Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Die Fenster sind mit Moos vermauert; draußen fallen frische Flocken auf alten Schnee. Berthold wartet bei den Kindern und bei der kranken Aga nur noch, bis das älteste Mädchen, die Lili, mit der Milch heimkehrt, die sie bei einem nachbarlichen Klausner im Hinterkar erbetteln muß. Denn die Ziegen im Hause sind geschlachtet und verzehrt; und kommt die Lili nur erst zurück, so will der Berthold mit dem Stutzen in den Wald hinauf. Bei solchem Wetter sind die Rehe nicht weit zu suchen.

      Aber es wird dunkel, und die Lili kehrt nicht zurück. Der Schneefall wird dichter und schwerer, die Nacht bricht herein, und Lili kommt nicht. Die Kinder schreien schon nach der Milch, den Vater verlangt schon nach dem Wild; die Mutter richtet sich auf in ihrem Bette. »Lili!« ruft sie, »Kind, wo trottest denn herum im stockfinsteren Wald? Geh heim!«

      Wie kann die schwache Stimme der Kranken durch den wüsten Schneesturm das Ohr der Irrenden erreichen?

      Je finsterer und stürmischer die Nacht wird, je tiefer sinkt in Berthold der Hang zum Wildern und desto höher steigt die Angst um seine Waldlilie. Es ist ein schwaches, zwölfjähriges Mädchen, es kennt zwar die Waldsteige und Abgründe, aber die Steige verdeckt der Schnee, den Abgrund die Finsternis.

      Endlich verläßt der Mann das Haus, um sein Kind zu suchen. Stundenlang irrt und ruft er in der sturmbewegten Wildnis; der Wind bläst ihm Augen und Mund voll Schnee; seine ganze Kraft muß er anstrengen, um zurück zur Hütte gelangen zu können.

      Und nun vergehen zwei Tage; der Schneefall hält an, die Hütte des Berthold wird fast verschneit. Sie trösten sich überlaut, die Lili werde wohl bei dem Klausner sein. Diese Hoffnung wird zunichte am dritten Tag, als der Berthold nach einem stundenlangen Ringen im verschneiten Gelände die Klause vermag zu erreichen.

      Lili sei vor drei Tagen wohl bei dem Klausner gewesen und habe sich dann beizeiten mit dem Milchtopf auf den Heimweg gemacht.

      »So liegt meine Waldlilie im Schnee begraben«, sagt der Berthold. Dann geht er zu anderen Holzern und bittet, wie diesen Mann kein Mensch noch so hat bitten gesehen, daß man komme und ihm das tote Kind suchen helfe.

      Am Abende desselben Tages haben sie die Waldlilie gefunden.

      Abseits in einer Waldschlucht, im finsteren, wildverflochtenen Dickichte junger Fichten und Gezirme, durch das keine Schneeflocke zu dringen, und über dem die Schneelasten sich wölben und stauen, daß das junge Gestämme darunter ächzt, in diesem Dickichte, auf den dürren Fichtennadeln des Bodens, inmitten einer Rehfamilie von sechs Köpfen ist die liebliche, blasse Waldlilie gesessen.

      Es ist ein sehr wunderbares Ereignis. Das Kind hat sich auf dem Rückweg in die Waldschlucht verirrt, und da es die Schneemassen nicht mehr hat überwinden können, sich zur Rast unter das trockene Dickicht verkrochen. Und da ist es nicht lange allein geblieben. Kaum ihm die Augen anheben zu sinken, kommt ein Rudel von Rehen an ihm zusammen, alte und junge; und sie schnuppern an dem Mädchen und sie blicken es mit milden Augen völlig verständig und mitleidig an, und sie fürchten sich gar nicht vor diesem Menschenwesen, und sie bleiben und lassen sich nieder und benagen die Bäumchen und belecken einander, und sind ganz zahm; das Dickicht ist ihr Winterdaheim.

      Am anderen Tage hat der Schnee alles eingehüllt. Waldlilie sitzt in der Finsternis, die nur durch einen Dämmerschein gemildert ist, und labt sich an der Milch, die sie den Ihren hat bringen wollen, und sie schmiegt sich an die guten Tiere, auf daß sie im Froste nicht erstarre.

      So vergehen die bösen Stunden des Verlorenseins. Und da sich die Waldlilie schon hingelegt zum Sterben und in ihrer Einfalt die Tiere hat gebeten, daß sie getreulich bei ihr bleiben möchten, bis es aus ist; da fangen die Rehe jählings ganz seltsam zu schnuppern an und heben ihre Köpfe und spitzen die Ohren, und in wilden Sätzen durchbrechen sie das Dickicht, und mit gellendem Pfeifen stieben sie davon.

