Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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      Die Kirche ist fertig. Über dem Altartische ragt das Kreuz aus dem Felsentale; es steht hierorts so anspruchslos und schier so stimmungsvoll, wie es dort in der Einsamkeit gestanden. Unter den Leuten werden Äußerungen gehört, das sei das wahrhaftige Kreuz des Heilandes. Wenn sie Trost und Erhebung in diesem Gedanken finden, dann ist es, wie sie sagen.

      Das Gezelt des Heiligsten ist ein Geschenk des Freiherrn; die Kerzenleuchter und das Speisegitter hat der Ehrenwald geschnitzt. Wer doch die zwei schönen Altarfenster mit den Glasmalereien gespendet hat? werde ich gefragt. Es ist gut, daß die Fenster so hoch sind, sonst müßte man es wohl merken, daß über den Glastafeln nur buntes Papier klebt. Die beiden Fenster stellen in einem grünen Dornenkranze mit roten und weißen Rosen die zwei Gesetztafeln Mosis vor. über dem Altare und dem Kreuze ist ein Rundfenster mit dem Auge Gottes und den Worten: »Ich bin der Herr, dein Gott, der dich befreit aus der Knechtschaft. Mache dir kein geschnitztes Bild, um es anzubeten«

      Der Pfarrer von Holdenschlag, der hier gewesen, um die Weihe und den Gottesdienst zu vollziehen, hat mir bedeutet, die Worte paßten nicht. »Du sollst allein an einen Gott glauben!« müsse es heißen. Ich antwortete daß ich die angewendeten Worte in einer sehr alten Bibel gelesen hätte.

      Der Schulmeister von Holdenschlag hat die Orgel gespielt, die einen sehr reinen, ich möchte sagen, innigen Klang hat. »Die Freuden und Schmerzen, die der Mund nicht kann sagen, sie sprudeln aus Musik, wie ein Bronnen in der Sonnen!« sagt der alte Waldsänger.

      Wie ich mich auf der Zither geübt habe, so übe ich mich nunmehr auf der Orgel. Jeder liebliche Ton ist ein Eimer, der niedersteigt in das Herz des Andächtigen und die Seele emporhebt zum Altare Gottes

      Der Pfarrer von Holdenschlag hat eine Predigt gehalten über die Bedeutsamkeit der Kirchweih und der Pfarrkirche und über das Leben des Menschen vom Taufstein bis zum Grabe. Da fällt mir ein, daß wir noch keinen Friedhof haben. Kein Mensch hat daran gedacht oder denken wollen, sooft auch die Rede vom Taufstein gewesen. – Meine ganze Andacht ist weg, und während hernach bei der Messe der Schleier des Weihrauches aufsteigt, habe ich immer daran denken müssen, wohin wir doch den Friedhof legen werden. Und nach dem Hochamte, da alles herausströmt auf den Platz zu den Verkaufsbuden der Hausierer, um die Schätze und Künste zu betrachten, die nun die Welt der neuen Gemeinde im Winkel hereinzusenden beginnt, steige ich den Hang hinan bis zur sanften Hebung, über die sich der finstere Hochwald hinzieht gegen das Gewände. Dort lege ich mich auf die abgefallenen Fichtennadeln des Bodens.

      Ich bin schier abgespannt von den ungewohnten Erregungen des Ereignisses und versuche des Friedhofs wegen, wie sich's hier oben ruhen läßt.

      Vom Platze herauf höre ich das Geschrei der Marktleute und das Gesurre der Menge.

      Vielen ist aber die Kirche nicht recht, weil noch kein ordentliches Wirtshaus dabei steht. Ei, der Branntweiner Hannes ist ja doch da, der hat sich unter Eschen ein Tischchen aufgeschlagen und große Flaschen und kleine Kelchgläser darauf gestellt. »Was wär' das für eine steintrockene Kirchweih, wenn wir nicht trinken täten!« sagen die Leute, und der Bursche will auch seiner Maid ein Gläschen zahlen. Und der Teufel ist ein frommer Mann, der will jede neue Kirche nachmachen, aber es wird halt immer ein Wirtshaus daraus. Der Schenktisch ist sein Hochaltar, die lose Wirtin sein Priester, das Gläserklingen sein Glocken- und Orgelspiel, des Wirts Säckel sein Opferstock, die Spielkarten sind sein Gebetbuch, und wenn einer im Rausch und Zank niedergeschlagen wird, so ist das sein Opferlamm.

      Das ist der Schatten von der Kirche. Und der Arbeiter legt sich nach der heißen Woche nur zu gerne in den Schatten.

      Bei dem Mittagsmahle, das wir selbander im Winkelhüterhause eingenommen, hat es der Holzmeister schon erzählt, der Grassteiger will um Erlaubnis einkommen, daß er eine Schnapsschenke errichten dürfe.

      Den Wirt hätten wir schon, aber wo steckt unser Pfarrer?

      »'s wird auch keiner hereinwollen in diesen mit Brettern verschlagenen Weltwinkel«, meint der Holdenschlager.

      »Gelt, Hochwürden!« schreit die Winkelhüterin ins Gespräch hinein, »wahrhaftig, das sag' ich hundertmal. Fort möcht ich von dieser Einöden, heut' lieber wie morgen. Es ist nichts anzuheben in diesem Winkel. Wie wär' es unsereinem so handsam gewesen, daß eins an Sonntagen ein wenig Branntwein ausgeschenkt hätt', aber halt ja, der Grassteiger ist der Hahn im Korb!«

      »He«, lacht der Pfarrer, »Wirtshäuser! Wird noch ein belebter Ort werden, dieses Winkel – Winkel – ei, die Gemeinde hat Ja noch gar keinen Namen?!«

      Über den Namen der Gemeinde ist nicht bloß nachgedacht, es ist ein solcher sogar schon bestimmt worden. Wie soll die Waldpfarr' heißen? Den Leuten wäre die Erörterung dieser Frage eine willkommene Veranlassung gewesen, bei dem neuen Wirt zusammenzukommen und die Gemeinde mit Schnaps zu taufen. Aber wir taufen mit Wasser. Und Wasser heißt die Winkel; über die Winkel führt dahier seit unvordenklichen Tagen ein Steg; wenn ihn das Wasser fortgerissen, haben ihn die Leute wieder aufgebaut, weil er hier am Kreuzpunkte der Talschluchten und der Waldpfade unentbehrlich ist. Den Platz um das Winkelhüterhaus nennen sie kurzweg »am Steg«.

      Am Steg, am Winkelsteg, steht die neue Kirche. Und Winkelsteg, so heißt sie, und so heißt die Gemeinde. Unser Waldherr Schrankenheim hat's unterschrieben.

      Wie unsere Kirchweih eingeläutet worden, so wird sie ausgeläutet. Da hat sich an diesem Tage noch etwas sehr Erregendes zugetragen. Die Holdenschlager Herren und der Förster sind fortgewesen; am Winkelsteg ist es wieder still. Es dunkelt schon früh und im Hochgebirge liegt der Nebel. Es ist bereits finster, da ich zu meinen Glocken gehe. Heute zum ersten Male brennt das rote Ämplein am Altare, das nun fortan das Ewige Licht geheißen werden wird und nimmer verlöschen soll, solange das Gotteshaus steht. Das ist die Wacht vor dem Herrn.

      Wie ich in die Kirche trete, sehe ich in dem matten Schein am Speisegitter eine Gestalt. Da kniet noch ein Mensch und betet. Wenn einer so lange leben muß in dem Elende des Tages, so wird hernach völlig der Sonntag zu kurz, da man bei dem lieben Gott eingekehrt ist oder bei sich selber. – So denke ich und stehe eine Weile still und trete endlich vor, daß ich den Beter aufmerksam mache auf das Absperren der Kirche. Wie mich aber die Gestalt bemerkt, rafft sie sich auf und will fliehen. – Zuletzt ist es gar kein Beter, sage ich, und fasse den Davoneilenden und sehe ihm ins Gesicht. Ein junger Bursche ist's.

      »Was wirst du rot, Schelm!« rufe ich.

      »Ich bin kein Schelm«, antwortet er, »und Ihr seid auch rot; das ist von der Ampel.« Da sehe ich ihn recht an. Wer wird es gewesen sein? Der Lazarus ist's gewesen, der verschollene Sohn der Adelheid.

      Ich habe die Hände über dem Kopfe zusammengeschlagen und ein Geschrei erhoben.

      »Junge, was ist das mit dir um Gottes willen, wo bist du gewesen? Wir haben dich gesucht, deine Mutter hat dich ausgraben wollen aus dem Gestein der Alpen. Und wie bist du heute da, Lazarus? Ja, das ist schon gar aus aller Weis'!«

      Der Knabe ist dagestanden und hat auf meine Worte gar nichts geantwortet – nicht ein Wörtlein.

      Darauf habe ich geläutet. Lazarus ist neben mir gestanden; seine Bekleidung ist eine Wollendecke, seine Haare gehen ihm über die Achsel hinab, sein Antlitz ist blaß. Er sieht mir zu, er hat noch keine Glocke läuten gesehen. Und was ich empfinde! Jetzt hab' ich eine hellklingende Zunge, jetzt kann ich das Ereignis ja verkünden hin in die Berge.

      Endlich kommt meine Haushälterin: was denn das Läuten bedeute, ein halbdutzendmal habe sie schon den »Englischen Gruß« gebetet und ich höre noch nicht auf!

      Da lasse ich den Glockenstrick wohl

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