Jutt & Jula. Brust Alfred

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Jutt & Jula - Brust Alfred

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>Alfred Brust

      Jutt & Jula

Geschichte einer jungen Liebe

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      [email protected]

      2017 OK Publishing

      ISBN 978-80-272-2631-3

      1

      Es war an einer Haltestelle der Kleinbahn. Mit großem Geschnauf und Gestöhne arbeitete das unvorteilhafte Dampfroß ein paar niedrige Wagen heran. Unter Puff und Aufseufzen hielt es endlich. Und indes das kleine Ungetüm rasch Atem holte zu neuem Beginnen, entstieg dem letzten Wäglein ein ziemlich alter Mann, unbestimmbaren Aussehens, wenn man von dem weiten Mantel, der ihn umhüllte, und einem sehr großen Hut, der seinen Kopf bedeckte, absehen will. Auch trug der Reisende keinerlei Gepäck. Dafür hielt er in der Hand einen Stock, wie es einem solchen in abgelegenen Landschaften zu begegnen nicht jedermanns Sache ist.

      An den von Regen und Staub und Ruß verwaschenen und verklebten Wagenfenstern, daran immer wieder vergeblich zu rütteln versucht wurde, erschienen verschiedene neugierige Köpfe männlichen und weiblichen Geschlechts, stellten mit ihren Mienen Erwartungen und Vermutungen über den langsam vorbeischreitenden Reisegast an und murmelten ihre Frühjahrsansichten hinter ihm her. Mit einem Ruck aber zog der kleine Bahnzug an, und all die Köpfe wankten heftig nach einer Seite und verschwanden hinter den Wagenwänden.

      Kein Mensch ringsher . . . Aber der Fremde schien sich auch gar nicht darnach umtun zu wollen. Er zog sich mit gleichmäßigen tiefen Atemzügen die Lunge voll Luft und ging den Landweg hinab, der hier den Fahrdamm überquerte.

      Es war ein heller Morgen im Frühling. Der frische Wind trug den herben Duft her von bestellten Äckern und den süßen Geruch grünen Laubes und erster Blütenkelche. Die Nordreise der Vögel ging breit und hurtig durch Busch und Gezweig. Irgendwoher kam das junge Wiehern eines Pferdes. Und aus der Ferne her stand noch immer das hartnäckige Bimbim der kleinen Bahn über Feld und Strauch. Aus den Triftgräben krochen die aufgedunsenen Frühjahrskörper der Frösche, und der Storch stand nach der ersten Sättigung teilnahmlos und auf einem Bein, döselnd und blinzelnd, daneben. Während die Sonne den schweren Tau der Gräser trank, hoben sich fern von den Weiden und Wiesen die Morgennebel auf und trugen sich flüchtig als Wolke weg.

      Es wurde dem Wanderer fröhlich und warm zumut auf der einsamen Straße. Er entledigte sich seines langen Mantels und hing ihn sich an der Krücke des Stockes über die Schulter. Dann nahm er den Hut in die Hand und schwenkte ihn im frischeren Ausschreiten lächelnd hin und her.

      Nun hätte man freilich wahrnehmen können, daß es sich hier um einen besonderen Menschen handeln mußte. Sein graues Haupthaar war locker und voll und aus der Stirn zurückgestrichen. Schmal, hoch und blaß war diese Stirn und von einer gläsernen Klarheit, so licht und rein, daß Menschen, die sie vielleicht in einer Menge gewahren, bei ihrem Anblick zuinnerst erschrecken, sich versehen zu haben glauben und im Gleichmaß ihres schlummernden Tages sich noch lange nachher aufgestört fühlen und des Nachts darauf womöglich beunruhigende Träume haben. Es gibt solche Stirnen. Und einmal oder zweimal oder dreimal begegnet man ihnen auch im Leben.

      Und die Augen, die unter dieser Stirn lagen, warfen einen merkwürdigen Blick, einen Blick wissender Tiefe und ewiger Güte. In diesen Augen war alles auf Erden richtig, sie fanden nirgend Widerstand und durchdrangen die schweren Dinge. Sie schweiften nicht umher – hierhin und dorthin – sondern wurden von ihrem Träger gesandt, wohin er sie haben wollte. Zuweilen wurden sie kühl und hart, als sähen sie etwas unsichtbares Unerfreuliches; dann verschwamm der Blick ein wenig hinter einem Schleier, tauchte ins Innere und quoll sofort wieder mild, warm, gütig in das umherige Mitleben.

      Um das Gesicht schloß sich ein Bart von jener Weichheit des Flaums, die nie ein Messer sah. Aber unter der schmalen Nase lag ein Mund, dessen Ausdruck gemischt war aus stiller Freude, großem Schmerz, unmittelbarer Geduld, gütigem Verstehen und gelassener Kraft. Unter diese Züge alle jedoch mischte sich ein Hauch von verzweifeltem Spott, der nur das Abbild einer grausigen Erkenntnis sein konnte und deshalb hier ein verborgenes, aber doch vorhandenes, immer gegenwärtiges Dasein führte.

