Jutt & Jula. Brust Alfred

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Jutt & Jula - Brust Alfred

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wurde, und in deren Krone ein Tisch mit vier Bänken stand. Es ging die Sage: Ein heidnischer Fürst habe sie vor vielen Jahrhunderten aus dem Boden gerissen, sie mit der Krone in die Erde gepflanzt und gelobt, er würde sich zum Christengott bekennen, wenn der Baum wachsen sollte. Und der Baum hatte gegrünt und aus dem Kreis seiner Kronenwurzel neue kleine Stämme emporgetrieben, die jetzt die weitausladenden baumstarken Äste wie treue Helfer mit neuer Kraft und neuem Grünen trugen . . .

      Aber zu Füßen sah Jula das eigene Besitztum, das Wehr, den Mühlenteich, aus dessen blauem Wasser an den Ufern die ersten Kalmusspitzen tauchten, sah die sauberen Vierecke der Kräuterfelder sich hinziehen und entfernter das Daubenwäldchen mit dem jungen Birkenhain auf der Anhöhe, den Tante Maria hatte anlegen lassen.

      Diese Kräuterpflanzung war der Tante Werk gewesen in den Jahren ihrer großen Einsamkeit. Mühselig war sie Schritt für Schritt vorwärtsgegangen, unermüdlich, große Fehlschläge überwindend, war dem Verlangen berühmter Forscher und den Weisungen verlachter Schäfer und Frauen gefolgt, um wenigstens auf diese Weise den bresthaften Leibern der armen Menschen in der Welt eine Linderung zu schaffen. Es hatte lange Zeit gedauert bis die großen, anerkannten Arzneibereiter auf ihr Werk der Stille aufmerksam wurden, bis sie sich überzeugten, daß in diesen Kräutern nur seltene und zufällig beobachtete Kräfte vorhanden waren, die der Arzneikunde in sehr gedrängter Form ganz neue Möglichkeiten entgegentrugen. Nur sehr langsam war es dieser Wissenschaft aufgegangen, wie mit Arzneien, die aus Kräutern solcher Konzentrierung gewonnen wurden, nie geahnte Wunderkuren möglich waren und erfolgten, deren aus den mittelalterlichen Zeiten viele unglaubwürdig überliefert wurden. So war es gekommen, daß diese teuer aufgezogenen Pflanzen einen gewaltigen und geheimgehaltenen Ruf bekamen, daß sich große Staatswesen um deren Besitz bemühten und ihre Essenz in die fernen Länder und Völker trugen.

      Jula blickte hinab auf die Pflanzungen. Das alles hatte Tante Maria ihr übergeben, hatte ihr die geheimen Kräfte einer jeden Staude gewiesen, ihr die unterschiedlichen Merkmale und Äußerungen verraten. Dort gab es Gundelrebe, Benediktskraut und Ehrenpreis, dort Huflattich, Schafgarbe und Salbei; hier wuchs Johanniskraut und Lavendel, da Tormentille, Zinnkraut und der übelduftende Lipstock. Auf den Rainen drängte sich silbergrau der bittere Wermut, und daneben, in zarten Reihen, krochen die Stauden von Gesellenschuh und Fingerhut ans Sonnenlicht. Und endlich schloß sich die Kette, derjenigen Gewächse verschwiegenen Namens an, deren Wurzeln oder Blüten so unmittelbar tödlich waren, daß auch der gewiegteste Arzt keine Ursache festzustellen imstande war. Diese gefährlichen Kräuter wuchsen ganz groß und ganz offen. Und sie waren durchaus diejenigen der wirksamsten Heilungen, wenn man sie mit dem Zutraun des Wissenden genoß. Es bedeutete für Jula jedesmal einen schauernden Reiz daran vorüberzugehen – im Wissen um Heilung und größte Gefahr – und Menschen daran nichtsahnend vorbeischreiten zu sehen, wie im Schlaf oder träumend die kostbaren Blüten mit den unbeherrschten Fingern streifend . . .

