Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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kein Mensch dagewesen sein, nicht einmal der Pfarrer. Letzthin gönnen sie uns etwan gar die neue Kirche nicht? – Wohl aber ist jenseits des Winkelbaches der Einspanig gesehen worden. Er schleicht und lauert, zerrt sein aschenfarbig Lodentuch über das bewüstete Haupt; hastet am Bache hin und wider und endlich hinein in das Dickicht. – Das ist ein seltsamer Mensch; mehr und mehr zieht er sich zurück von den Leuten und nur an bedeutsamen Tagen wird er gesehen. Niemand weiß, wer er ist, von wannen er kommt, und was er webt, das weiß kein Weber.

      Auch der Holzmeister nimmt an dem Feste teil, ist ganz außerordentlich aufgeziert und hat gar seinen roten Vollbart gekämmt. In der Hand hat er einen beknopften Stock getragen, da merke ich gleich, es geht nicht gewöhnlich. Und richtig, er hält eine Rede, in welcher er sagt, daß er heute im Namen des Waldherrn der neuen Gemeinde die neue Kirche übergebe.

      Das Kreuz trägt ein kräftiger Mann an den Arm gebunden hinauf. Es ist Paul, der junge Meisterknecht aus den Lautergräben. Von dem Turmfenster, durch das er heraussteigt, ist ein sehr einfaches Gerüste an dem beinahe senkrechten Schindeldach empor bis zur Spitze. Gelassen klettert der Träger an den Balken hinan. Zur Spitze angekommen, steht er frei aufrecht und löst sich das Kreuz vom linken Arm. – In der Menschenmasse ist es still, und ringsum kein Laut, als ob noch die Urwildnis wäre an den Ufern der Winkel. Jeder hält den Atem an, als wäre ein unbewachter Hauch imstande, dem Manne auf schwindelnder Höhe das Gleichgewicht zu stören.

      Der Paul hütet seinen Blick, und seine Bewegungen sind langsam und regelmäßig. Ich vermeine schon ein Zucken und Wenden zu bemerken, das nicht zur Sache gehört, schon faßt mich der Schreck – da senkt sich das Kreuz in seinen Grund und steht fest. In demselben Augenblick strauchelt der Mann – da schallt herunten in meiner Nähe ein Schrei. Aber Paul steht.

      Der Schrei ist aus dem Munde der Anna Maria gekommen. Sie ist blaß, und ohne noch einen Laut zu tun, setzt sie sich auf einen Stein.

      Und jetztund wird's erst lustig. Der Paul zieht ein Glas hervor, hebt es, leert es und schleudert es nieder auf den Boden. Es zerspringt in tausend Scherben, und die Leute ringen untereinander um diese Scherben, um solche für ihre Enkel zu erhaschen und dereinst sagen zu können: sehet, das ist ein Teil des Glases, aus dem bei der Aufrichtung unseres Kirchturmkreuzes getrunken worden.

      Noch steht der Paul auf hoher Spitze, Arm in Arm mit dem Kreuze; da kommt im Turmfenster der graubärtige Kopf unseres Fabelhans-Rüpel zum Vorscheine. Der zwinkert so gewaltig mit den weißen Augenbüschen, daß man es gar herunten bemerken kann, und hebt so an zu reden:

      »Weil ich mich nicht auf die Spitz' getrau, so ich zu diesem Fenster herausschau. Auf der Spitz' steht ein junger Mann, dem steht das Trinken an; das Reden aber mir Altem. Will euch doch keine Predigt halten; dafür wird unten die Kanzel gebaut und dieselb' einem rechtschaffenen Pfarrer vertraut. Neben der Kanzel werdet ihr einen Taufstein erblicken, dem hab' ich nichts mehr zu schicken; aber es gibt Leut' in der Pfarr', die brauchen so ein' Waschtrog alle Jahr'; der Taufbrunn' darf nicht zu klein, im Holzhauerland muß das ein starker Brunnen sein. Aber gleich daneben tut der Beichtstuhl stehn, da tragen sie alle Sünden hinein, sind sie groß oder klein. Gott wird sie verzeih'n; der Beichtvater aber soll die Ohren verschließen, der kann die Sünden von sich selber wissen. Dann ist der Hochaltar, da schüttet man seinen Kummer aus und geht wieder frisch und jung nach Haus. Und der liebe Gott wird zwölf Engel senden, die werden die Gemeinde bewachen an allen Enden. Da hör' ich, was auf dem Turm das Glöcklein spricht, und seh' leuchten das heilige Kreuz im Sonnenlicht, wie ein Wegweiser, ein göttliches Zeichen, daß wir allzusamm' mit Gottes Gnad' den Himmel erreichen. – Und weil ich heut' auf diesem Turm schon die Glocken muß sein, so ruf ich es weit ins Land hinein, daß es hallt und schallt über Berg und Wald, bis in die schöne Stadt, wo unser braver Herr seinen Wohnsitz hat. Ich und wir all' und die ganze Gemein' bedanken uns wohl von Herzen fein fürs Gotteshaus zur schönen Zier! Und der Engel soll uns leiten all' zur himmlischen Tür. – Das ist mein armer Gruß; und noch tat' ich meinen zum Schluß: eh'vor wir selbander im Himmel uns freun, wollen wir auf Erden noch lustig sein!«

