Jutt & Jula. Brust Alfred

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Jutt & Jula - Brust Alfred

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auch an der Stelle, wo er den Fluß schnitt, keine Brücke hatte, so daß hier die Fuhrwerke, da die Ufer hochgelegen waren, einen sanften Hohlweg hinab, ein ganzes Stück das flache Strombett entlang und dann wieder einen kurzen Hohlweg hinauffahren mußten. Die Pferde blieben immer ein Weilchen in dem reißenden Wasser stehen, kühlten Beine und Nüstern und zogen dann wieder munterer an.

      Jula lächelte verschmitzt, als sie vor sich auf dem Wege einen Wanderer sah, der vermutlich ahnungslos der Furt entgegeneilte. Sie fuhr ganz langsam, um zu sehen, wie der Fremde die feuchte Bescherung auffassen werde. Der aber schien zum Erstaunen, Kopfschütteln, Umherirren und Auswegsuchen nicht geschaffen zu sein, sondern stellte mit einem halben Blick die Tatsache fest, warf sein Bündel vom Rücken, setzte sich nieder und ging sofort daran sich des Schuhwerks zu entledigen. Jula fuhr gerade vorbei, ganz dicht. Doch der Mann hob nicht einmal den Kopf. Vielleicht war er taub. Man mußte ihn wohl anrufen.

      »Steigen Sie doch lieber in den Wagen,« sagte sie ziemlich laut.

      Jetzt hob der junge Mann, denn ein solcher war es, allerdings sehr verwundert das Gesicht.

      »Aber natürlich!« rief er, warf seine Habe in den Kasten und stieg zum Sitz hinauf.

      »Guten Tag!« grüßte er still.

      »Vor zehn Jahren, wenn man durch das ganze Land ging, brauchte man seine Füße wenig. Immer traf man einen Bauern, der einzusteigen nötigte. Doch seit Jahren ist mir das nicht mehr passiert. Deshalb sehe ich ein Fuhrwerk niemals an, wenn es vorbeifährt. Den Landleuten ist ihre eigene Unfreundlichkeit peinlich. Und ich enthebe sie dann lieber der Peinlichkeit, an der ich – hm! na! – ja eigentlich schuld bin.«

      Der Wanderer schwieg ein Weilchen.

      »Das muß ein furchtbar alter Weg sein,« sagte er dann. »Da – unter dem Geröll der Kiesel ist – spaßig! – das Wasser gepflastert!« Er lachte leis.

      »Das wußte ich noch nicht,« entfuhr es Jula. Und sie bückte sich hinaus und fand tatsächlich an der einen Stelle, die der rasche Fluß freigelegt, ein Pflaster von schweren Quadern.

      »Das ist immer so,« gab der Fremde zur Antwort. »Die Eingeborenen wissen nichts von den Lebenswerten ihrer Landschaft oder wissen es doch nicht zu schätzen. Sie haben für den Reiz ihrer Felder und Häuser einen Blick wie die Kuh für den grünen Klee.«

      Donnerwetter, ist das ein Patron! dachte Jula. Dabei sieht er so vornehm und edel aus! Kurz – sie hatte einen solchen Menschen noch nicht gesehen. Seine Kleidung war so einfach und angenehm. Er hielt einen sauberen und doch auf sein Gesicht eingetragenen Hut in der Hand. Und diese Hand hatte etwas Gütiges, Helfendes an sich. Ja – der Ortspfarrer hatte beinah solche Hände. Sein Mund war etwas voll und schwer, aber die Augen blickten mild und blau unter der gewölbten Stirn mit den buschigen Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren und dem Blick eine gewisse Schwermut gaben. An den Ohren war nichts auszusetzen. Sie schimmerten ein wenig weiß unter dem widerspenstigen zurückgestrichenen Haar. Das Gesicht war offen und hatte nichts zu verbergen. Und den Hals schmückte zum Glück auch kein Adamsapfel.

      Sie waren auf die andere Flußseite gekommen, und Jula fühlte sich plötzlich von einem seltsamen Empfinden bewegt. Sie fürchtete auf einmal, der Fremde könne aufstehen und zu Fuß seinen Weg fortsetzen. Wie ein Blitz durchzuckte es sie, daß sie dann schrecklich allein sein würde, daß sie dann irgendwie würde weinen müssen. Aber warum denn? Warum denn?? schrie sie nach innen . . . Und dann dachte sie an den Vetter Jutt und wurde von einer wahnsinnigen Angst erfaßt, er könne womöglich schon zu Hause warten. Das Bild eines gemeinen, zänkischen Menschen trat ihr vor Augen. Sie versuchte auch an ihr Wunschbild zu denken. Aber es wollte ihr nicht gelingen. Das war verblaßt, ausgelöscht und nur ein besseres Gespenst gewesen.

