Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 37

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Lungern gar leicht verhungern, und hat mich zum Jäger gemacht. – Wie ich die erste Büchs hab' umgehangen, haben die Tier' im Wald ein Freudenfest begangen. Ich hab' nach dem Wild geschossen und die blaue Luft getroffen, da bin ich dem Reh auf Versfüßen nachgeloffen. Das ist gar stehengeblieben: ich kunnt nach Belieben mich setzen auf seinen Rücken; auf so ungleichem Bein', das sehe es ein, könne das Gehen nicht glücken. – Das tat sich dem Förster nicht schicken, und von meinem Jagen und Schießen will er gar nichts mehr wissen. – Bin eine Weil' in der Welt herumgegangen, hab' allerlei angefangen; mit allerhand Herren tat' ich verkehren; teils haben sie mir gutherzig den Dienst aufgesagt, teils haben sie mich davongejagt. – Und schaut, so schleift es fort und so werd' ich alt, und so holper' ich wieder zurück in den Wald; und das ist mein Aufenthalt. Und wenn ich wo Leute find', die gutherzig und lustig sind, so mach' ich mich bescheiden und mit Freuden daran, und singe sie an; und singe zur Tauf und Hochzeit und anderer Lustbarkeit um ein Stücklein Brot; ist's auch schwarz und trocken, gesegne mir's Gott! Bin ich gesund und wird mir die Zungen nicht lahm im Mund, so leid' ich keine Not. Und ist es Zeit, so kommt der Herr Tod, ich bin bereit und gehe heim, und das ist der allerbeste Reim. Und hör' ich singen und Posaunen klingen, so steh' ich wieder auf. Und das ist des Reim-Rüpels Lebenslauf.«

      Ich möchte den Mann die wilde Harfe oder den Waldsänger heißen, oder den evangelischen Sperling; er säet nicht und erntet nicht und bettelt nicht, und die braven Winkelwälder ernähren ihn dennoch, während im weiten Land die Sänger hungern.

      Nach vielen Stunden sind wir endlich hinaufgekommen in das Felsental. Als wir am zerrissenen Gewände hingehen, in dessen Klüften das Grauen schlummert, und als wir mitten in den niedergebrochenen Klötzen das Kreuz ragen sehen, teilt mir mein Begleiter mit, es tät' ihm scheinen, als husche dort eine Menschengestalt zwischen den Steinen. Ich habe aber außer uns zweien niemand bemerkt.

      Vor dem Kreuze stehen wir still. Auf dem Felsklotz ragt es, wie es vor Jahren geragt, wie es nach der Menschen Sagen seit unerdenklichen Zeiten gestanden. Wetterstürme sind über ihn hingezogen und haben die Rinde gelöst von dem Holze; sie sind dem Kreuzbild nicht weiter gefährlich worden. Aber die milden Sonnentage haben Spalten gesprengt an den Balken. – Das Himmelsauge wölbt sich in lichter Bläue über den verlorenen Weltwinkel. Die niedergehende Sonne blitzt schräge hinter dem Gefelse hervor und spinnt in den uralten, kahlästigen Baumrunen und bescheint den rechten Arm des Kreuzes. Ein braunes Würmchen kriecht über den Balken dem sonnigen Arme zu, doch kaum es den Arm erreicht, ist die Glut erloschen. – Ein Kieferschabkäfer läuft an dem Stamme empor und eilt unter das letzte Rindenschüppchen, um etwan die Puppe einer Ameise zu erhaschen. – Dem ist das bestrahlte Kreuz ein Gottesreich; dem ist es ein Tummelplatz seines Strebens und Genießens.

      Unserer Gemeinde möge es das erstere sein!

      Es ist gut, daß kein Mensch weiß, wer den Pfahl im Felsentale gezimmert und aufgestellt hat. Denn niemals sollen sich unter den Anbetenden jene Hände falten, die das Bild der Gottheit geschnitzt haben. Von dem Berge Sinai herab hat Moses die Gesetztafeln geholt, dem Volke als wahres Bild Gottes. Erst als die Israeliten aus ihrem eigenen Geschmeide und mit eigenen Händen ein Bild geformt, ist ein Götzenbild daraus geworden.

      Als wir auf den Fels gestiegen, um den Kreuzpfahl abzulösen, hat der Rüpel sein Gesicht bedeckt mit beiden Händen. »Wir brechen den Altar im Felsenkar!« ruft er in Erregung, »bei wem soll nun im Sturme beten der Baum und das verfolgte Reh am Waldsaum?«

      Mir selbst haben die Hände gezittert, als wir das Kreuz ausheben und auf unsere Schultern nehmen. Ich habe es so getragen, daß der Querbalken an meinem Nacken gelegen wie ein Joch; der Rüpel hat den Stamm nachgeschleppt.

      Und so gehen wir mit der Last hin zwischen den Klötzen und zwischen den Baumrunen. Als wir zu dem Hange kommen, da bricht die Abenddämmerung an.

