anderen.

      Später ging sie mit den Ihrigen und Miß Mertens nach dem Forsthause, wohin die Gesellschaft wie alle Sonntage für den Mittag eingeladen war. Auf der Stirn des Oberförsters, der ihnen entgegenkam, lagen schwere Wolken. Wie Elisabeth bald bemerkte, machte ihm Bertha schwer zu schaffen.

      »Ich kann und werde diese Wirtschaft nicht länger mehr mit ansehen!« rief er heftig. »Soll ich in meinen alten Tagen noch Zuchtmeister werden und in meinem eigenen Hause Tag und Nacht auf der Lauer stehen, um ein junges, eigensinniges Ding, das mich eigentlich auf der Gotteswelt nichts angeht, von verrückten Streichen abzuhalten?«

      »Onkel, bedenke, daß sie unglücklich ist!« rief Elisabeth erschrocken.

      »Unglücklich? … Eine Komödiantin ist sie … ich bin auch kein Menschenfresser, und als ich sie für wirklich unglücklich hielt, das heißt wie sie beide Eltern auf einmal verlor, da bin ich ihr Stab und Stütze gewesen, soviel nur in meinen Kräften stand … Aber da steckt das Unglück auch gar nicht; denn dazumal, kaum zwei Monate nach dem Trauerfalle, trillerte sie den ganzen Tag wie eine Heidelerche, so daß mir das Herz weh gethan hat bei so viel Leichtsinn und Herzlosigkeit … Worüber ist sie unglücklich, he? … Ich will es übrigens auch gar nicht wissen, das Staatsgeheimnis, und wenn sie kein Vertrauen zu mir hat, so mag sie’s bleiben lassen … Meinetwegen könnte sie auch das ganze Jahr ein Thränenweidengesicht machen, wenn sie sich nun einmal darin gefällt; aber sich stumm stellen, des Nachts wie eine Verrückte im Walde herumlaufen und mir eines schönen Tages das Haus über dem Kopfe anbrennen, das sind Dinge, in die ich denn endlich doch ein Wörtchen reden werde.«

      »Hast du denn meine Warnung neulich nicht beachtet?« fragte Ferber.

      »Ei freilich … Ich habe ihr sofort eine andere Stube angewiesen, sie schläft jetzt über mir, so daß ich jeden Tritt droben hören kann. Nachts werden beide Hausthüren nicht bloß verriegelt, wie früher immer geschehen ist, sondern auch zugeschlossen, und ich nehme die Schlüssel mit in meine Kammer … Aber Weiberlist – nun, das ist eine alte Geschichte … Wir haben durch die Vorsichtsmaßregeln wenigstens eine kurze Zeit Ruhe gehabt. Diese Nacht aber konnte ich nicht einschlafen – die Geschichte mit dem Linke ging mir noch durch den Kopf – da hörte ich droben Schritte, so leise, als ob eine Katze über die Dielen schliche. Aha, dachte ich, da geht das Nachtwandeln wieder los, und machte mich auf; aber als ich hinauf kam, da war das Nest schon leer; auf dem Tische am offenen Fenster brannte ein Licht, und als ich die Thür aufmachte, da flog der Vorhang über die Flamme – Herr Gott, wäre ich nicht sofort zugesprungen, es hätte

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