      Was jedoch war in ihr Inneres eingetreten? Sie vermochte nichts zu entdecken. Es war ihr, als hätte sie etwas verloren, so sehr verloren, daß sie sich fürchtete; aber diese Furcht war auf irgendeine Weise beseligend, wenn sie auch beklemmend auf der Brust lag.

      Gewiß, neben ihr saß ein Mann. Und sie hatte so dicht noch nie an einem Manne gesessen. Und sie fühlte, daß dieser Mann sicher und zielbewußt war. Er sah ihr beim Sprechen so offen in das Gesicht, wie es nur noch Tante Maria gekonnt hatte. Andere Menschen sahen immer vorbei oder zu Boden als schämten sie sich wie verschlagene Hunde. Und dann hatte dieser Mensch so treue Hände. Sie erschauerte, wenn ihr Blick diese Hände streifte – und er tat es immer wieder; sie konnte es nicht verhindern. Sie war eine Waise. Vielleicht, daß Väter solche Hände hatten, wenn die Augen ihrer Kinder darauf ruhten.

      Und dann kam ihr wieder der entsetzliche Vetter in den unruhigen Sinn. Sie malte sich einen ungeschlachten Kerl aus, der den Wagen, wenn er auf den Hof der Wassermühle führe, mit höhnischem Grinsen empfangen würde.

      Von den gegensätzlichsten Gedanken wie ein Spielball hin und her geschleudert, drohte sie von ohnmächtiger Schwäche überrannt zu werden. Sie hielt die Zügel krampfhaft in den Händen, preßte die Lippen aufeinander und bohrte die Augen ganz steif vor sich hin auf den Weg. Und doch schien ihr plötzlich veränderter Zustand dem Fremden nicht zu entgehen.

      »Ich möchte jetzt lieber zu Fuß weiterwandern,« sagte er und bat sie damit anzuhalten. »Es könnte Ihnen unlieb sein, wenn Sie Bekannte träfen. Und – verzeihen Sie das mit der Kuh im Klee. Ich war zeitlebens einsam und verstehe mich nicht auf Konversation.«

      »Aber nein doch – gar nicht – durchaus nicht,« sagte sie und ihre Lippen zitterten sehr. »Bleiben Sie doch sitzen.«

      »Danke . . .« sprach er warm und ernst und neigte kaum merklich den Oberkörper.

      Jula atmete auf. Eine Last war ihr von der Brust gefallen, wenigstens für einige Minuten. Sie atmete freier und gewahrte dabei unversehens einen eigentümlichen Geruch, der von dem jungen Gott neben ihr ausging. Es war so ein Gemisch von Ambra, Amara, Aloe und Teufelsdreck, das anziehen und abstoßen konnte zugleich.

      Und als ob er wissen konnte, daß sie an Gerüche dachte, sprach er leise: »Ich liebe den Geruch von Pferden. Sie sind ganz edle Geschöpfe. Und ich bleibe auf der Straße stehen, umarme sie und drücke mein Gesicht an ihre Nüstern. Und sie wissen das und wiehern mir nach, wenn ich gehe.«

      »Roßmist ist eine geheime Medizin,« sagte er nach einer Weile. »Und auch der Stein der Weisen wird darin gebrannt.«

      Und da sie nichts darauf sagte, nur still und ein wenig verscheucht zuhörte, fragte er, um der Fahrt doch irgendwie ein Ende zu bereiten: »Ist es überhaupt der rechte Weg nach der Pflanzung Wassermühle?«

      Da sah er, wie die Jungfrau von einem heißen Schreck durchbebt wurde, sah wie ihr die Zügel aus den verkrampften Händen glitten, sah die junge Brust sich unter raschen Atemstößen heben und senken, sah ein verklärtes Angesicht und ahnte das verzückte Blut durch die lieblichen Adern stürmen. Ein zartes Schaumflöckchen über den aufgeregten Wogen des menschlichen Meeres.

      Und das Pferd stand still.

      Und sie war aufgesprungen. Und auch er hatte sich erhoben und sah mit trunkener Bestürzung auf dies durchseelte Geschehen.

      Und sie warf die Arme auseinander, und mit einer Stimme, die aus den Tiefen allen Seins zu kommen schien und der auf Erden nichts zu widerstehen vermochte, rief sie den Namen:

      »Jutt!!«

      »Jula,« bebte es hoch und warm aus ihm.

      Die Arme schlossen sich.

      Er küßte sie fromm.

      Sie ihn voll Andacht und Innigkeit.

      Das

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