Gesammelte Erzählungen von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann

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Gesammelte Erzählungen von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann

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an den Wänden entlang. Und ihr bloßer Hals leuchtete über dem dunklen Kleid wie der Stengel einer Blume, die sich vor dem Sturme senkt.

      Es ereignete sich nun, daß eine schöne Portugiesin an den Hof zu Burgos kam, deren Name Benigna von Latiloe war. Sie wohnte im Hause Don Inigos de Stuniga, dort sah sie auch den Herzog zum ersten Mal und sie geriet in solche Liebe zu ihm, daß alle, die zugegen waren, es sogleich merkten. Philipp jedoch verhielt sich kühl, trotzdem die Dame von bezaubernder Anmut war und auch einigen Geist besaß. Bei späteren Begegnungen wich er um so weniger von seinem höflichen, aber gemessenen Betragen ab, als ihm der Eifer Donna Benignas lästig zu werden begann und ihre Nachstellung den Stoff des öffentlichen Geredes bildete. Wäre sie geschickt und kokett genug gewesen, seine Eroberungslust zu reizen, so wäre sie vielleicht Gunstfräulein geworden, denn andere, die sich nicht solcher Gaben rühmen konnten wie sie, wurden dieses Vorzugs leicht zuteil; ihr schlug es fehl. Die Aufrichtigkeit ihrer Leidenschaft war zu groß.

      Das Unheil wollte es, daß der Ritter Franz von Kastilalt, der noch immer der unzertrennliche Begleiter Don Philipps war, sich mit ebensolcher Heftigkeit in die schöne Portugiesin verliebte, wie diese in den Herzog. Er fand aber kein Gehör, und seine ungestümen Bemühungen machten ihn bloß zum Gegenstand des Abscheus für das Fräulein. Als er sah, daß ein Glück, welches Philipp gleichgültig verschmähte, ihm verwehrt sein sollte, wurde er von tödlichem Haß erfüllt, nicht nur gegen Donna Benigna, sondern auch gegen seinen Herrn, und seiner tückischen Gemütsart entsprechend, sann er darauf, an beiden sich zu rächen. Häufig war er Helfer und Anstifter bei den Liebesabenteuern Philipps gewesen. Er wußte, daß dieser mit ängstlicher Sorgsamkeit darüber wachte, sein Treiben vor Donna Johanna geheim zu halten und nur auf Schleichwegen den leichtsinnigen Neigungen fröhnte. Wie alle war auch Ritter Kastilalt davon überzeugt, daß die Infantin mit unsichtbaren Mächten im Bündnis sei, und er beschloß, den Herzog und Donna Benigna bei Johanna zu verraten, als ob sie in verbotener Beziehung ständen. Zu diesem Zweck wußte er sich die Briefe anzueignen, welche die Portugiesin fast täglich an Philipp sandte, und wählte diejenigen aus, deren hingebender und zärtlicher Ton wohl darauf schließen lassen konnte, daß die Anklage des Ritters auf Wahrheit beruhe.

      Er ließ sich bei der Infantin melden, gab sich ein demütig-ergebenes Ansehen, als ob ihm auf der Welt nichts im Sinn läge, als das Wohl der Herzogin und als ob ihn sein Gewissen der Ruhe beraubt und ihn endlich gezwungen habe, sich der Last des Verschweigens zu entledigen. Darnach brachte er das Gespinnst ans Licht, das er in seinem schwarzen Innern gewoben, gab die Briefe Donna Benignas zum Beleg und ging wieder, seiner Sache keineswegs versichert, denn die Infantin hatte ihn mit unbewegter Miene angehört und kein einziges Wort gesprochen. Ehe noch der Stein seinem Auge entschwunden war, den er so ränkevoll den Abhang hinunter gerollt, nisteten sich schon Angst und Reue bei ihm ein.

      Als der Ritter fort war, preßte Donna Johanna ihre beiden Hände gegen die Brust, schritt zu dem hohen Spiegel, der zwischen zwei Halbsäulen aus gelbem Marmor hing, und betrachtete mit großer Aufmerksamkeit ihr Gesicht. Im Zimmer befand sich niemand als Donna Gregoria und diese verfolgte das Tun ihrer Herrin bang und lautlos.

      Endlich rief Johanna, ohne sich zu rühren, mit klarer Stimme in den Spiegel hinein: »Gregoria!« – »Was befehlt Ihr, edle Dame?« antwortete diese zitternd. – »Er muß sterben, Gregoria«, sagte die Infantin. Donna Gregoria schwieg. »Hörst du, Gregoria, er muß sterben«, wiederholte Johanna, und das letzte Wort erstickte in einem schnelleren Atemzug, während die Hände, wie leblos geworden, von der Brust heruntersanken. Und Donna Gregoria hauchte kaum vernehmlich: »Ja, edle Donna«. Dann näherte sie sich der Infantin, fiel auf die Kniee und lehnte die eiskalte Stirn gegen Johannas starre Hand. Johanna beugte sich herab, weit, mit Anstrengung beugte sie sich nieder und flüsterte ins Ohr der Dienerin.

