Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 44

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

weitläufigen Verwandtschaft was gesagt. Da bleibt er stehen und sieht mich an: Verwandtschaft! Tät' mich wohl freuen! Der Ruß-Bartelmei bin ich wohl selber.

      Ich gehe mit dem Manne über Berge, durch Schluchten. Zur Mittagszeit sind wir bei seinem Hause.

      Drei Tage bleibe ich bei den Leuten. Schwarz sind sie freilich. Bei einem Volke des Morgenlandes ist schwarz die Farbe der Tugend und der Seligen; sie malen dafür den Teufel weiß. – Ich habe das, in der Meinung, ihm ein Gefälliges mitzuteilen, dem Kohlenbrenner gesagt. Der aber guckt seltsam aus seiner Hutkrempe hervor und entgegnet: Wird doch nicht sein. Nachher wäre ja der Pfarrer auf der Gasse ein Engel und in der Kirche ein –.

      Diese grobe Rede hat mich wohl gestoßen.

      Am dritten Tage, nachdem ich und der Bartelmei viel und über vieles miteinander gesprochen und uns gegenseitig Teile aus unserer Lebensgeschichte erzählt (die seine ist kohlschwarz und die meine noch schwärzer), da frage ich ihn, ob er mein Freund sein wolle. Ich hätte vor, in der Wildnis zu leben und zu arbeiten für meine Seele, und wolle redlich bestrebt sein, in der Einsamkeit Gutes zu stiften, da man unter Menschenscharen auch mit bestem Willen nicht immer das Rechte fördere. Als Freund habe er mich gegen Entgeltung mit den allernotwendigsten Bedürfnissen zu versehen, des Weiteren aber mich als Geheimnis zu bewahren.

      Der Mann hat sich lange besonnen; dann sagt er: So, ein Einsiedler wollt Ihr werden? Und da soll ich der Rab' sein, der Euch das Brot vom Himmel bringt?

      Ich erkläre, daß ich mir das Brot selbst suchen wolle, daß man aber auch Kleidungsstücke und anderer Dinge bedürfe, und daß ich nicht ermangeln würde, mit meiner kleinen Habe dafür zu danken.

      So ist er bereit, mir zu dienen. Nur müsse ich ihm auch einmal eine Gefälligkeit erweisen, und vielleicht eine ganz absonderliche. Er habe schon auch sein Anliegen.

      Ich habe das Köhlerhaus verlassen, und der Bartelmei hat mich geführt noch weiter in die Wildnis hinein. Bis in das Felsental bin ich hinaufgekommen; da sind gar keine Menschen mehr, da ist nur der Urwald und das starre Gewände. Und hier ist es mir recht gewesen; in einer verborgenen Höhle, an der eine Quelle vorbeirieselt, habe ich mich eingerichtet. Im Felsentale ist ein hölzernes Kreuz gestanden, das seiner Tage auch ein verlorener Waldmensch aufgerichtet haben mag. Das ist mein Versöhnungsaltar. Ein Kreuz ohne Heiland, wie ich es sonst den bedrängten Seelen vorgehalten, war mir endlich selber geworden.

      Und so, junger Freund, habe ich nun gelebt in der Einsamkeit, habe mit den Wurznern und Pechern gearbeitet. Und so ist Jahr um Jahr verflossen. Von Entbehrung will ich nicht reden, schwerer ist mir das Gefühl des Verlassenseins geworden, und die Sehnsucht nach den Menschen hat mich oft hart gepeinigt. Nur der Gedanke, daß Entsagung meine Sühne ist, hat mich getröstet. Oft bin ich hinaus in die Täler gegangen, wo Menschen wohnen in lieber Geselligkeit. Ich habe mich gelabt mit dem Bewußtsein ihrer Gewissensruhe und Zufriedenheit und bin wieder zurückgekehrt in das ewige einsame Felsental zu meiner Höhle und zu dem stillen Kreuze auf dem Steingrunde.

      Der Kampf in mir aber ist, statt geringer, größer und schwerer geworden, und zuweilen kommt mir der Gedanke: Was ist das für ein Leben in lahmer Tatlosigkeit, in der man niemandem nützt, sich selber verzehrt? Kann das Gottes Wille sein?

      Zurückkehren in den Orden, das wäre unmöglich. In der offenen Welt leben unter dem Schilde eines abtrünnigen Priesters, das wäre ein zu großes Ärgernis an der treuen Berufserfüllung im allgemeinen. Was bleibt mir übrig, als für das Völklein des Waldes nach Kräften wohltätig zu wirken? Aber ich weiß es nicht anzufassen. Mit trockenen Predigten stiftet man nicht immer das Wahre. Den Teufel habe ich ja so lange gerufen, bis er mir selber gekommen. Gott und die christliche Liebe lehren? Damit bin ich in Indien schlecht gefahren. So habe ich gar keine Neigung mehr, den Menschen mit Worten zu dienen.