      Jetzt arbeiten sich die Männer durch Schnee und Gesträuche und sehen mit lautem Jubel das Mädchen.

      Und der alte Rüpel, der ist auch dabei und ruft: »Hab' ich nicht gesagt, kommt mit herein zu sehen, vielleicht ist sie bei den Rehen!«

      So hat es sich zugetragen; und wie der Berthold gehört, die Tiere des Waldes hätten sein Kind gerettet, daß es nicht erfroren, da schreit er wie närrisch: »Nimmermehr! Mein Lebtag nimmermehr!« Und seinen Kugelstutzen, mit dem er seit manchem Jahr Tiere des Waldes getötet, hat er an einem Stein zerschmettert.

      Ich habe es selber gesehen, denn ich und der Pfarrer sind in den Karwässern gewesen.

      Diese Waldlilie ist schier mild und weiß wie Schnee und hat die Augen des Rehes in ihrem Haupte.

      Im Winter 1830

      Von dem Sohne unseres Herrn wollen die Gerüchte nicht schweigen. Wenn es auch nur zur Hälfte wahr ist, was von ihm gesagt wird, so ist das ein toller Mensch. So fährt kein Vernünftiger drein.

      Ich will mir's doch anmerken und demnächst seinem Vater schreiben. Hermann möge einmal in unseren Wald hereinkommen und sehen, wie es allhier aussieht und wie arme Leute leben.

      Solche Gebirgsreisen können auch von Nutzen sein.

      Winterszeit

      Der Lazarus Schwarzhütter sieht des Grassteigers Töchterlein Juliana gern. Das Töchterlein mag auch den Burschen leiden; so gucken sie zusammen. Jetzt hat aber der Pfarrer das Zusammengucken so junger Leute verboten. Gut, er hat das Recht zu predigen; sie gucken zusammen und vermeinen dazu auch ein Recht zu haben, ein Recht, von dem der Lazarus erklärt hat, daß sie nimmer davon lassen wollen.

      Wohlan, denkt sich der Pfarrer, vor dem Altar gebe ich dem Lazarus, was ich selber nicht habe.

      Weihnachten 1830

      In der heiligen Christnacht sind die Leute schon wieder von allen Seiten herbeigekommen. Die von den Spanlunten abgefallenen Glühkohlen sind lustig hingeglitten über die Schneekruste wie Sternschnuppen.

      Viele Wäldler sind in ihrem Begehr nach der mitternächtigen Feier ein gut Stück zu früh dran. Da die Kirche noch nicht aufgesperrt und im Freien es kalt ist, so kommen sie zu mir in das Schulhaus. Ich schlage Licht, und da ist bald die ganze Schulstube voll Menschen. Die Weiber haben weiße, bandartig zusammengelegte Tücher um das Kinn und über die Ohren hinaufgebunden. Sie huschen recht um den Ofen herum und blasen in die Finger, um das Frostwehen zu verblasen.

      Die Männer halten sich fest in ihren Lodengewändern verwahrt. Sie behalten ihre Hüte auf den Köpfen, sitzen auf den Tischbrettern der Schulbänke und besehen mit wichtigtuender Bedächtigkeit die Lehrgegenstände, welche die Jüngeren den Älteren erklären. Einige gehen auch über den Boden auf und ab und schlagen bei jedem Schritte die gefrorenen Schuhe aneinander, daß es klappert. Fast alle rauchen aus ihren Pfeifen. Der Urwald ist auszurotten, aber das Tabakrauchen nimmer.

      Ich kleide mich rasch an; ich soll in der Kirche doch der erste sein.

      Jählings klopft es sehr stark an der Tür. Die Waldleute klopfen nicht, wer ist es also? Eine weiße Schafwollenhaube guckt herein, und unter der Haube steckt ein alter Runzelkopf mit weißen Lockensträhnen. Alsogleich erkenne ich den Waldsänger. Heute trägt er einen gar langen Rock, der bis zu den Waden hinabgeht und mit Messinghäkelchen zugeknöpft ist. Darüber hängt ein Schnappsack und eine Seitenpfeife, und auf einen Hirtenstab stützt sich der Alte und seinen braunen, weltumfassenden Hut hält er in seinen Händen. Dieser Hut ist seine Hütte und sein Heim und seine ganze Welt. Ein guter Hut, denkt er, ist das Beste im Weltgetümmel, und der Erde Hut nennen sie den Himmel.

      »Was hocket ihr denn da, ihr Bärenhäuter!«

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