Hexenhammer 1 - Die Inquisitorin. Uwe Voehl
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Als ich mein Begehren geäußert hatte, verspottete er mich nicht. Vielmehr schien er einen Moment lang überrascht und schließlich gar irritiert bis ratlos. Am Ende schüttelte er das gehörnte Haupt. »Das ist unmöglich! Mag ich noch so mächtig sein, so ist ein Pakt ein Pakt und nicht mehr rückgängig zu machen. Das hättest du dir überlegen müssen, als du mich das erste Mal gerufen hast.«
»Dann schließen wir eben einen neuen Pakt, der den alten ungültig macht!«, beharrte ich.
»Jeder Mensch besitzt nur eine Seele, das macht sie so wertvoll, und die deine hast du mir schon verkauft.«
»Dann nimm mein Leben, es ist eh nichts mehr wert!«
»Eben! Was soll es dann mir bedeuten?«
Verzweiflung ergriff mich, zeigte sich doch, dass ich dem Teufel tatsächlich meinen für ihn wertvollsten Besitz bereits überschrieben hatte. »Nimm mein Schloss und mein Gut! Meine Reichtümer und meinen ganzen Besitz!«
»Nichts wert, nichts wert«, meckerte er, wobei die Worte nicht aus seinem Munde drangen, sondern aus dem des toten Knaben auf seinem Arm. Entsetzt schaute ich auf das Kind, dessen blutige Lippen sich zu einem bösartigen Grinsen verzogen, während in der Tiefe der pechschwarzen Augäpfel das Höllenfeuer aufloderte – als würde man in einen finsteren See blicken, auf dessen Grund blutrote Lava ausbricht.
Seit meinen schrecklichen Erlebnissen auf dem Eulenberg war ich einiges gewohnt, und auch Asmodi selbst war zum Fürchten, doch beim Anblick des untoten Teufelskindes gefror mir das Blut in den Adern.
»Es sei denn …«, sinnierte Asmodi und machte eine Pause, um mich zu quälen.
»Es sei denn, was?«, drängte ich ihn. »Sprich rasch, sonst greife ich zu anderen Mitteln!«
Diesmal quoll meckerndes Lachen gleich aus zwei Mündern – aus Asmodis Maul und dem des Knaben. Zudem hallte es nun schaurig von den steinernen Wänden wider, sodass ich bald meinte, hundert Gelächter gleichzeitig würden meine Ohren malträtieren. Ich hielt sie mir zu, doch es wurde lauter und lauter, bis ich glaubte, ich befände mich statt in meinem Schloss nahe Nancy in der ehrwürdigen Kathedrale von Notre Dame unterhalb der größten Glocke im Nordturm, die den Namen des Erzengels Gabriel trägt, und die Trommelfelle würden mir platzen.
Halb ohnmächtig wankte ich in meinem Schutzkreis, dem höllischen Lärm schutzlos ausgeliefert.
Doch unvermittelt verstummte er. »Ich hoffe, du begreifst, dass deine Drohungen ebenso sinnlos wie lächerlich sind«, sagte Asmodi, und diesmal sprach er nur wieder mit einer Stimme. »Beim ersten Mal hast du mich mithilfe des Schlüssels Salomonis gerufen, wie es die meisten Anfänger probieren. Ich gebe zu, er verfehlt seine Wirkung nicht. Doch um mir mit Bestrafung zu drohen, müsstest du jene anbeten, deren widerwärtige Namen auch dir nicht mehr über die Lippen kommen.«
Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Ich hatte in der Tat versucht, ihn auch dieses Mal mit dem Schlüssel Salomonis zu beschwören, doch mir waren die Namen des lebendigen Gottes, des Sohnes und des Heiligen Geistes nicht über die Lippen gekommen. Stattdessen war mir allein bei dem Gedanken schlecht geworden, während mich gleichzeitig ein Schüttelfrost ergriffen hatte. So hatte ich zu einem schwarzmagischen Ritual gegriffen, auf das ich in einem alten Folianten gestoßen war. Damit konnte ich Asmodi beschwören, ihn aber nicht zu irgendetwas zwingen. Und niemand wusste es besser als Asmodi selbst, dass ich ihm keinen Schaden zufügen konnte.
