Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Das Direktorium wurde mit Anfragen bestürmt. Seine Auskünfte vermochten die Sache nicht zu klären, keinen begreiflichen Grund für das Sinken der Papiere zu geben.
Eins stand fest. Der Anstoß zu dieser ganzen Baissebewegung war von Amerika gekommen. Das europäische Publikum war dann mit Angstverkäufen gefolgt. Aus dem Ball drohte eine Lawine zu werden.
Da kam ein Tag, an dem der Sturz zum Stillstand kam und der Kurs sogar einige Punkte gewann, um sich von nun an ganz langsam zu erholen.
Was war geschehen? Am Abend vor diesem Tage hatte um 10 Uhr eine Sitzung des Direktoriums der E. S. C. stattgefunden. Zum allgemeinen Erstaunen der meisten Teilnehmer war kurz nach der Eröffnung der Sitzung Georg Isenbrandt in das Zimmer getreten. Er folgte einer dringenden Einladung des Präsidenten Reinhardt.
Eine knappe Stunde hatte er gesprochen. War im Anschluß daran sofort nach Asien zurückgekehrt. Als die Mitglieder des Direktoriums nach der Sitzung das Gebäude verließen, zeigten ihre Gesichter nichts mehr von der Sorge, die bis dahin auf ihnen gelastet hatte.
Ihre zahlreichen chiffrierten Telegramme, die noch in derselben Nacht hinausgingen, zeigten, wie anders die Lage jetzt von ihnen angesehen wurde. Der Besuch Isenbrandts wurde streng geheimgehalten.
Mittagsglut lastete auf den Ruinen von Karakorum. Unbarmherzig brannte die Sonne auf die tausendjährigen Überreste der alten Mongolenstadt nieder. Zerfallen waren die alten Paläste, in Trümmern lagen die Häuser. Nur noch wenige ärmliche Ansiedler hausten in den Überbleibseln der einstigen großen Hauptstadt.
Außerdem noch die Gefangenen Collin Camerons.
Als damals Wellington Fox in Urga auftauchte, wußte Cameron sofort, daß der Aufenthalt der Witthusens entdeckt sei, daß Freunde am Werke wären, sie zu befreien. Ein anderer sicherer Ort mußte für sie gefunden werden, und Cameron verfiel auf die alte Thingstätte der Mongolen auf Karakorum. Hier, in der Schamowüste, fern von allen Städten, von allem Verkehr … des war er sich sicher … würde sie so leicht niemand suchen und finden.
Noch in der Nacht nach der Gefangennahme von Wellington Fox war eine Karawane aus Urga nach dem Südwesten aufgebrochen, war viele Tage hindurch nach dem Südwesten gezogen und hatte die Gefangenen nach Karakorum geschafft.
Seit vielen Jahrhunderten war die Stadt ein Trümmerhaufen. Aber unter den Ruinen gab es auch weniger verfallene, unter den weniger verfallenen einige wenige, die noch erhalten und zur Not bewohnbar waren. Einen solchen Bau hatte Collin Cameron für seine Gefangenen bestimmt. Die Wärter, die er ihnen mitgab, die würden sich auch nicht bestechen lassen. Dessen glaubte er sicher zu sein. Hatte er sie zur größeren Sicherheit doch erst noch den schmerzvollen Tod jenes bestochenen Wärters in Urga mit ansehen lassen, bevor die Karawane aufbrach.
Wellington Fox ging mit langen Schritten rastlos in dem von einer hohen Mauer umgebenen Hofe ihres neuen Gefängnisses im Kreise entlang. Er hätte den Weg auch mit geschlossenen Augen finden können, so oft war er ihn in diesen letzten Tagen schon gelaufen.
Hundertfünfzig Schritte in der einen Richtung, wenn er linksherum ging … hunderteinundfünfzig Schritte in der anderen Richtung, wenn er den Kreis an den Mauern und Wänden rechtsherum lief.
