Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 43

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Aber mein Weib, meine Kinder! ruft er.

      – Um so mehr Seelen stürzet Ihr mit Euch in das Verderben, wollt das Unrecht Ihr nicht sühnen!

      – Ich will fasten, will Almosen geben zehnfach mehr, als was ich betrogen.

      – Dem Betrogenen selbst müßt Ihr das unrechte Gut zurückgeben!

      Da schreit er fiebernd: Ist der Herr nicht am Kreuz gestorben? Mord und Totschlag werden verziehen, und mir kann meine Verirrung nicht vergeben sein? Der Mann ist nimmer zu finden!

      Sein Widerspruch bringt mich in eine Erregung. Strenge den Unbußfertigen! lehrt die Satzung.

      – Mäkelt nicht mit dem gerechten Gott! rufe ich. Dreimal höher ist der Himmel, seit er durch das Kreuzopfer ist erkauft worden, und neunmal tiefer die Hölle, seitdem die Menschen drei Nägel geschlagen durch Christi Händ' und Füße.

      Über diese meine Worte ist ein Aufstöhnen, dann ein Fluchwort. Ich höre den Schall der Tritte eines Davoneilenden. – Ich bin in der nächtigen Kirche allein.

      Ich trete aus dem Beichtstuhl, knie hin vor den hochragenden Altar und bete für den Verstockten. Und wie ich so emporblicke zu dem Bilde der Königin der Beichtiger, da ist es mir, als trete sie plötzlich hervor aus der Nische – sie, mit dem Kinde in blutrotem Schein.

      Der Türe eile ich zu. Siehe, da ist der Ausgang verschlossen.

      Ich habe die Sperrstunde nicht wahrgenommen. Die Kirche ist entlegen vom Orte; das nächste Haus ist die Totenkammer. Da hört es keiner, wie man auch rufen mag.

      Eingeschlossen in den düsteren Raum, in welchem ich von dem leidigen Teufel so oft gesprochen und von der ewigen Höllenpein. – Dort im Gezelt der ewige Gott; jetzo bist du mit ihm allein.

      Nein, ich habe es nicht vermocht, hinzublicken auf den Altar; das rote Licht schwebt auf mich zu. Ich verkrieche mich wieder in den Beichtstuhl.

      So bin ich dagesessen mit erregten Sinnen. Jetzt und jetzt muß sich der Vorhang bewegen und eine kalte Hand hereinlangen. Aber es bleibt still.

      Sonst knien sie da draußen vor dem Schuber, die armen Sünder, und erforschen das Gewissen; und jetzt erforscht es der Beichtiger selbst. Habe zurückgeblickt auf mein Leben. Wie ist es so bewegt, wie bin ich arm und einsam gewesen! Und so hart! – Und in dem Teiche ist ein Herz verloschen. – Das einzige, das mich liebgehabt in der weiten Welt... Was ist gemeint gewesen mit meinen hohlen Taten? – Wenn ich vor Gottes Richterstuhl stehe, wird auch nur eine Seele sein, die sagt: Er hat mich gerettet? –

      Und als es in mir so schreit, da ist plötzlich ein Stöhnen vor dem Schuber des Beichtstuhles, als kniete jener Mann noch davor. Ich fahre empor, aber – still ist es, das Mondlicht rinnt durch das Fenster. –

      An wem liegt die Schuld, als an mir? – Wie viele Jahre sind mir noch gegeben? O Gott, führe mich weg von deinem Altare, dem ich ein unwürdiger Diener gewesen. Und von den Menschen führe mich weg. Führe mich zu einer einsamen Stätte, wo ich mich selbst erlösen kann!

      Diese Sehnsucht hat sich wie Tau gelegt auf mein Gemüt; ruhiger ist es geworden, und meine Augen sind gesunken.

      Jetzt aber höre ich plötzlich von außen eine Stimme, die 'Pater Paulus!' ruft. Endlich befreit! denke ich und will mich erheben. In demselben Augenblick höre ich aufschreien: 'Jesus Maria! da ist er, da hängt er am Strick.'

      Ich tue einen Schrei, der in dem Kirchenschiffe gellt und von dem ich selbst erschrocken bin. Da ist draußen noch ein Klageruf, und ich höre, wie sich die Leute eilig wieder davonmachen. Der Aufschrei in der Kirche, mein Hilferuf, hat sie verscheucht. Ich bin allein. Erregt, daß mir der Atem stockt. Mitternacht schlägt es. Und wie: Draußen hängt einer am Strick?