      Gewiß – man hatte es in diesem Manne zweifellos mit einem Geiste zu tun, der von den Härten des Daseins und von den unerbittlichen Fahrten seines Schicksals erprobt und geschliffen war. Die Erfahrungen und Begegnisse auf der Linie des Lebens waren für ihn Stufen zu einem reinen Menschentum geworden und hatten ihm ein Wissen von den Dingen des Seins und ihren großen Zusammenhängen gebracht, das in Schulen nicht gelernt, in Kirchen nicht gepredigt und aus Büchern nicht erlesen werden kann. Doch nicht Ergebung und Verzicht war ihm die Endsumme geworden, sondern tätiges Erkennen. Und aus diesem tätigen Erkennen heraus konnte er sich nicht den Menschen als Lehrer aufwerfen, indem er ihnen ihre Sünden vorhielt, für die sie nichts konnten, oder sie anregte dieses zu tun und jenes zu lassen, sondern indem er in jeder Sekunde seines Lebens sein eigenes Menschsein immer noch steigerte zu Gott hin und aus der Fülle seines wachsenden Erliebens aussandte Ströme der Erhebung und des ewigen Lichts, daß jede Kreatur und Wesenheit, die zu ihm Berührung fand, aufwachte, atemstill wurde, sich dem Licht entgegenhob und selige Bemühung suchte die gehabte Form zu verwandeln.

      So auch jetzt. Diese Landschaft wurde unter dem segnenden Blick des Wanderers lebendig, lebendig in einer anderen Weise, als es für gewöhnlich der Fall ist. Gewiß blieben die Dinge und Wesen in ihren Daseinseigenschaften die gleichen, aber unter den Augen dieses Mannes lüftete Gott-Natur seinen Schleier und gewährte sich in der gewaltigen Musik seiner unendlichfachen Sinfonie. Da hatte jeder Grashalm, jede Ackerkrume, da hatte jede Mücke und jedes Blättchen seinen klaren Ton. Der Molch im Sumpf und unter den Wolken die ziehenden Kraniche, Wind, wiegender Zweig und aufgeworfene Scholle, arbeiteten mit ihrem vornehmsten Eifer am selben Musiksatz. Da hatte jedes Ding von Stern zu Staub die innigste Beziehung. Und Leidenlassen spielte die große Melodie genau so edel wie Leidenmüssen . . .

      Es war schon gegen die Mittagsstunde, als der Wanderer die hohe Birkenreihe der Steinstraße erblickte und er es nicht hindern konnte und auch nicht hindern wollte, daß in seine Schritte eine leise Unruhe geriet. Die Gehöfte, Baumgruppen und Buschketten wurden ihm immer bekannter. Und in manch einen Vorübergehenden erkannte er einen Bauer wieder aus jenen fernen Tagen, die zu vergegenwärtigen er nun noch einmal hierher gekommen war. Und plötzlich tat sich dann die Landschaft auf und gestattete ihrem Heimgekehrten den lieblichsten Ausblick.

      Der Wanderer lehnte sich erschüttert gegen einen Baum. Er schenkte sich für einige Minuten ganz seiner stürmenden Seele. Und das köstliche Bild des Heimat-Dorfes schwamm vor den feuchten Augen.

      Schlank und hell wie ein Licht stand inmitten des Ortes der weiße Kirchturm, darum die roten Dächer der Häuser wie ein Kranz lagen und das reiche Frühlingsgrün uralter Bäume schirmend im Golde der Mittagssonne darüber und daneben stand. Die breite Steinstraße mit dem reichen Birkenbestand führte wie eine Allee schnurgerade mitten in das Dorf hinein. Langsam und mit seligsten Empfindungen schritt der Wanderer der Heimat entgegen. Hier stand fast jeder Baum noch und jedes Haus. Die Sträucher waren wohl größer geworden und ein paar Zäune gab es mehr. Sonst schien sich nichts verändert zu haben. Auch die alte eiserne Straßenwalze stand noch am Eingang des Dorfes. In diesem ihren hölzernen Steinkasten hatte er sich als Kind geschaukelt. Und auch die Brücke über den raschen Fluß hatte sich nicht verändert. Sie war noch immer aus Holz und schwarz und weiß angestrichen; bloß seltsam niedrig empfand er sie jetzt. Und das Flüßchen war ja nur so schmal, daß man leicht hinüberspringen konnte.

      Und auch im Dorf schien alles kleiner geworden und enger aneinandergerückt. Ein paar Schritte nur, dann war er schon auf dem Kirchhof. Er brauchte nicht lange zu suchen. Dann fand er ein frisches Grab; es lag bei denjenigen seiner Vorfahren. Und die unter diesem frischgeworfenen Hügel gebettet war, das war Maria,

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