Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Dinge nicht glauben. Wie kann uns denn der junge Herr Schrankenheim verspielt haben? Mit dem besten Willen nicht. Er ist nicht Herr über die Güter seines Vaters und noch gar nicht großjährig.«

      Da glotz' ich einmal drein.

      Eine Berglast ist mir vom Herzen gefallen; aber im zweiten Augenblick bin ich wieder erschrocken. Ich hab' ja noch gestern vor aller Leute Ohren den jungen Herrn einen schlechten Menschen geheißen.

      Das wird mich noch in der Ewigkeit martern. Aber, wenn ich ein Ehrenmann bin, dann mach' ich's gut. Ein lockerer Vogel mag er ja sein; doch redlich und hochherzig bist du, Hermann, und das müssen die Leute wissen. An drei Sonntagen nacheinander verkünde ich es von der Kanzel: Unser junger, zukünftiger Herr, Hermann von Schrankenheim, ist redlich und brav. Gott erhalte ihn! – Und das Schmachwort bitte ich dir ab bis zu meinem Tode.

      Der Einspanig ist bei mir eingekehrt. Eines meiner Stubenfenster geht gegen die Kirche und den Pfarrhof hinüber. An demselben sitzen wir und verfallen in ein Gespräch, das zwei Stunden lang dauert.

      Wir können jetzt, wenn schön Wetter, die Zeit schon nach Stunden messen; der Franz Ehrenwald hat an die Mittagsseite des Turmes eine Sonnenuhr gemalt.

      Als der Einspanig fort ist, schreit die Haushälterin: »Wie närrisch, jetzt hat uns der Kuckuck den auch wiederum ins Haus getragen.«

      »Der Kuckuck?« entgegne ich übermütig, »jawohl, dieser Mann ist selber wie der Kuckuck, hat kein Nest, muß ruhelos von einem Baum zum ändern flattern, ist überall gemieden und nirgends daheim. Aber im Lenz hören wir ihn doch gern, denn er bringt uns ja das Frühjahr, und er ist ein Wahrsager und zählt uns die Lebensjahre vor.«

      »Ja«, schreit das Weib, »und fabelt uns himmelblau an, wie mich damalen; und ist ihm die Welt leicht nicht mit Brettern verschlagen, so ist es sicherlich sein Kopf. Geht mir weg, mit Eurem Einspanig!«

      Wenn die gute Winkelhüterin wüßte, was ich in einer Stunde darauf dem Freiherrn für einen Brief geschrieben habe!

      Im Mai 1820

      Hier im Walde ist Tag und Nacht, ist Winter und Sommer, ist Friede und Not, ist Sorge und zuweilen ein wenig Behagen im Ausruhen von der Arbeit. So schleppt es sich fort. Der Wagen der Zeit hat bei uns das vierte Rad verloren, da geht es zuweilen schief und unschön, aber es geht.

      Draußen, sagt man, wollen sie wieder die Welt umkehren. Von Krieg wird gesprochen. Um uns Winkelsteger kümmert sich kein Mensch mehr. Aber ich erlebe eine Freude. Mehrere junge Winkelsteger wollen sich freiwillig anwerben lassen zu den Soldaten. Das ist ein Anzeichen ihres erwachten Bewußtseins, daß sie ein Vaterland und eine Heimat haben, die sie verteidigen müssen. – Es ist eine erste, schöne Frucht der jungen Gemeinde.

      Das Wäldermorden ist für eine Zeit eingestellt; draußen sind die Hämmer geschlossen. Viele heben jetzt an, die Geschläge zu roden und daraus Äcker zu machen. Aus Holzschlägern und Kohlenbrennern werden Ackersleute. Das ist gut; der Holzschläger vernichtet, aber der Bauer richtet auf.

      Von der Herrschaft ist auf mein Drängen ein Schreiben gekommen. Anders, als ich vermeint. Jetzt sei nicht die Zeit für Kirchen- und Pfarrergeschichten; wir sollten uns behelfen.

      Das ist ein sehr weiser Rat. Aber die Leute wollen nicht mehr in die Kirche gehen. »Wenn es keine Mess' und keine Predigt gibt«, sagen sie, »still beten kann eins auch unter dem grünen Baum.« Sie stellen sich aber nicht unter den grünen Baum, sondern in die Branntweinschenke.