      Auf mein Angesicht bin ich gefallen: Heiliger Gott, bewahre mich vor Selbstmord!

      Aber jetzo steigt plötzlich eine Ahnung in mir auf. Wie, wenn es der Mann ist, dem ich zur späten Abendstunde die Lossprechung verweigert, den ich in die Verzweiflung zurückgestoßen habe? Wenn er hingegangen ist und sich das Leben genommen hat?! – In derselben Stunde habe ich Schreckliches ausgestanden. Der Selbstmörder, wie er mich angrinst mit starrem Auge! – Und aus den Tiefen des Teiches steigt ein Weib empor mit dem Kinde! Und all die unerlösten Seelen kommen, denen ich die Verdammung gepredigt. Und inmitten steht das hohe Kreuz, und eine Stimme höre ich rufen: Du hast den Heiland getötet in den Herzen, du hast ihnen das schwere Kreuz aufgebürdet, das Kreuz ohne Heiland – Gottesmörder!«

      Ächzend ist der Mann hingesunken auf das Geäste des Baumes. Kaum habe ich es vermocht, ihn wieder aufzurichten. Nebelfeuchtes Wildfarnkraut reiße ich ab und lege es auf seine heiße Stirne.

      »Erzählet ein andermal zu Ende«, sage ich, »und gehen wir heute in unsere Wohnungen, es kommt wahrhaftig schon die Nacht.«

      Er hat sich aufgerichtet, ist mit den Zipfeln seines Mantels sich über die Augen gefahren.

      »Heute ist der Frieden in mir«, sagt er hierauf ruhig, »aber sooft ich an dieselbe Stunde denke, stockt mein Blut. Nun, jetzo wird es schon besser. – Wie ich meine Augen wieder auftue, da schaut das Morgenrot zu den Fenstern herein. Wie ein gütiges Lächeln liegt es auf dem Altare und auf dem Bilde der Mutter Maria. – Ich habe ein Gelöbnis getan, und da ist mir gewesen, als müsse alles anders werden.

      Bald danach haben die Schlüssel der Kirchentüre gerasselt; Leute kommen. Sie brechen in ein Frohlocken aus, als sie mich sehen, und führen mich an der Hand ins das Freie. Sie erzählen, wie sie mich gesucht, wie sie wohl einen Schrei gehört in der Kirche, wie sie aber gemeint hätten, es sei eine Geisterstimme. Sie führen mich abseits vom Kirchhofe, denn dort ist an einem eisernen Grabkreuze der Selbstmörder gehangen.

      Ich habe mich nachher in mein Zimmer verschlossen und bin in demselben verblieben den ganzen Tag. Ich hätte an dem Tage eine Predigt halten sollen über die Buße und die Erbarmungen Gottes. Ein anderer meiner Genossen hat es für mich getan. Die Leute sollen sich erzählt haben, ich sei die Nacht über absichtlich in der Kirche geblieben und hätte Offenbarungen gehabt.

      Spätabends, als ringsum alles geschlafen, habe ich auf ein Blatt Papier die Worte geschrieben: Lebt wohl, meine Brüder. Forscht nicht nach mir.

      Und dann habe ich genommen, was mein, und bin aus dem Hause gegangen und aus dem Dorfe, und die Landstraße entlang die ganze Nacht.

      Planlos ist mein Wandern. Ich überlasse mich dem Zufall. Ich habe nichts zu verlieren; nur aus dem Bereiche der belebteren Gegenden trachte ich fortzugelangen. Ich habe meine Richtung gegen das Gebirge genommen.

      Als der Morgen graut, bin ich zwischen Waldbergen; ein Bach rauscht mir entgegen. Ich trinke aus dem Wasser und ruhe auf einem Stein. Da kommt so ein Waldmensch des Weges, der zieht seine Kopfbedeckung ab vor meinem priesterlichen Kleide. Ich erhebe mich und bitte den Mann, daß er mir den Weg weise, ich wollte weit hinein ins Gebirg, bis dorthin, wo der allerletzte Mensch wohnt.

      – Der allerletzte Mensch, der wird wohl der Kohlenbrenner, der Ruß-Bartelmei, sein, hat der Mann geantwortet.

      – So weiset mir den Weg zum Ruß-Bartelmei und bedeckt Euer Haupt.

      – Habt Ihr mit dem Köhler was zu schaffen? fragt er dreister, da wir schon auf dem Wege sind. Ihr, der Köhler ist 'leicht schwarz an Leib und Seel'; den mögt Ihr nimmer weiß waschen. Schlechter als andere wird er auch nicht sein.

Скачать книгу