      Es lebte ein Verwandter von Donna Gregoria am Hof, ein Edelknabe namens Morales, und dieser war Donna Gregoria mit Leib und Seele zugetan. Sie sprach mit ihm noch am selben Abend und sagte ihm, er könne an einem Bach bei Murcia gewisse Kräuter finden und fertigte ihm auch eine Liste von den Kräutern an. Morales reiste fort, sammelte die Kräuter und ritt damit nach Molina in Arragon zu einem Apotheker, den er kannte. In seiner Wohnung destillierte der Apotheker den Saft aus den Kräutern und zum Beweis, wie furchtbar das entstandene Gift sei, gab er einen Tropfen davon einem Hahn ein, der sogleich verendete.

      Einige Tage darauf gab der Herzog in einem Haus bei Burgos, welches Cordon genannt wurde und damals dem Grafen Punon-Rostro gehörte, mehreren Granden des Landes ein Essen. Die Ordnung für die Mahlzeit war diese: sobald man von der Mittelhalle ins Haus trat, fand man im ersten Saal zwei Schenktische, einen für die Speisen und einen für den Wein. Links davon war der Speisesaal, dessen Fenster aufs freie Feld gingen. Zwischen beiden Räumen war ein enger Durchgang. Während getafelt wurde, verstand Morales es so einzurichten, daß, so oft Don Philipp zu trinken verlangte, kein anderer als er ihm den Wein brachte. Dreimal reichte er ihm den Becher; vor dem dritten Mal schüttete er in jenem dunklen Korridor heimlich und schnell das Gift hinein. Es war ungefähr soviel als eine Nußschale gefüllt hätte.

      Wenige Minuten darauf fühlte sich der Herzog krank. Er ging hinaus, indes die Herren ahnungslos sitzen blieben um zu spielen. Eine halbe Stunde nachher rief sie der Haushofmeister in großem Schrecken, denn Philipp lag bereits im Fieber. Er wurde eilends nach der Stadt geschafft, es ward aber späte Nacht, ehe sie ankamen und die Ärzte erschienen. Gleich hernach verstarb er unter gräßlichen Schmerzen.

      Don Gotor begab sich zur Infantin. Er glaubte sie noch schlafend und weckte die Diener und Kammerfrauen. Da erschien Donna Gregoria und führte ihn schweigend in einen Saal, wo Johanna vor einem Kohlenbecken saß. Mit einem Gesicht, starr und fahl wie Eisen, berichtete der Arzt in sonderbar gemessener Form den Tod seines Herrn. Das Auge der Infantin wandte sich langsam der regungslosen Gestalt des Greises zu, dessen Blick furchtlos und brennend dem ihren begegnete. Doch wie der Schwamm von einer Faust wurden Johannas Züge von Ekstase zusammengepreßt, es zog ein Freudenschimmer darüber hin, und die Beine, der ganze Leib streckten sich wie im Bade.

      Der Leichnam war begraben. Böses Gerede schwirrte über der Gruft und erstickte wieder in abergläubischer Furcht. Als einst mehrere Edelleute auf dem Hauptplatze standen und ungescheut die Vermutung aussprachen, daß Philipp durch Mörderhand umgekommen sei, erschütterte ein Erdbeben die Stadt, die Fenster des Rathauses zerbrachen und die erschreckt Flüchtenden sahen die Türme der Kirchen wanken. Der Herr von Mingoval, hochbetrauter Oberstallmeister, wollte währenddem die Infantin mit fliegenden Haaren auf dem Dach des Palastes bemerkt haben, wo sie einen weißen Zauberstab schwang.

      Es fiel auf, daß Donna Gregoria ihren Abschied nahm und sich auf einen Ruhesitz bei Barcelona begab. Der Ritter Franz von Kastilalt floh übers Gebirge und nahm Dienste beim König von Frankreich. Der Edelknabe Morales wurde nächtlicherweile von einem betrunkenen Söldner erstochen. Donna Benigna kehrte in ihre Heimat zurück und nahm den Schleier.

      Die Infantin lebte in hohen Gemächern voll gläserner Luft. Ihre Frauen mieden sie, die Diener jeglicher Art fürchteten sie. Es war später Herbst, der Sturmwind rüttelte an den Mauern des Schlosses. Welche Unruhe in Johannas Herz! Trat jemand unerwartet vor sie hin, so erschrak sie und ihr angstvoll fragendes Auge zeigte den matten Glanz der Schlaflosen. Bisweilen war ihr Gesicht in rätselhafter Zärtlichkeit wie gegen eine unsichtbare Gestalt gerichtet und die Hand krümmte sich gleich einem dürren Blatt, das sich zusammenrollt, bevor es Winter wird.

      Bei der Tafel saß sie still und in sich gekehrt und berührte selten eine Schüssel. Einmal lief ein Sonnenstrahl, durch eine Kristallvase zerteilt, als siebenfarbige Brücke durch den Raum, bis er ihre Hand erreichte und dem Flügel eines Insektes ähnlich geheimnisvoll auf-und abzitterte. Da sprang sie empor und schluchzte laut. Ihr war wie einem, der ein schönes Bild von der Wand gerissen hat; nun strömt Finsternis und Grauen von der Stelle aus, die vorher so freundlich geschmückt war.

      In Philipps Zimmern konnte sie ein wenig Frieden finden, trotzdem alle Gegenstände zu fragen schienen:

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