      Die ganze Nacht sind wir mit dem Kreuze gegangen her durch die Waldungen. In den Schluchten und Engpässen ist es ganz grauenhaft finster gewesen, und an manch alten Stamm hat unser Pfahl gestoßen. Wo der Weg über Höhen geht, da rieselt durch das Geäste das Mondlicht, und wir schreiten hin über die weißen Tafeln und Herzen, die auf dem Boden liegen.

      Mehrmals haben wir das Kreuz auf die Erde gestellt und uns den Schweiß getrocknet; gar wenig haben wir mitsammen gesprochen. Nur einmal hat der Rüpel den Mund aufgetan und folgende Worte gesagt: »Das Kreuz ist schwer und derb; mag's nur tragen, bis ich sterb'. Aber tun sie mich begraben, möcht' ich ein grünes Bäumlein haben, das nicht zusammenbricht auf mein Gebein, das aufwächst gegen Himmel im Sonnenschein!«

      Da ist es bei so einem Ablasten, daß neben uns eine dunkle Gestalt über den Weg huscht. Sie streckt eine Hand aus, deutet auf einen breiten Stein und dann ist sie verschwunden. Wir haben beide diese Erscheinung bemerkt, aber wir haben kein Wort gesagt, und erst, als wir auf der Wiese der Karwässer das Kreuz wieder aufrecht auf die Erde stellen, so daß dessen scharfer Schatten ruhesam über dem tauigen Grasgrunde liegt, sagt der Alte: »Wie in den bitteren Leidestagen der Herr das Kreuz auf den Berg hat getragen, und wie er mit seinen schweren Lasten auf einem Stein hat wollen rasten, da tritt aus dem Haus ein Jud' heraus und sagt: der Stein gehört mein. Und der Herr schwankt weiter in seiner Pein. – Und selbiger Jud kann nicht sterben und ruhen, muß heut' noch wandern von Landen zu Landen, von einem Jahrtausend zum andern, in glühenden Schuhen.« – Dann nach einer kleinen Weile fährt der Rüpel fort: »Und weil in der heutigen Nacht wir mit dem Kreuze gehen, so haben wir gar den Ewigen Juden gesehen. Er hat uns geladen ein zur Ruh' auf den Stein, das wäre gewesen nicht unsere Rast, aber die Ruhe sein.«

      In der Kohlstatt der hinteren Lautergräben haben uns vier Männer aus dem Winkeltale erwartet. Diese nehmen uns das Kreuz ab, legen es auf eine sprossige Bahre und tragen es davon.

      Wie wir herauskommen zu unserem Tale, da bricht der Tag an. Und es klingt und zittert ein Ton durch die Luft, der nicht vergleichbar ist mit Menschengesang und Saitenspiel und aller Musik auf Erden. Schon Jahrelang habe ich diesen Ton nicht gehört, weiß ihn kaum mehr zu deuten. Wir alle stehen still und horchen; es ist die Glocke von unserer neuen Kirche.

      Während wir im Felsentale gewesen, sind die Glocken angekommen und erhöht worden.

      Wie ich an diesem Morgen das Glöcklein gehört, da hab' ich es nicht lassen mögen, habe laut gerufen: »Leute, Jetzt sind wir nimmer allein! Alle Gemeinden draußen läuten zu dieser Stunde; wir haben mit ihnen den gleichen Morgengruß, den gleichen Gedanken. Wir sind nicht mehr stumm, wir haben unsere gemeinsame Zunge auf dem Turm, die in Freude und in Trübsal spricht, was wir empfinden, aber nicht vermögen zu sagen. Und der ewige Gottesgedanke, der überall weht und webt, aber nirgends faßbar und in keinem Bilde und durch kein Wort voll und ganz ausgedrückt werden kann, im klingenden Reife der Glocke allein nimmt er Gestalt an für unsere Sinne und wird faßbar unserem Herzen. Und so bringst du uns, du süßer Glockenklang, trostreiche Botschaft von außen und von innen und von oben!«

      Die Männer haben mich angestaunt, daß ich rede, und was es denn viel zu reden gäbe, wenn Kirchenglocken läuten; das höre man draußen zu Holdenschlag doch alle Tage. Nur der gute Rüpel ist beiseite geeilt und hinter die Erlenbüsche hinauf, auf daß er unbeschadet von meiner heiseren Rede den reinen Glockenton hat hören können.

      Vor der Kirche sind sehr viele Menschen versammelt, um die Glocken zu vernehmen und das Kreuz zu sehen. Jenes Kreuz, das entsprossen ist aus dem Samenkorne, so das Vöglein hat gebracht, welches alle tausend Jahre einmal durch den Wald fliegt.

      Kirchweih 1818

      Sonntag ist!

      Der erste Sonntag in den Winkelwäldern. Die Glocken haben es schon im Morgenrot verkündet, und da sind die Leute herbeigekommen aus dem Hinterwinkel, aus dem Miesenbacheck, von den Lautergräben, von den Karwassern und aus allen Klausen und Höhlen der weiten Wälder. Heute sind sie nicht Holzer oder

Скачать книгу