      Wo ich Kinder sehe, da gehe ich auf sie zu, daß ich ihnen ein Liebes könnte erweisen; aber sie haben sich vor mir gefürchtet. Ich bin gemieden und nirgends gern gesehen, selbst in der Hütte des Bartelmei nicht mehr. Ich bin auch so seltsam, so unheimlich; zuletzt hat mir vor mir selber gegraut. Ein Verbannter, lebe ich im Felsentale, und zwischen dem Gestein lechze ich nach Wohltun. Und ich bin doch wieder davongeschlichen gegen die Wässer hinaus.

      Dem altersschwachen Weiblein habe ich die Holzschleppe vom Rücken genommen, auf daß ich sie in seine Klause trage. Dem Hirten habe ich die Herde von dem gefährlichen Gewände abgeleitet. Und im Winter, wenn gar keine Menschen sind weit und breit, habe ich mit dürren Samen und wilden Früchten die Vöglein gefüttert und die Rehe. Geweint habe ich über diesen meinen armseligen Wirkungskreis, und vor dem Kreuze habe ich gebetet: Herr, vergib! und nur einmal laß mich was Gutes vollenden!

      Und so habe ich, in der Absicht, etwas Rechtes zu vollbringen, den Jungen aus dem Hinterwinkel zu mir genommen. Ich hatte gehört, daß er von seinem Vater die Tobsucht geerbt haben soll. Ich habe bedacht, daß, wie der Mathes daran zugrunde gegangen, so auch der Lazarus daran zugrunde gehen müsse, könne durch eine entsprechende Zucht dem Übel nicht gesteuert werden. Auch habe ich bedacht, daß ein schwaches, weichherziges Weib nimmer imstande ist, dem gefährdeten Kind die strenge Leitung, die nötig ist, angedeihen zu lassen. Da habe ich eines Tages im Walde den Knaben am Grabe seines Vaters getroffen. Er hat erbärmlich geweint und ist nicht von mir geflohen wie andere Kinder. Und als ich ihn frage, was ihn denn so sehr betrübe, da antwortet er, er hätte einen Stein geschleudert nach seiner Mutter, und so wolle er jetzt sterben.

      Ich entgegne ihm, er möge getrost sein; ich hätte auch einmal so einen Stein geschleudert gegen Menschen, aber nun wäre ich in die Wildnis gegangen, daß ich Buße tue und einen besseren Mann aus mir mache. Und ich frage ihn, ob er es auch so halten wolle.

      Der Knabe hat mich flehend angeblickt und ja gesagt.

      So habe ich ihn mit mir genommen in das Felsental und in mein Haus. Über ein Jahr habe ich ihn bei mir behalten, auf daß ich ihn an strenge Ordnung hielte und seine wilden Anfälle zu unterdrücken suchte. Täglich haben wir vor dem Kreuze gemeinsam unsere Andacht verrichtet. Und ich habe dem Knaben die Geschichte von dem Gekreuzigten erzählt, habe ihm mit aller Wärme eines sehnenden Herzens dargestellt die Liebe, Geduld und Sanftmut des Heilandes, und ich habe gemerkt, wie das Gemüt des Knaben davon ergriffen worden ist. Es ist ja ein herzensguter Junge.

      Wir haben zusammen gearbeitet, haben Waldfrüchte, Kräuter und Schwämme gesammelt zu unserer Nahrung. Hirsche und Rehe haben wir nicht geschossen, wie der Lazarus einmal vorgeschlagen. Stühle und Fußmatten flechten wir für unsere Felsenwohnung und für den Branntweiner, der sie an den Mann zu bringen weiß. Viel Brennholz sammeln wir auf vor unserem Eingang. Gehe ich in die Lautergräben oder in die Winkelwälder hinaus, so bleibt der Knabe willig im Felsenhause und arbeitet allein. Gerne hat er mir von seiner kleinen Schwester erzählt, aber nie ein Wort von seiner Mutter, gleichwohl er im Traume oft genug von ihr gesprochen hat. Ich habe es ihm angemerkt, wie sehr das Gewissen seiner Tat ihn hat gepeinigt.

      Auf daß der Knabe sich in Geduld und Sanftmut übe, habe ich ein Mittel erfunden, das, wie seltsam und einfältig es auch aussehen mag, doch eine schätzbare Wirkung in sich trägt. Ich fasse einen Rosenkranz aus grauen Steinperlen zusammen, und diesen Rosenkranz muß mir der Lazarus allabendlich abbeten, ehe er zu Bette geht. Aber nicht mit dem Munde abbeten, sondern mit den Fingern und mit den Augen. Er muß nämlich alle Perlen von der Schnur streifen, daß sie auf den Erdboden hinkollern; und nun ist seine Aufgabe, daß er die in alle Winkel gerollten Kügelein mühsam wieder zusammensuche und auflese. Anfangs hat er bei dieser mühsamen Arbeit sein Zucken wohl bekommen, aber da er dadurch dem Geschäfte hinderlich statt förderlich ist, so hat er es nach und nach mit mehr und mehr Fassung verrichtet, obwohl das Suchen oft stundenlang dauert, bis er die letzte und allerletzte Perle findet. Und endlich hat er es mit einer Ruhe und Selbstüberwindung getan, die verehrungswürdig ist. – Kind, sage ich einmal, das ist das schönste Gebet, das du Gott

Скачать книгу