Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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wie wir auseinander gegangen, der Schlüssel mir in den Händen ist verblieben. Ja, so – ich bin der Schulmeister. Ich weiß es selber kaum, daß ich es bin, und da schreibt mir letztlich der Waldherr, er sei mit meinem schulmeisterlichen Wirken im Walde recht zufrieden. Was tue ich denn? Geschichten erzähle ich den Kindern und weise ihnen mancherlei Kleinigkeiten des Waldes, die sonst zeitlebens kein Mensch hier noch beachtet hat, mit denen aber die Kinder tolles Wesen treiben und ihre Freude haben.

      Die vordersten Fenster in der Kirche, zwischen welchen der Altar kommt, sind mir nicht ganz recht. Die Scheiben sind so hell, und das tut mir zuweilen im Auge weh. Und es schaut die Waldlehne und der Holzschlag herein. Ei, das wäre was Rechtes für den Sonntagbeter, da tät' er im Gedanken allfort Holz hacken, statt seine arme Seele demütig dem lieben Gott vorzuführen, und er tät' die geschlagenen Stämme zählen und die Stöcke und die Reisighaufen und solche Dinge, um deren Anzahl er sich sonst die ganze Woche nicht kümmert. Da muß das Gebet schon wie ein Blutquell aus dem Herzen strömen, wenn der Gedanke dabei nicht durchzugehen trachtet, und weil das nicht immer so ist, so muß man die Kirche wie eine Burg bewahren, daß der Sonntag nicht hinaus und der Werktag nicht herein kann.

      Die beiden Fenster müssen mit Glasmalereien versehen werden, und das will ich besorgen. Ich habe mir rotes, gelbes, blaues und grünes Papier kommen lassen und arbeite nun schon seit Tagen als Bildschnitzer bei verschlossenen Türen.

      Über den Kirchenheiligen sind die Leute noch nicht einig geworden. Aber ich habe darüber meine Gedanken. »Leute«, habe ich gesagt, »stellen wir gar keinen auf. Jeder soll sich den seinen denken nach Belieben. Die Heiligen sind unsichtbar und im Himmel; wir können sie nur aus schlechtem Holz nachmachen, und das täte sie leicht verdrießen.«

      »'s mag wohl richtig sein«, haben einige auf diesen Vorschlag geantwortet, »und wir ersparen die Unkosten.«

      Den Altartisch hat ein Vorhacker vom Karwasserschlag gezimmert. Der Vorhacker ist ein armer Mann mit reichem Kindersegen; er hat aber für die Kirchenarbeit kein Entgelt genommen. – »Auf eine gute Meinung tu' ich's«, hat er gesagt, »für die Meinigen tu' ich's, auf daß mir keines stirbt und keines mehr dazukommt.«

      Der liebe Gott muß nicht recht verstanden haben; kaum ist der Altartisch fertig, rückt dem Vorhacker der neunte Bub auf die Welt.

      Um zu zeigen, daß es eine Ehre ist für den Wald, wenn so ein armer Mann ein gemeinnütziges Werk vollbringt, so nennen wir den Vorhacker, weil er auch einer ist, der seinen Namen nicht weiß – den Ehrenwald. – Der Name reicht für seine neun Buben und für weiteres.

      Der Franz Ehrenwald ist ein geschickter und strebsamer Kopf. Weil ihm der Altartisch gelungen ist, so will er sich nun ganz auf das Zimmer- und Tischlerhandwerk verlegen. Er hat sich schon eine Unzahl Werkzeuge gesammelt und zwei Körbe voll von Hobeln, Reifmessern, Bohrern, Sägen, Beilen, Stemmeisen und Dingen verschafft, die er gar nicht anzufassen weiß und sein Lebtag nicht brauchen wird. Aber die Werkzeugkörbe sind sein Stolz, und seine Buben können ihm keinen größeren Ärger verursachen, als wenn sie in ihren eigenmächtigen Tischlerarbeiten ihm etwan einen Bohrer verschleppen oder ein Messer schartig machen. Sie mögen nur brav das Handwerk lernen, die zwei Körbe werden ja einmal ihre Erbschaft sein.

      Ich habe mehrere Pläne für Wohnhäuser gezeichnet, wie sie gebaut werden sollen, daß sie dauerhaft, licht, luftig, leicht heizbar, für die Lebensweise der Leute geeignet und geschmackvoll sind. Nach solchen Plänen hat der Franz Ehrenwald bereits mehrere Häuser begonnen. Eines davon gehört dem Meisterknecht Paul in den Lautergräben. Die Bauten sind nicht kostspielig, da der Waldherr das Holz dazu umsonst gibt; auch sollen sie, sagt man, steuerfrei bleiben.

