Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Bock davongetrieben hatte. – Ich werde heute doch noch zum Grabe des Lucas in den Lautergräben gehen. –

      Dann gibt es in den Winkelwäldern noch ein Grab, das die Leute wissen und verachten. Und dennoch ist es an diesem Tage des Gedächtnisses nicht einsam gewesen.

      Das Töchterlein des schwarzen Mathes hat am Grabe des Vaters wieder ein Blatt gefunden.

      »Mir geht es wohl. Ich denke an meine Mutter, an meine Schwester und an meinen Vater. Lazarus.«

      Das ist die Botschaft. Die einzige Botschaft von dem verschwundenen Knaben seit vielen Tagen. Die Schriftzüge sind dieselben wie auf dem ersten Blatte.

      Keine Menschenspur geht außer der des Mädchens zum Grabe hin, keine davon. Pfade von Füchsen und Rehen und anderen Tieren ziehen in Zick und Zack durch den winterlichen Wald.

      Am Katharinentag 1817

      Es ist ein Brief geschrieben worden, daß der Knabe um Gottes und der Mutter willen zurückkehren möge in die Hütte. Der Brief ist gut verwahrt über dem Grabe an dem Kreuzlein befestigt worden. Bis zum heutigen Tage ist er noch dort, niemand hat ihn erbrochen.

      Weihnacht 1817

      Heute habe ich Heimweh nach den Glockenklängen, nach in Wehmut erlösenden Orgeltönen. Ich sitze in meiner Stube und spiele Krippenlieder auf der Zither. Meine Zither hat nur drei Saiten; eine vollkommenere habe ich mir nicht zu schaffen gewußt.

      Die drei Saiten sind mir genug; die eine ist meine Mutter, die andere mein Weib, die dritte mein Kind. Stets in seiner Familie begeht man die Weihnacht.

      Nur wenige der Waldleute gehen mit Spanlunten hinaus nach Holdenschlag zur nächtlichen Feier. Es ist auch gar zu weit. Die übrigen bleiben in ihren Hütten; aber schlafen wollen sie doch nicht. Sie sitzen beisammen und erzählen sich Märchen. Sie haben heute einen sonderartigen Drang, aus ihrer Alltäglichkeit herauszutreten und sich eine eigene Welt zu schaffen. Mancher übt alte, heidnische Sitten aus und vermeint durch dieselben einem unsäglichen Gefühle des Herzens zu genügen. Mancher strengt seine Augen an und blickt hin über die nächtigen Wälder und meint, er müsse irgendwo ein helles Lichtlein sehen. Er horcht nach Feierglockenklingen und lieblichen Engelsstimmen. Aber nur die Sterne leuchten über den Waldbergen, heute wie gestern und immer. Ein kalter Lufthauch weht über den Wipfeln; Eisflämmchen flimmern nieder von den Kronen, und zuweilen schüttelt ein Geäste seine Schneelast ab.

      Aber anders berührt in dieser Nacht das Flimmern und das Fallen des Schnees, und die Menschengemüter zittern in sehnsuchtsvoller Erwartung des Erlösers.

      Ich habe ein einfältig Christbäumlein, wie man sie in nordischen Ländern haben soll, zusammengerichtet und dasselbe der Anna Maria Ruß in die Lautergräben geschickt. Ich denke, die Kerzenflammen müssen freundlich spiegeln in den Äuglein ihres Kleinen. Vielleicht, daß gar ein Funke ins junge Herz hineinzuckt und dort nimmer verlischt.

      In der Hütte der Witwe kann kein Christbaum sein. Auf dem Grabe des Mathes liegt sehr viel Schnee; das Briefgehäuse aus Reisig hat eine hohe Haube. Der flehende Brief der Mutter an das Kind muß verderben, ohne erbrochen und gelesen worden zu sein.

      März 1818

      In einem Winkel der Karwässer drüben hat sich der Berthold eine Klause erworben. Er ist zu den Holzleuten gegangen.

      Die Aga hat gestern ein Kindlein geboren. Es ist ein Mädchen. Sie haben es nicht nach Holdenschlag getragen. Ich bin geholt worden, daß ich es taufe. Ich bin kein Priester und darf dem Kirchenkalender keinen Namen stehlen. Waldlilie habe ich das Mädchen geheißen und mit dem Wasser des Waldes habe ich es getauft.

      Ostern 1818

      Wann wird der Engel kommen, der den Stein hinwegwälzt?