      Die Herde zerstreut sich wieder, wenn kein Hirte ist.

      Der Förster ist auch davon, da er in anderen Gegenden zu walten hat. So bin ich allein mit meinen Winkelstegern, wie Moses mit den Israeliten allein ist gewesen in der Wüste.

      Die Gebote sind verkündet, aber die Leute bauen wieder an dem Goldenen Kalb. Und Manna fällt nicht mehr vom Himmel.

      Pfingsten 1820

      Heute ist der Einsiedler aus dem Felsentale in unserer Kirche vor dem Altare gestanden, hat die Messe gelesen.

      Das Kirchengeräte haben wir aus Holdenschlag, wie es dort in der Pfarrkammer gelegen und nicht mehr benützt worden ist. In das Meßkleid haben die Mäuse Löcher gefressen, aber die Spinnen haben diese Löcher wieder zugewoben.

      Ich habe die Orgel gespielt. Die Kirche ist just so groß, daß man vom Chor aus noch sehen kann, wenn dem Priester am Altare Tropfen in den Augen stehen.

      Die Leute haben wenig gebetet und viel geflüstert. – Dieser Einspanig, das ist zuletzt ja der zweite heilige Hieronymus.

      Und der Waldsänger hat mir nach dem Gottesdienst die Worte gesagt: »Habt Ihr den ewigen Juden gesehen? Er hat in den Leidenstagen für den Heiland das Kreuz getragen heut' hinauf nach Golgatha. Er ist erlöst, hosianna!«

      Ich habe dem Einsiedler diese Worte mitgeteilt und beigesetzt: »Laßt Euch die Rede freuen; der Mann ist voll des heiligen Geistes!«

      Am Feste Allerheiligen 1820

      In Welschland haben sie Händel. Ansonsten ist es blinder Lärm gewesen, und unsere Vaterlandsverteidiger sind wieder zurückgekommen. Es geht in das alte Geleise, und wir stecken dem Wagen der Zeit das vierte Rad wieder an.

      Ich habe die Leute veranlaßt, daß sie unter sich ein Oberhaupt wählen, auf daß jemand sei, der Verordnungen erteile, Streitigkeiten schlichte und die Gemeinde zusammenhalte.

      Sie haben den Martin Grassteiger gewählt und nennen ihn nun den Richter.

      Und bei derselben Versammlung hat der neue Richter den von dem Waldherrn anerkannten zukünftigen Schullehrer der Gemeinde Winkelsteg vorgestellt.

      Dieser Schullehrer bin denn ich. Die Leute sagen, das hätten sie längst schon gewußt, daß ich der Schulmeister sei. Der Grassteiger sagt, es müsse alles auch Form Rechtens geschehen.

      Wenige Tage nach dem obigen läßt der Richter durch mich die Pfarrerwahl ausschreiben. Darüber lacht alles.

      – »Sollen wir aus den Pechhackern und Kohlenbrennern einen wählen? 's wird aber keiner taugen. Studiert ist für uns Winkler gleich einer genug, aber so närrische Gewohnheiten haben unsere Männer, keine Häuserin mögen sie nit leiden.«

      So machen sie ihre Späße, wissen aber recht gut, auf wen es abgesehen ist.

      Und sie haben ihn auch gewählt.

      Wir sollen uns selber behelfen, hat der Waldherr gesagt; so haben wir uns selber beholfen.

      Der Einsiedler aus dem Felsentale ist Pfarrer von Winkelsteg.

      Martini 1820

      Die Rußkath ist gestorben.

      Sie ist neunzig Jahre alt geworden. Ihr letzter Wille ist, daß man ihrer Leiche feste, nägelbeschlagene Schuhe anziehe; sie würde den Weg aus der Ewigkeit oftmals zurückmachen müssen auf die Erde, um zu sehen, wie es ihren Kindern und Kindeskindern fortan gehe.

      Die Rußkath ist die erste, die sie in die Walderde unseres neuen Friedhofes hinabtun werden.

       Auf zwei Stangen haben sie zwei Männer herübergetragen aus den Lautergräben. Der weiße, noch harzduftende Tannenbrettersarg ist mit Erlstrauchbändern auf der Bahre befestigt

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