      So fängt das Geschäft des Meisters Ehrenwald gut an; er muß sich Gehilfen nehmen, und seine Buben werden ihm bald zu wenig sein. Auch geht er bereits mit einem Plan für sein eigenes Haus um. Letztlich, als ich einmal unten am Bache stehe und Forellen fische, kommt er sachte, ich weiß gar nicht, von woher, auf mich zu und lispelt mir geheimnisvoll ins Ohr: »Glaubt mir, mein neues Haus wird saggrisch toll, saggrisch toll wird's!« Kein Mensch sonst ist in der Nähe gewesen, und die Fische sind auch in der Winkel taub. Aber saggrisch toll – flüstert er leise –, wunderprächtig wird sein Haus! Der Mann ist schier kindisch vor Stolz; er ist auf seinem Fahrwasser; früher ist es gar keinem eingefallen, daß man auch in den Winkelwäldern stattliche Wohnungen bauen könne.

      Auf dem Kreuzwege

      Im Herbst 1818

       Inhaltsverzeichnis

      Oben, in der Öde des Felsentales, steht ein hölzernes Kreuz. Es ist dasselbe, welches emporgewachsen sein soll aus dem Samenkorne des Vögleins, das alle tausend Jahre in den Wald fliegt.

      Ich bespreche mich mit dem Förster und einigen der Ältesten. Hernach frage ich den alten Bartkopf und Fabelhans Rüpel, der sonst auch just kein wichtig Geschäft hat, ob er mit mir gehen wolle hinauf in die Karwässer und in das Felsental, und ob er mir das bemooste Kreuz wolle herabtragen helfen in das Winkel.

      Und so gehen wir an einem hellen Herbstmorgen davon.

      Beiden ist uns unsäglich wohl gewesen. Dem schattendunkeln Winkelbach haben wir Dank gesagt für sein Schäumen und Rauschen. Dem Wiesengrün haben wir Dank gesagt, daß es Wiesengrün ist, dem Taue und den Vöglein und dem Reh und dem ganzen Wald haben wir Dank gesagt. – Wir steigen über glatten Waldboden, wir steigen über verwittertes Gefälle und bemoostes Gestein. Die Bäume sind alt und tragen lange Bärte, mit jedem steht der Fabelhans auf brüderlichem Fuße. Auf den Weben der Moose begegnen uns Käfer, Ameisen, Eidechsen; wir grüßen sie alle, und lustflunkernde Schmetterlinge laden wir ein, daß sie mit uns kommen sollten zum Kreuze. Die kleine, bunte Welt hat davon nichts wissen wollen.

      Mein Gefährte ist ein sehr seltsamer Kauz. Wer ihn nicht kennt, der kann ihm nicht glauben. Aber unter den Waldmenschen gibt es einmal die wunderlichsten Leute. Draußen in der durchgebildeten und abgeschliffenen Welt nennt man solche Erscheinungen Dichter; hier heißen sie Halbnarren.

      Der Rüpel ist so ein Halbnarr. Sie heißen ihn auch den Fabelhans, weil er allfort was zu fabeln weiß; und sie heißen ihn den Reim-Rüpel, weil er – und das ist die Merkwürdigkeit – nicht zehn Worte sprechen kann, ohne zu reimen. Es ist eine tollwitzige Gewohnheit. Seine ganze Lebensgeschichte hat er mir unterwegs in Reimen erzählt. Die Reime haben zwar gottslästerlich geholpert; aber wer soll auf so steinigem Waldboden nicht holpern und stolpern? – Ich will es doch versuchen, mir seine Geschichte einzuprägen.

      »Ein Küsterbüblein bin ich gewesen«, hebt er an, »draußen in Holdenschlag steht's noch zu lesen. Wenn ich den Strick hab' geschwungen und die Glocken haben geklungen, hab' ich den Takt gesungen und den Schwengel nachgeahmt mit meiner Zungen. Beim Ministrieren hab' ich dem Pfarrer Wein in den Kelch gegossen; aber unter dem Wasserkrüglein hat er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, ist er schon davongeruckt. Wasser und Wein, als Fleisch und Blut, das ist unser höchstes Gut, aber wer in den Kelch zu viel Wasser tut, der verdirbt das rosafarben' Christiblut. – Als ich von der Kirchen bin fortgekommen, hat mich ein Schmied in die Lehr' genommen. Der Blasbalg hat mit Gleichmaß angefangen und der Hammer ist taktfest mitgegangen, und der Amboß hat geklungen, sind die Funken gesprungen, und alles hat sich gefügt und gereimt, als war' es gehobelt gewesen und geleimt. Gerade meinem Meister hat's nicht angepaßt, da hat er mich nach dem Takt beim Schopf gefaßt. Und schaut, bei diesen taktfesten Dingen, Klingen, Singen und Springen hab' ich zum stillen Feierabendfrieden baß angefangen, Reime zu schmieden. Aber, wie auch geschmiedete Reime geraten, es sind keine Hufeisen, sind keine Spaten, und der Eisenschmied hat den Reimschmied bald verjagt hinaus in den Wald. – Im Wald hab' ich Moos gezupft und Wurzeln und Kräuter gerupft, bin federleicht geworden

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