      In den Herzen haben die Worte gezündet, und ich hätte gleich meinen eigenen Schutzengel mögen schicken, daß er dem Herrn in der Stadt den lieblichen Dankesgruß gebracht.

      Als hierauf der Paul glücklich vom Turme zurückkommt auf den festen Erdengrund, hat ihn sein Weib mit beiden Armen empfangen. »Gott gibt dich mir mit eigenen Händen zurück!« sagt sie.

      Darauf gehen sie dem Hause zu, das heute eine laute Schenke geworden ist. Und siehe die Fügung, da ist der Paul nach wenigen Stunden auf dem breiten, ebenen und grundfesten Boden des Wirtshauses nicht mehr so sicher gestanden wie oben auf der Spitze.

      Einige Tage später

      Es wird aber nicht wahr sein, was man über den Sohn unseres Waldherrn redet. Der junge Herr soll es toll treiben. Es haben auch der Reichtümer allzuviel auf ihn gewartet, als er in dieser Welt ist angekommen. Ei freilich läßt sich mit klingendem Namen und klingender Münze im Leben etwas machen!

      Aber ich habe dem guten Hermann ja gesagt, woher das Brot kommt und was Arbeit heißt. Freilich das eine hat mir nicht gefallen wollen, daß er niemals auf die Arbeiter des Feldes und auch niemals auf die Blumen des Frühlings und auf die Blätter des Herbstes hat geachtet.

      Doch nein, Hermann, du kannst so sehr nicht irren An deiner Seite steht ja der heiligste, treueste Schutzgeist, den die Erde und der Himmel geboren haben –

      Komme doch einmal herein in unseren schönen, stillen Wald!

      Morgenrot und Edelweiß

      Im Sommer 1818

       Inhaltsverzeichnis

      Zuweilen ist mir im Winkel hier doch gar recht einsam zu Herzen. Ich weiß nun aber ein Mittel dagegen: ich gehe zu solchen Stunden hinaus in die noch größere Einsamkeit des Waldes; und ich bin in derselben sogar schon nächtlicherweile gewesen und habe die schlummernde Schöpfung betrachtet und Ruhe empfunden.

      Nacht liegt über dem Waldlande. Der letzte Atemzug des vergangenen Tages ist verweht. Die Vöglein ruhen und träumen und dichten künftige Lieder. Aber die Käuze krächzen und Äste seufzen in ihren Stämmen. Die Welt hat ihr Auge geschlossen, aber ihr Ohr tut sie auf, der ewigen Klage der Menschen. Wozu? Ihr Herz ist Felsgestein und nimmer zu wärmen. Nein, sie wärmt ja mit ihrer Ruhe und mit ihrem Blick. – Oben drängt sich Gestirn an Gestirne, es tanzt seinen Reigen und freut sich des ewigen Tages. – Auch dem Walde naht der Morgen wieder, schon winken ihm die Zweige.

      Es naht der junge König auf Wolkenrossen vom Aufgang her geritten und bohrt seine glutlodernden Lanzen in das Herz der Nacht, und diese stürzt nieder in dämmernde Schluchten, und von felsiger Zinne rieselt das Blut.

      Alpenglühen nennen es die Leute, und wenn ich ein Dichter wäre, ich wollte es besingen.

      Zu dieser Jahreszeit wäre es auf dem grauen Zahn gut sein. Zur Nachtszeit, während unten die Menschen ausruhen von Mühsal, und träumen von Mühsal, und sich stärken zu neuer Mühsal – stehen da oben die ewigen Tafeln in stiller Glut, und um Mitternacht reicht über dem Zahn ein Tag dem andern die Hand.

      »Oh, das ist ein schönes Licht!« hat der alte Rüpel einmal ausgerufen, »das leuchtet hinaus in die weite Fern', das leuchtet mir hinein in mein tiefes Herz, das leuchtet mir hinauf zu Gott dem Herrn!«

      In meiner Seele ist zuweilen eine so seltsame Empfindung; Sehnsucht nach dem Weiten, nach dem Unbegrenzten ist nicht ganz der rechte Name dafür; Durst nach dem Lichte möchte ich sie heißen. – Mein armes

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