DIE LETZTE FIREWALL. William Hertling
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Читать онлайн книгу DIE LETZTE FIREWALL - William Hertling страница 18
Sie hatte in verlassenen Gebäuden geschlafen, bis sie auf den Gedanken gekommen war, ihr Implantat zu nutzen, um unbewohnte Appartements zu finden, indem sie deren Stromverbrauch analysierte. Finanzdaten waren verschlüsselt und somit für sie nicht nutzbar, aber Smartmeter verschickten ihre Datensätze unverschlüsselt. So sah sie sich nach Wohnungen um, deren Kühlschränke und Warmwasserspender auf Langzeit-Stand-by waren. Die erste Wohnung, die sie gehackt hatte, war das Appartement einer Single-Frau gewesen. Sie hatte auf geblümten Bettlaken geschlafen, mit parfümierter Seife geduscht und biologisch angebaute Lebensmittel aus dem Vorratsschrank gegessen. Cat ließ das Fenster zur Feuertreppe immer offen und als sie hörte, wie die Vordertür den Haufen leerer Dosen umstieß, den sie dort als Alarmsystem hinterlassen hatte, war sie aus dem Fenster und von dort aufs Dach geklettert.
In der nächsten Wohnung, die sie hackte, hatte der Besitzer seinen digitalen Terminkalender auf dem Kühlschrank liegen lassen, sodass Cat genau wusste, wann er zurückkehren würde.
Aber sie brachte es nicht über sich, den Leuten ihr Geld zu stehlen. Also blieb sie bei ihrer Methode, Cash-Karten aus Dutzenden verschiedener Bodegas zu stehlen. Sie war gestern bei einem Laden auf der Lombard gewesen und hatte dort weitere Karten stehlen wollen. Zwei Männer hatten den Standort jedoch beobachtet. Ihre verschlüsselten Datenströme waren für sie schon von Weitem sichtbar. Also war sie acht Blocks nach Süden zum nächsten Laden auf ihrer Liste gegangen, nur um zu entdecken, dass er von einem Sicherheitsbot überwacht wurde.
Da begriff sie: Trotz ihrer geschickten Vorgehensweise wurden die Transaktionen im Kassenabschluss ausgewiesen. Ihr Gehirn hatte intuitiv Läden ausgewählt, die leichte Ziele für ihre Raubzüge waren und so unbewusst ein Muster hinterlassen. KIs liebten Muster. Sie hatten offensichtlich ihre Vorgehensweise erkannt.
Danach geriet sie bei jedem Passanten, jedem Bot und jeder Kamera in Panik. Sie ließ alle Sachen in ihrer augenblicklichen Unterkunft zurück, tröstete sich damit, dass sie wenigstens ihren Rucksack bei sich hatte, und ging direkt zum Bahnhof. Sie nahm einen Zug nach Süden mit dem vagen Plan im Kopf, sich nach Mexiko durchzuschlagen. Und so war sie in Los Angeles gelandet.
Die Straßenbahn hielt mit einem Quietschen und sie stieg ein, einer Frau folgend, die ein Baby trug und drei Kinder in einem Kinderwagen hinter sich her zog. Als sie zahlen musste, ließ Cat ihr Implantat im anonymen Modus und benutzte eine Cash-Karte. Sie ging ganz nach hinten, denn nach ein paar Wochen auf der Flucht hatte sie begriffen, warum es gut war, immer eine Wand im Rücken zu haben.
Sie umklammerte den Rucksack auf ihrem Schoß und zwang sich, ruhig zu bleiben. Sie hatte eine Stunde, bis sie die Innenstadt erreichte, dann würde sie sich ein schäbiges Hotel und einen Job suchen. Sie hatte die letzten zwei Wochen in einer Art Niemandsland verbracht, ohne einen Gedanken an die Zukunft. Sie konnte nicht für den Rest ihres Lebens Cash-Karten stehlen.
Im Zug war es ruhig, die anderen Passagiere schwiegen, doch feine Datenströme zeigten, dass sie lasen, sich Filme ansahen, Spiele spielten oder sich unterhielten. Sie schloss die Augen, fuhr ihr Implantat herunter und begann im Kopf Chi Gong Formen durchzugehen. Sie mochte gerade nicht in der Lage sein, die Bewegungen physisch auszuführen, aber sie konnte sich das Ganze vorstellen. Je präziser ihre Vorstellungskraft war, desto perfekter gelang auch die Übung.
Sie begann mit Liu He's Jadefrau, gefolgt von Ba Duan Jin und endete mit Hu Lu Gong. Mental prüfte sie ihr Implantat und sah, dass sie noch dreißig Minuten Zeit hatte. Sie wechselte zu Karate , begann mit der Nihaichi Kata und ging dann im Geiste einen Messerkampf durch.
