Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»Georg!«
*
Mr. Garvin streifte nachdenklich die Asche von seiner Zigarre. Sein Blick glitt über die Abhänge des Matteostocks und die blaue Flut des Stillen Ozeans, um dann an der Gestalt von Wellington Fox haften zu bleiben, dessen Profil sich scharf gegen den azurfarbenen Himmel abhob.
Anders als damals in Wierny blickte Francis Garvin heute auf den Journalisten, der in lässiger Haltung auf der schmalen Balustrade saß und vergnügt mit den Beinen schlenkerte, als hätte er eben irgendeine Belanglosigkeit zum besten gegeben. Schon der gute Humor, mit dem Fox seine Abenteuer in Urga und Karakorum erzählte, hatte dem kühlen Geschäftsmann gefallen. Ein Mann, der mit solchem Gleichmut von schwersten Lebensgefahren sprach, mußte doch etwas anderes sein, als Garvin bei dem ersten Hören von dessen Namen gefürchtet hatte.
»Und niemand hat außer Ihnen beizeiten die schwere Gefahr erkannt und entdeckt, die unser Land bedroht?«
»Keine Seele! Als ich dem Meister unseres Weißen Ordens hier in Frisko die nötigen Mitteilungen machen wollte, feierten sie gerade das hohe Fest des Holundermarks …«
Garvin schaute ihn fragend an.
»Was? … Was ist das?«
»Was das ist, Mr. Garvin? Ein Humbug in Reinkultur, der aber von der an sich guten und gesunden Organisation nicht zu trennen ist. Der Meister hatte gerade die Zeremonie beendet, als ich ihn um eine Unterredung bat.
Ich habe selten ein so erstauntes Gesicht gesehen wie das von … pardon, ich darf Ihnen den Namen nicht nennen, da Sie nicht Mitglied sind … Ein so erstauntes Gesicht bei einem Manne, der doch sonst als kluger und energischer Politiker bekannt ist.«
Garvin lachte.
»Und weiter?«
»Ich mußte es bewundern, wie schnell und richtig er dann aber die Sache anfaßte und seine Maßnahmen traf. Da war es im Augenblick mit all dem komischen Beiwerk aus.«
»Wurden Sie nicht daraufhin um dreizehnundeinenhalben Grad hinaufbefördert?«
»Stopp, Sir! Wenn Sie heut in sechs Wochen noch sind, was Sie heute sind, werden Sie es nicht in letzter Linie dem Weißen Orden und seinen Holundermännern verdanken. Wer unseren Orden mit den alten Ku-Klux-Klan-Leuten vor hundertfünfzig Jahren verwechselt, der befindet sich in einem schweren Irrtum. Die Parole: ›Reinhaltung der weißen Rasse‹ ist dieselbe geblieben. Auch viele von den mittelalterlich anmutenden Gebräuchen und Zeremonien haben sich noch erhalten. Aber der Geist ist ein ganz anderer geworden … und andere Wege verfolgt er zu seinem Ziel. In den kommenden Wochen wird er die Feuerprobe bestehen …«
Garvin wiegte in leisem Bedenken das weißbuschige Haupt.
»Ich bezweifle die Richtigkeit Ihrer Mitteilungen nicht, lieber Fox. Doch möchte es mir scheinen, als ob Sie die Gefahr als zu groß ansehen …«
Wellington Fox deutete mit der Hand auf die blaue Küste.
»Meine Ansicht ist die, Mr. Garvin, daß es sich empfehlen dürfte, Ihre Jacht fahrbereit Tag und Nacht hier unten zu Ihrer Verfügung liegen zu haben … Es sei denn, daß Ihre Liebe zu Helen nicht so groß wäre als meine …«
»Was ist mit Helen? … Was soll Helen?«
Mit einem Sprunge war Helen über den Marmorboden hin auf die beiden zugeeilt. Fox glaubte, sie wolle ihm um den Hals fallen, fühlte sich aber mit einem energischen Ruck nach vorn gezogen, daß er beinahe mit der Nase den Boden berührte. Ein kräftiger Klaps von Helens kleiner Hand bewies ihm noch näher, daß er mit seiner ersten Vermutung im Irrtum gewesen war.