      Dann verpackte Jula in großen, sauberen Pappschachteln den erhaltenen Auftrag, spannte das kleine muntere Pferdchen vor den Wagen und brachte die Pakete nach dem Dorf auf das Postamt, welches ein biederer Schneidermeister verwaltete, dem Tante Maria viel geholfen hatte. Denn zu seiner Sauberkeit und Tauglichkeit war er, wie die meisten Menschen, erst durch entschiedene Bedrohungen durch das Schicksal gekommen. Eines Tages hatte er ein Bein gebrochen, das abgenommen werden mußte. Tante Maria bezahlte die Unkosten und das Holzbein. Doch auch dieses Holzbein hielt ihn keineswegs ab, die Gastwirtschaften der näheren und weiteren Umgebung aufzusuchen, bis eines Abends, als seine Frau die Unruhe vor einer neuen heranbrechenden Ausschweifungsperiode bemerkte, sie kurz entschlossen das abgeschnallte Holzbein hoch auf den Schrank gelegt hatte. Der Schneider hatte sich schlafend gestellt und nichts davon gemerkt. Er wollte seine Frau erst im Schlummer wissen und dann den Ausflug unternehmen. Und als er sie im Schlummer wähnte, griff er nach seinem Bein. Und als er es schließlich auf dem Schranke sah, wo er es auf einem Bein nie erreichen konnte, kam eine gefährliche Lebensverzweiflung über ihn. Er griff sich einen Riemen und kroch auf den Händen hinaus. Erst nach einer Weile schlich die Frau ihm nach. Und sie fand ihn erhängt am untersten Ast des Ahorns. Sie schnitt ihn ab, erweckte ihn und gab ihm sein Bein wieder. Die Scham, die damals über ihn gekommen war, machte ihn zum geraden, vernünftigen Manne, dem Tante Maria dann die Verwaltung der Poststelle verschaffte . . .

      Jula nahm einige Sendungen für die »Pflanzung Wassermühle« entgegen und stand dann ein Weilchen neben der Brücke und sah hinaus auf die Steinstraße. Sie war neugierig auf diesen Vetter Jutt, von dem die Tante immer nur sehr sparsam gesprochen hatte. Ihr Köpfchen malte ihn sich in allen möglichen Vorstellungen und Eigenschaften aus. Und schließlich bekam ihr Wunschbild festere Umrisse; zugleich aber überzog sie eine unangenehme Furcht, dieser Vetter könne ganz anders und unausstehlich aussehen.

      Wenn sie an ihr Wunschbild dachte, ersehnte sie heftig die Ankunft des jungen Mannes, der ihr Hilfe für die Pflanzung sein sollte. Doch so sie daran dachte, daß wohl nur sehr selten auf der Erde etwas so aussieht, wie man es sich vorstellt, flüchtete sie in den äußersten Winkel des Hauses oder lief hinab zur Kapelle, wo sie ein Gebet verrichtete. Und auch jetzt sprang sie in das Wäglein und fuhr in scharfem Trab über das holperige Pflaster davon, als säße ihr der greuliche Vetter Jutt schon im Rücken. Aber an der Friedhofspforte hielt sie doch an, sah noch einmal vorsichtig rückwärts und ging dann zu der Tante Grab. Ganz leise, leise für sich und nur für die Verstorbenen ringsher, die sie ohnedies im Geiste hörten, sang sie der Tante Lieblingslied:

      »Liebe, die du mich zum Bilde

      deiner Gottheit hast gemacht;

      Liebe, die du mich so milde

      nach dem Fall hast wiederbracht:

      Liebe, dir ergeb ich mich,

      dein zu bleiben ewiglich.«

      Aber da – jetzt – es war erschütternd – eben wie sie den zweiten Vers beginnen wollte – in dem nämlichen Augenblicke – begann in der Kirche die Orgel zu erklingen, und leise, wie mit nur einer Hand gespielt, ertönte dasselbe Lied, das Jula eben für sich und die Heimgegangene gesungen hatte. Freilich, der Herr Kantor hielt da Unterricht ab, wie sie an ein paar verspäteten Schülern feststellte. Aber doch glaubte das Mädchen, daß Tante Maria dieses Zusammentreffen zustande gebracht hatte.

      Und Jula sang weiter, leichteren Gemüts, indessen sich ihre Augen mit Tränen der Seligkeit füllten:

      »Liebe, die mich hat gebunden

      an ihr Joch mit Leib und Sinn;

      Liebe, die mich überwunden

      und mein Herze hat dahin;

      Liebe, die mich ewig liebet,

      die für meine Seele bitt't;

      Liebe, die das Lösgeld gibet

      und mich kräftiglich vertritt;

      Liebe, die mich wird erwecken

      aus dem Grab der Sterblichkeit;

      Liebe, die mich wird umstecken

      mit dem Laub der Herrlichkeit:

      Liebe, dir ergeb ich mich,

      dein zu bleiben ewiglich.«

      Befreit und stark verließ Jula das Grabfeld. Erquickt vom Trank der ewigen Liebe, bekleidet mit dem Panzer des Glaubens und gedeckt vom Schilde der Wahrheit. Und so lenkte sie das Rößlein heimwärts.

      Aber ihr fiel es ein, heute nicht den

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