»So sprich endlich!«, forderte ich. »Gibt es einen Weg, meine Familie von den Toten auferstehen zu lassen? Ich will ihn gehen, auch wenn es meinen eigenen Tod bedeutet und tausend Höllenqualen noch dazu!«
»Ich sagte schon, dass das nicht möglich ist. Alles hat seinen Preis, auch der niederste Wunsch.«
»So nenn ihn mir!«
»Dein holdes Weibchen kann ich dir nicht zurückgeben, sie ist tot, auf immerdar. Immerhin hast du sie selbst geopfert.«
Bei seinen Worten musste ich an mich halten, um nicht aufzuschluchzen.
»Doch deine Brut ist nicht allein durch Magie ums Leben gekommen, sondern nur infolge dieser.«
Meine Kinder! Tatsächlich waren sie durch den Wald geflohen, nachdem das Rad der Kutsche, mit der ich meine Familie hatte in Sicherheit schicken wollen, gebrochen war. Während ich auf dem Eulenberg den Sabbat feierte, wurden meine Liebsten im finsteren Wald von den Wölfen zerrissen! Wieder konnte ich nicht verhindern, dass die schrecklichen Bilder meiner Wahnsinnstat vor mir aufstiegen.
»Verfluche deine Frau!«, soufflierte mir der dämonische Chor, während mich die Gestalten umtanzten. »Du hast ihren Kopf in Händen. Wirf ihn weg!«
Sie hatten mir einen Eselskopf in die Hände gedrückt. Als würde mich eine böse Macht dazu zwingen, verkrallte ich die Hände in seinem Fell.
Ich ließ ihn fallen.
»Das sind die Arme deiner Frau!«
Jemand drückte mir zwei Eselsbeine in die Hand.
»Zerbrich sie!«
Ich schleuderte die abscheulichen Reliquien von mir.
»Hier sind ihre Augen. Zerquetsche sie!«
Ich übergab mich beinahe, als ich etwas Glitschiges in den Händen fühlte.
»Ihr Herz! Bring es zum Stillstand!« …
»Nein!«, schrie ich nun. »Nein!« Wimmernd brach ich zusammen, fiel auf die Knie, während mir einmal mehr bewusst wurde, dass ich es war, der ihren Tod zu verantworten hatte. Ich war nicht mehr wert als der gemeinste Mörder. Ich stand sogar noch unter diesem, weil ich meine eigene Familie aus Habgier ermordet hatte.
»Willst du nun hören, was ich dir vorzuschlagen habe oder nicht?«, unterbrach Asmodi mein Gewimmer, das mir umso deutlicher vor Augen führte, dass ich dem Bösen geweiht war, weil keine Tränen flossen.
Eigentlich hätte nun eine scharfe Antwort erfolgen müssen, doch ich war nur mehr imstande zu nicken.
»Ich gewähre dir deinen Wunsch. Nun, zumindest teilweise. Es steht in meiner Macht, beide Bälger zu erwecken. Doch eines wird mir gehören und fortan auf der dunklen Seite wandeln. Das andere mag selbst entscheiden …«
»Nie und nimmer werde ich einem solchen Handel zustimmen!«, begehrte ich auf und wusste doch jetzt schon, dass ich zu schwach war, nicht den dunklen Weg einzuschlagen, den er mir wies.
Er lachte auf. Auch das tote Kind in seinem Arm lachte meckernd. »Überlege es dir. Du hast bis morgen um Mitternacht Zeit. Danach wage es nicht mehr, mich anzurufen!«
Sein Gesicht verwandelte sich in eine grimmige Fratze, die vor meinen Augen wie Kerzenwachs zerfloss, sodass am Ende nur der Halsstumpf übrigblieb. Da hinein stopfte er nun das noch immer lachende Kind, bis nur noch der Kopf herausschaute.
Entsetzt