»Wellington! … Was bist du für ein fürchterlicher Mensch! … Du sitzt da auf der Balustrade wie in einem Klubsessel, während es hinter dir fünfzig Meter in die Tiefe geht. Und du, Pa, siehst das mit an?!«
Der alte Garvin schmunzelte.
»Ich halte Mr. Fox für viel zu klug, um hier herunterzufallen … Und wenn er’s täte, würde es ihm wahrscheinlich auch nichts schaden.«
»Pa …«, klang es vorwurfsvoll aus Helens Mund. »Du bist häßlich! Wie kannst du so etwas sagen. Ich meine, du solltest doch jetzt anders über Wellington denken.«
»Tue ich auch, mein liebes Kind! Meine Hochachtung ist, das gestehe ich offen, immer mehr gestiegen, je länger ich ihn kenne. Jetzt bin ich schon beinahe so weit, daß ich auch das große Geschäft, das er mir damals in Aussicht stellte, nicht mehr für eine Fata Morgana halten würde.«
»Oh, wie freue ich mich darüber, Pa! Einen Kuß für dich und zwei für Wellington!«
»Helen, gib deinem Vater auch noch den zweiten und bitte auch du ihn, das zu tun, um das ich ihn gebeten habe.«
»Was war das?«
»Nichts für dich, kleine Helen!«
»Oh, schon Geheimnisse vor mir? Aber Helen ist nicht neugierig. Pa, du wirst es tun, um was Wellington dich bat.«
»Ich werde es tun!«
Helen fiel ihrem Vater um den Hals.
»Liebster, bester Pa, dafür bekommst du noch zwei Küsse.«
*
In der Redaktionsstube des Frisko Black Herald saß das schwarzgelbe Mischblut, der Redakteur Johnson, in einem von den Motten reichlich angefressenen Polsterstuhl. Ihm gegenüber stand Collin Cameron, der es verschmähte, sich der zweiten ähnlich üblen Sitzgelegenheit zu bedienen.
»Gut, daß Sie kommen, Mr. Cameron! Die Arbeit in den letzten Wochen war fürchterlich. Sie hat viel Schweiß gekostet …«, er fuhr sich mit einem außergewöhnlich schmierigen Taschentuch über die nasse Stirn … »Und Geld … viel Geld …«
Dabei warf Mr. Johnson eine schadhafte Brieftasche auf den Tisch, der die absolute Leere aus allen Löchern gähnte.
»Schon gut!«
Collin Cameron zog ein Scheckbuch aus der Tasche, riß ein Formular heraus, füllte es mit einer hohen Summe aus und legte es vor sich hin.
»Berichten Sie! Aber vermeiden Sie jede … auch die kleinste Unrichtigkeit.«
Mr. Johnson verrenkte sich fast die Augen, um die Summe auf dem Scheck zu lesen. Doch vergeblich. Mit einem Seufzer lehnte er sich in sein Stuhlwrack zurück.
»Das Programm, das wir bei Ihrem letzten Besuch aufstellten, ist erfüllt. Auch die Führer … Smith von den Mortonwerken, Wessels vom Hafen und Bavery sind gewonnen … war sehr kostspielig … sehr kostspielig.«
»Wird Ihr Anhang diesen Führern auch unter veränderten Umständen folgen?«
»Oh … wenn Smith, Wessels und Bavery rufen, bleibt keiner zurück. Denen folgt das Volk durchs Feuer.«
»Die Waffen?«
»Unsere Lager sind gefüllt … können jederzeit auf die Bezirke verteilt werden. Das Hafenvolk besitzt schon genügend Waffen.«
»Ist