Californische Skizzen. Gerstäcker Friedrich
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Noch stand im Frühjahr von 1850 das alte graue Missionsgebäude, wenn auch Amerikaner und Iren schon Branntweinschenken selbst in seine Weichen gebohrt hatten und der Schaden weiter und weiter fraß. Hie und da waren freilich schon die Anfänge neuer fremder Wohnungen sichtbar, aber im Ganzen herrschte doch noch der alte Charakter. Noch lebten die Fremden vereinzelt zwischen den Spaniern, noch lagen die Sandberge zwischen der Mission und der Stadt.
Wenige Wochen rissen Berge und Missionsleben über den Haufen — schon mit dem Beginne der sogenannten plank road oder Bretstraße begannen Speculanten Häuser aufzubauen und sie wieder zu verkaufen, ehe Prozesse wegen des Grundeigenthums eingereicht oder entschieden werden konnten. Die Mission, wenn auch die alten Wände der Kirche in diesem Augenblicke vielleicht noch stehen, ist verschwunden, und nur der Name wird in späterer Zeit einer der Vorstädte San Franciscos bleiben.
Aber reizend ist die Aussicht von den flachen Hügeln des einst so stillen friedlichen Platzes über die schöne Bai. Die „frommen Mönche“ in alter Zeit wußten wol, wie und wo sie sich ihre Wohnplätze am hübschesten und freundlichsten aussuchten — und ich kann es ihnen eigentlich nicht verdenken. Im Rücken hatten sie die ziemlich hohen Küstenberge, welche die Mission eben von der See trennte und in etwas wenigstens den kalten Nordwestwind abhielt, der Nachmittags in den Sommermonaten von der See gar kalt und rauh herüberweht, und vorn breitet sich in einem wundervollen Panorama das freundliche Missionsthal mit der Bai von San Francisco und der Contra coast aus.
Den Hintergrund des ganzen Gemäldes bildet eben diese Gebirgsreihe, die Contra coast genannt, weil sie den Einschiffenden gerade gegenüber lag, und das kleine Wäldchen wahrhaft riesiger Cedern oder Lebensbäume, das oben auf dem Hügelrücken steht — über den nur eben die fern gelegene Kappe des weit höhern Berges „Diablo“ herüber schaut — diente den Seeleuten früher zur Landmark, und ist selbst auf den neuesten Karten noch angegeben. Schon lange Jahre hacken und sägen sie aber daran herum, und thun ihr Möglichstes, die schönen Bäume von ihrem Ehrenplatze zu verdrängen und ins Thal hinabzurollen.
Von der Contra coast streckt sich jener Arm der hier etwa 4 bis 5 englische Meilen breiten Bai aus, der sich bis nach Pueblo San José hinaufzieht und dort von den Hügeln eingeschlossen wird. Links, über den niedern dünenartigen und nur hie und da mit Krüppeleichen und Lorbeer bewaldeten Hügeln hin, kann man die Masten der Schiffe erkennen, die, noch mit zum Hafen Yerba buena oder San Francisco gehörig, hier so weit (bis zu „Rincon point“) hinausgelegt sind.
Das Thal der „Mission“, wie sie es in San Francisco kurzweg nennen, mündet in eine flache sumpfige Fläche aus, die von der Flut etwa 3 oder 4 Fuß hoch mit Wasser bedeckt wird, und während der Ebbe nur eine schmale, aber ziemlich tiefe und sichere Einfahrt bietet. Freilich ist sie von Muschelbänken durchzogen und könnte von größeren Fahrzeugen, als Booten und sehr kleinen Cuttern, nicht benutzt werden.
Links über die niederen Hügel, oder vielmehr hindurch und durch das sumpfige überbrückte Thal kommt jetzt der Bohlen- oder Plankenweg von San Francisco, aber die Civilisation dieses Theils ist nicht langsam oder Schritt vor Schritt gegangen; das wilde Leben dieses abgeschlossenen Districts ist nicht allmälig weiter zurückgedrängt worden durch die neue Cultur, sondern wie sich die Ueberflutung eines mächtigen Wassers durch irgend einen engen Canal zuerst die Bahn bricht, in diesem eine lange Strecke dahin schießt und dann plötzlich das umzingelte Terrain von allen Seiten zugleich angreift, so hatte sich die fast eben so mächtige Cultur auf eben diesem Plankenwege leise nach der Mission hinausgestohlen. Diese war schon in der That eine Vorstadt, während die Zwischenstrecken noch in ihrer Wildniß und Oede dalagen, der kleine Prairiewolf oder Cayota mit dem großen braunen Wolf Nachts um die Wette heulte, und die wenigen Indianer, die es bis dahin noch auf der Mission zwischen den Weißen „ausgehalten“ hatten, kopfschüttelnd ihre Decken um sich herumschlugen und weiter zurück in die Berge wanderten.
So war die Mission Dolores — geht aber der Leser jetzt, einige Jahre später, hinüber, so darf er ja nicht erstaunt sein, wenn er statt der Cayotas und braunen Wölfe Gasbeleuchtung, und statt der Indianer mit ihren Lehmhütten große stattliche steinerne Waarenhäuser und Wohngebäude errichtet findet. Die Mission selber hat aufgehört, und nur noch ihr Name und ihr Grab sind geblieben.
Ein Stiergefecht auf der Mission Dolores.
Auf der Mission war ein Fest. Von San Francisco aus wateten Hunderte von Menschen durch den gelben Sand der „Missionsstraße“ dem etwa drei engl. Meilen entfernten Dolores entgegen, Hügel auf und ab keuchten sie die beschwerliche ermüdende Bahn, und rasteten gewöhnlich erst auf dem letzten mit Zwergeichen und Lorbeeren bewachsenen Hang, der einen freien Ueberblick über das kleine vor ihnen ausgebreitete Thal gewährte.
Es war ein lebendiges Bild, dem selbst die nackten, den Hintergrund formenden Berge einen eigenthümlichen Zauber nicht nehmen konnten. Links weit hinaus dehnte sich die hie und da von niederem Weidicht begrenzte Missionsbucht der Bai von San Francisco zu, deren schimmernder Wasserspiegel aus dem fahlen Grün der Hänge frisch hervorblitzte; rechts zog sich ein schmales, unbebautes Thal in die Hügel hinauf, an deren westlichen Fuß die Brandung des stillen Meeres schäumte, und in der Mitte lag die kleine Gruppe Häuser, die ihren Namen dem alten wettergrauen Gebäude verdankte, das die westlichste Flanke der Ansiedlung bildete.
Die Mission Dolores, in alten Zeiten durch die Jesuiten gegründet, zog zuerst die benachbarten Indianerstämme zu sich, die den Mönchen nicht allein ihr Gebäude aufrichten, sondern auch später ihr Feld bestellen und ihre Rinder hüten mußten — dafür wurden sie civilisirt. