Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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können ...«

      Er hat eingehalten; in seinem Blick ist etwas wie Mißtrauen gelegen.

      Ich versetze hierauf, daß ich ihn nach nichts fragen wolle, als nach der Ursache seines Gebarens am Altare unserer Kirche.

      »Da fragt Ihr mich ja nach allem!« ruft er mühsam achend aus; »da fragt Ihr mich nach meinem Lebenslauf, nach meinem Seelenweh, nach meinem Teufel und nach meinem Gott. – Gut, gut, kommt nur her und setzet Euch zu mir auf diesen Stamm. Besser schickt sich keine Stätte für meine Antwort als eine aus Vernichtung gebaute. So setzet Euch!«

      Mir wird schier unheimlich. Im Tann ist es still, daß man das träge Ächzen des Geästes vernehmen kann, oben aber fliegt das Gewölke dahin von einem Gewände zum ändern.

      Ich setze mich neben den Mann, in dessen Augen und Worten aber viel mehr Kraft liegt, als man in dem gebückten, sich schwer schleppenden Einspanig hatte vermuten können.

      Ja, der Einspanig geheißen, weil er nie in Gesellschaft eines zweiten gesehen worden. Jetzund sitzt das Zweispan auf dem Stamme, die Frage und die Antwort.

      »Wisset, was das ist, ein Herrenkind?« fragt der Mann jäh und starrt mir ins Gesicht. – »In einem Palast geboren, in einer goldenen Wiege gewiegt werden. Der rauhe Erdboden ist verdeckt mit weichen Geweben; die brennenden Sonnenstrahlen und Wetterwolken des Himmels sind verhüllt mit schweren Seidenvorhängen; für jeden leisen Wunsch eine Dienerschar; – eine Gegenwart voll Ebenmaß und hundertfach gehüteten Behagens; eine Zukunft voll Genuß und hoher Würden: das heißt Herrenkindschaft. Auch ich bin ein Herrenkind gewesen, und als solches ärmer wie ein Bettelknab'. Ich habe es aber zur Zeit nicht gewußt, und erst als ich der Jahre zwölf oder vierzehn gezählt, ist mir die schreckliche Frage erwacht: Mensch, wo hast du deine Mutter? – Meine Mutter hat mir das Leben gegeben und das Sonnenlicht; – ihr eigenes war's gewesen – bei meiner Geburt ist sie gestorben.

      Meinen Vater habe ich selten gesehen; er ist auf Jagden oder auf Reisen oder in der großen Stadt Paris oder in Bädern. Meine Liebe, für Vater und Mutter mir ins Herz gegeben, verschwende ich an meinen Hofmeister, der stets um mich ist als Lehrer und Gesellschafter und der mich sehr lieb hat. Er ist Priester und gehört dem Orden der Gesellschaft Jesu an. Er ist ein mildfreundlicher, heiterer Mann und sehr fromm und gut. Oft, wenn er in unserer Hauskirche die Messe gelesen, hat er ein verklärtes Antlitz gehabt wie der heilige Franz Xaver auf dem Altar. Und hat gesagt, daß er eine Eingebung hätte: ich sei zu großen Dingen erkoren. Daraus habe ich seine außerordentliche Liebe zu mir wahrgenommen.

      Und nun soll ich eines Tages diesen Freund verlieren. Da ist zur selben Zeit nämlich ein Gesetz herausgekommen, und in den Ländern regt sich die Verfolgung gegen den Orden, dem jener Mann gehört. Mein Hofmeister muß fort, spricht aber die Zuversicht aus, daß wir nach überstandener Trübsal uns wiedersehen würden.

      Und siehe, das Wort ist über alles Erwarten schnell in Erfüllung gegangen. Nach wenigen Monaten schon ist mein Erzieher wieder im Hause. Er ist, wie er sagt, aus dem Jesuitenorden getreten, gehört nun den ›Vätern des Glaubens‹ an; somit hat er wieder Schutz in unserem Lande.

      Ich bin zum Jünglinge herangewachsen. Meinen Hofmeister liebe ich wie einen älteren Bruder. Oft habe ich ihn insgeheim um seine Ruhe beneidet. In mir hat sich zur selbigen Zeit ein Unstetes zu regen begonnen. Im Hause ist es mir zu eng, im Freien nicht weit genug; ist es still, so verlangt mir nach Lärm, und habe ich Lärm, so sehne ich mich nach Stille. Mein Drang ist gewesen wie ein blinder, heißhungeriger, pfadloser Mann auf der Heide.

      Da sagt mir einmal mein Erzieher: Das, lieber Freund, ist der Fluch der Kinder der Welt. Das ist die rasende Sehnsucht, die trotz aller Güter und Genüsse der Erde keine Sättigung finden kann, außer sie flieht in die Burg, die Christus gegründet hat auf Erden.

      – Wenn du zu mir sprichst – entgegnete ich – du weißt doch, daß ich ein Christ bin.

      – Das bist du nur in der Gesinnung – sagt er – aber dein Leib ist es, der so wild nach Erfüllung lechzt. Deinen Leib mußt du in die Burg Gottes einführen. Mein lieber Freund, alle Tage bete ich zu Gott, daß er dich so glücklich werden lassen möge, als ich es bin, daß du wie ein Bruder Jesu werdest.

      Von diesem Tage an, als mein Hofmeister so gesprochen hat, empfinde ich die Last und das Unstete in mir doppelt schwer; aber als ich mich ernstlich prüfe, sehe ich, daß es mir unmöglich wäre, der Welt zu entsagen.

      – Du hast mich nicht verstanden, sagt hierauf mein Erzieher einmal, und es wundert mich, daß du nach den Jahren der Erziehung deinen Freund so mißverstehen kannst. Wer sagt dir, daß du den Freuden der Welt entsagen solltest? Die Freuden der Welt sind ein Geschenk Gottes; aber sie nicht genießen um seiner selbst willen, sondern zu Gottes Ehre, das ist es, was uns wahre Befriedigung gewährt.

      So geht mir nun ein neues Leben auf; mein sittliches Gefühl, das mich sonst zurückgehalten, eifert mich jetzt an, daß ich all den verlangenden Sinnen meines Wesens Sättigung verschaffe. In Freude und Genuß Gott dem Herrn dienen – so gibt es keinen Zwiespalt mehr.

      Mein Freund lächelt und läßt gewähren. Die Welt ist schön, wenn man jung, und auch gut, wenn man reich ist. Ich lasse sie mir sehr gut sein; ich will ihren Becher leeren, ehe ich am Altare den Kelch trinken soll.

      Und nach wenigen Jahren habe ich den Freudenbecher geleert bis zum Bodensatz. Da ekelt mich, da bin ich satt und übersatt. Und die Welt langweilt mich.

      Und nun, da ich mittlerweile auch großjährig geworden, hat mein Freund wieder ein Wort gesprochen, und auf seinen Rat habe ich mich entschlossen, dem Dienste Gottes und dem Heile der Menschen zu leben. Ich trete in den Orden der ›Glaubensväter‹ und tue das Gelübde. Mein Vermögen fällt dem Orden zu, und ich leiste das Gelöbnis des unbedingten Gehorsams.

      Und nun – – da ist eines Tages ein Mädchen zu mir gekommen, das ich früher oft gesehen. Jetzt darf ich es nicht kennen. Es bittet mich, daß ich es mit dem Kinde nicht verlassen möge; es bittet um Gottes willen. Allein – ich bin bettelarm, darf mich auch für sie an niemand andern wenden, mich bindet der Gehorsam.

      Wenige Tage danach ist das Mädchen als Leiche aus einem Teiche gezogen worden. Schmerzerfüllt klage ich an der Brust meines Freundes, dieser schiebt mich sanft von sich und sagt: Gott hat alles wohl gemacht!« –

      Nach diesen Worten ist der Mann, den sie den Einspanig nennen, wie erschrocken zusammengefahren. Ein Häher ist über unseren Häuptern dahingeflattert. Hierauf greift der Einspanig rasch nach meiner Hand und ruft:

      »Heute noch bin ich vermählt mit ihr. In jeder Nacht steht sie mit dem Kinde vor meinem Lager. Der Orden hat einen schönen Stern, das ist der Marienkult. Mancher Jüngling, der entsagen muß, blickt liebeglühend auf zu der Jungfrau mit dem Jesukinde. Mir aber wird das Bildnis zum Gespenst, ich sehe in demselben das betrogene Mädchen.

      Ich bin zum Priester geweiht worden und habe statt meiner weltlichen Titel und Würden nichts als den Namen Paulus erhalten. Ich bin für den Orden vorbereitet worden, viel eher, als ich und mein Vater es geahnt haben.

      Ich habe Natur und Vermögen geopfert und meinen eigenen Willen; und nur eines habe ich noch besessen, das Vaterland. Auch daran kommt die Reihe. Es wird unserem Orden vorgeworfen, er sei – möge er sich nennen wie immer – nichts als verkappter Jesuitismus. Und als solcher sei er nach dem bestehenden Gesetze des Bodens im Lande verlustig. Fast war ich zu schwach gewesen, meine Heimat und meinen betagten Vater zu verlassen; allein, da gibt es kein Auflehnen des Herzens. Wir sind Märtyrer zur Ehre Gottes; und so sehr bin ich Schwärmer, daß mir dieser Gedanke Entschlossenheit gibt, mich von allem loszureißen.

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