Die Übungen brachten urplötzlich Erinnerungen vom Kampf im Park zurück. Der Schmerz, die Einsamkeit und die Verlustangst kehrten zurück, aber sie schob die Gedanken beiseite. Sie hatte mehr als genug düstere Momente in ihren langen Nächten in San Francisco gehabt.
Die Straßenbahn kam schließlich in der Innenstadt zum Stehen. Sie musste ihre Augen gegen die gleißende Sonne abschirmen, da sie Portlands hartnäckige Wolkendecke gewohnt war. Sie hängte sich ihren Rucksack wieder über die Schultern und begann nach einer Unterkunft zu suchen. Sie wollte etwas Günstiges, mit einem nahe gelegenen Hochgeschwindigkeitsnetzzugang und möglichst weit weg von den Hauptgeschäftsstraßen.
In der Menge fühlte sie sich sicher, einmal mehr anonym und unsichtbar. Sie sah nach der Uhrzeit – früher Nachmittag an einem normalen Arbeitstag. Die Leute würden beschäftigt sein. Sie schlenderte die Straße hinunter, sah sich die Kleidung der Passanten an. Sie ignorierte die mit den Geschäftsanzügen, die modisch Gekleideten und die Lässigen und suchte nach den schlecht Angezogenen, den Prostituierten und den Obdachlosen. Als sie jemanden entdeckte, auf den diese Beschreibung grob passte, folgte sie ihm. Sie suchte eine Umgebung, in der Anonymität und Verschwiegenheit eine Selbstverständlichkeit waren. Die Anzeichen für das, was sie suchte, mehrten sich, bis sie sich jenseits der First Street wiederfand. Was einmal ein vornehmes, asiatisches Viertel gewesen war, wurde jetzt von zugenagelten Ladenfronten, Drogenabhängigen in Seitengassen und einer langen Menschenschlange vor einer Reisküche dominiert.
Eine Prostituierte in einem fast nicht existenten Rock und auf absurd hohen Absätzen sprach sie an. »Besuch im Slum, Herzchen? Ich habe, was du brauchst.«
Cat versank etwas tiefer in ihrem Kapuzenshirt und ging einfach weiter. Die Prostituierte hatte recht. Sie wollte zwischen diesen Leuten untertauchen, aber selbst nach zwei Wochen sah sie, zumindest für diese Gegend, noch zu sauber aus. An der Ecke Rose/First hielt sie neben einem Schild an, das Zimmer auf Wochenbasis anbot. Unter der abblätternden Farbe und trotz der verbarrikadierten Fenster im Erdgeschoss sah das Wohngebäude aus, als wäre es einmal schick gewesen. Jetzt kosteten die Zimmer weniger als ein Imbiss. Cat ging ihre Finanzen im Kopf durch und errechnete, dass sie mit den Cash-Karten in ihrem Stiefel für eine Woche bleiben konnte, einschließlich der Ausgaben für Lebensmittel. Sie konnte sich nach Arbeit umsehen und würde eine echte Unterkunft haben, statt in den unbewohnten Appartements fremder Leute zu kampieren.
Cat folgte dem handgemalten Holzschild zu dem, das hier wohl als Empfang durchging. Ein zahnloser Mann, von dessen kahlem Schädel ein paar einzelne Haare abstanden, sah sie mit zusammengekniffenen Augen über einen altmodischen E-Book Reader hinweg an. Er hatte also kein Implantat.
»Willst du eins für 'ne Stunde«, fragte er.
Cat wollte gar nicht wissen, was er vermutete, wie sie die eine Stunde auf dem Zimmer verbringen wollte. »Ich möchte das Zimmer für eine Woche.« Nach einer Pause sagte sie: »Eines mit Zugang zur Feuertreppe.«
Er gab erstickte Laute von sich, die sie nach und nach als Lachen erkannte. »Feuertreppe kostet zweihundert extra. Willst du es?«
Sie schüttelte langsam den Kopf. Dann blieb ihr nichts zum Leben übrig.
»Ich geb dir eins im dritten Stock. Wenn es da brennt, springst du einfach.« Er lachte wieder atemlos.
Cat überreichte ihm einen Großteil ihrer Cash-Karten. Ihr Stiefel fühlte sich jetzt leer an.
Der alte Mann gab ihr einen Digitalschlüssel an einer Kette.
»Keine ID-Schlösser?«, fragte sie.
Er lachte wieder. »Raum 317c.« Er zeigte auf den Aufzug am anderen Ende der Halle.
Im dritten Stock versuchte sie Zimmer 317c zu finden, verlor sich aber in einem Labyrinth verschiedener, nicht zueinander passender Türen. Die ursprünglichen