Diese Differenz von einem Schritt zwischen den beiden Richtungen schuf ihm unaufhörliches Nachdenken … und dieses Denken zusammen mit der körperlichen Bewegung des Rundganges hielt ihn frisch, bewahrte ihn vor jener trostlosen Erschlaffung, der Theodor Witthusen zu erliegen drohte.
Heiß und immer heißer brannte die Sonne. In einem schattigen Winkel des Hofes hatte sich Witthusen einen Feldstuhl hingerückt, saß dort und dämmerte vor sich hin.
Wellington Fox spazierte und zählte dabei:
»… Hundertneunundvierzig … hundertfünfzig … hunderteinundfünfzig … Herrgottshimmeldonnerwetter, wie ist denn das möglich … es bleibt bei der unerklärlichen Differenz von einem Schritt … All right … versuchen wir es noch einmal in der anderen Richtung.«
Auf dem linken Absatz vollführte er eine energische Kehrtwendung. Doch bevor er den Marsch in der anderen Richtung wieder antrat, blieb er erst kurze Zeit stehen, zog das Tuch und trocknete sich den strömenden Schweiß von der Stirn.
Dann ging er wieder los und begann mechanisch die Schritte zu zählen.
»… Eins … zwei … drei …«
Er blieb nicht lange beim Zählen. Seine Gedanken begannen wieder zu arbeiten. Im Selbstgespräche murmelten seine Lippen:
»Geschieht dir ganz recht, Fox! Warum bliebst du nicht ruhig in deinem Versteck? …Warum mußtest du vorzeitig zu dem Hause laufen? …Wärst du daheim geblieben, hätte dich der Schuft, der Cameron, nicht gesehen … alles wäre geglückt.«
Während er die Worte wütend hervorstieß, kam er auf seinem Rundgang gerade an der Stelle vorüber, an der Witthusen im Schatten saß. Er blieb stehen und trocknete sich von neuem die Stirn.
»Eine schauderhafte Hitze, Herr Witthusen …Bessere Vorbereitung für die Hölle …Wie erträgt Ihre Tochter die tropische Hitze?«
Mit einer matten Bewegung hob Witthusen den Kopf.
»Sie bleibt fast den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Sie leidet und hofft …«
»Hofft? …Hofft sie auch, daß Isenbrandt uns schließlich auch hier entdecken und dem gelben Gesindel entreißen wird?«
»Sie hofft, Herr Fox …wir alle hoffen …auch andere Freunde bemühen sich um uns. Mr. Cameron ist in Peking und wird alles tun, um unsere Freilassung …«
»Mr. Cameron!«
Scharf und hart war Fox dem Alten ins Wort gefallen.
»Mr. Cameron! …Sie glauben, daß er …«
Jäh brach Wellington Fox seine Rede ab. Was hatte es für einen Zweck, sich mit Witthusen über Cameron zu unterhalten. Mochte der alte Mann die Hoffnung hegen …eine Hoffnung, die ihn immerhin aufrechthielt, den seelischen und damit auch den körperlichen Zusammenbruch zum mindesten aufschob.
»Also hoffen wir, Herr Witthusen! … Hoffen wir. Jeder Tag kann schließlich die Befreiung bringen.«
Wellington Fox machte sich wieder auf den Marsch. Er marschierte, er fluchte auf die Hitze, auf die Gelben, auf Collin Cameron, und er erhielt sich durch diese doppelte Bewegung eine gute Elastizität.
Jetzt blieb er stehen und betrachtete kopfschüttelnd den Himmel. Dessen stahlblauer Glanz begann einem verwaschenen Grau zu weichen. Schon schoben sich leichte Schleier vor die Sonne und milderten die Hitze.
Wellington Fox marschierte weiter. Die Viertelstunden verrannen und summten sich zu einer Stunde. Jetzt war der ganze Himmel nur noch ein einziges dunkles Grau. Ein leichter Luftzug bewegte die Zweige der wenigen halbvertrockneten Bäume jenseits der Hofmauer.
Vor Witthusen machte Wellington Fox wieder halt.
»Sehen Sie den Himmel, Herr Witthusen?«
Der Alte blickte empor.
»Ich