      »Jerum, jerum, unser Herrgott ist gestorben! Aber wie ich schon sag', es erfährt ein's halt nichts in dieses Hinterland herein. Schau, schau, ist eh' nimmer jung gewesen, hab' schon mein Lebtag von ihm gehört. Hat halt doch auch einmal fort müssen. Uh, wem bleibt's aus!« – Das hat der alte Schwammelfuchs gesagt, als er erfahren, daß zu Holdenschlag am Karfreitag von der Kanzel verkündet worden, unser Herrgott sei gestorben zu Jerusalem.

      In ernster und in höchster Verwunderung meint es der Alte, der doch zu jedem Abendgebete die Worte sagt: »Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuziget gestorben.«

      Es ist Zungengebet. Das wahre Gebet betet nur das Herz in seiner Not, in seiner Freude, aber die Leute werden sich desselben nicht bewußt. In Untiefen begraben liegt noch das Ding, das wir wahre Gottesehre oder Frömmigkeit heißen.

      Die Leute eilen in der Osternacht oder am Morgen in den freien Wald hinaus, zünden Feuer an, lassen Schießpulver knallen und spähen in der Luft nach dem päpstlichen Segen, der am Ostermorgen von der Zinne der Peterskirche zu Rom ausgestreut werde nach allen vier Winden.

      Es ist immer das unbewußte Sehnen und Ringen. Man merkt, es liegt etwas begraben in den Herzen was nicht tot ist. Wann aber wird der Engel kommen, der den Stein hinwegwälzt?

      Am Sankt-Markustag 1818

      Der Schnee ist geschmolzen. Drüben im Gesenke donnern noch die Lahnen. Vor einem Jahr haben wir einige Obstbäume gepflanzt; diese grünen jetzt ganz frisch, und der Edelkirschbaum treibt fünf schneeweiße Blüten.

      Der Kirchenbau hat wieder begonnen. Die Maurer haben sich auch schon an den Pfarrhof gemacht. Der wird ein stattliches Haus nach dem Plane des Waldherrn. Warum muß der Pfarrhof denn größer sein als etwan das Schulhaus? Das Schulhaus soll ja für eine ganze Familie und für eine Schar junger Gäste eingerichtet sein; der Pfarrhof beherbergt nur einen oder ein paar einzelne Menschen, deren Welt sich nicht nach außen breitet, sondern im Innern vertieft.

      Aber der Pfarrhof soll das Heim und die Zuflucht sein für alle Rat- und Hilfebedürftigen; eine Freistatt für Verfolgte und Schutzlose – und auch der Mittelpunkt der Gemeinde.

      Als Neues in der Jahreszeit kehrt stets das Alte wieder, die Leute leben in ihrer gewohnten Beschäftigung und unbewußten Armut fort.

      Ich kann nicht mehr so im Walde herumgehen, um mit den Leuten zu verkehren, von ihnen zu lernen und ihnen dafür anderweitig zu nützen. Ich kann nicht mehr flechten und schnitzen, nicht mehr so in der Schöpfung leben und Baum- und Blumenkunde treiben und das Erdreich ausspähen, was etwan aus demselben für uns zu holen wäre. Ich muß stetig bei dem Baue sein; die Arbeiter und Vorarbeiter gehen auf meinen Rat. Ich muß viel nachdenken und Bücher und fremde Erfahrungen zu Hilfe ziehen, daß wir nicht auf Irrwege geraten.

      Mir behagt aber die Sache bei all der Anstrengung, und ich werde jünger und kräftiger.

      Gestern ist der Dachstuhl aufgesetzt worden. Viele Menschen sind dabei anwesend gewesen; jeder will zur Kirche sein Schärflein beitragen. Die Witwe des Mathes und ihre Tochter arbeiten auch am Bau. Sie sprechen kein Wort mehr von dem Knaben. Aber letzthin hat das Weib ein Steinchen mit aus ihrer Hütte gebracht und die Worte gesagt: »Ich möchte gern, daß dieses Sandkorn unter dem Altar liege.«

      Es ist der Stein, den der Knabe nach der Mutter geworfen.

      Pfingsten 1818

      Das erste Fest der neuen Kirche. Aber nicht in derselben, sondern vor derselben. Gestern ist das Turmkreuz aufgerichtet worden. Es ist von Stahl und vergoldet – ein Geschenk des Freiherrn.

      Eine große Menge Leute hat sich versammelt;

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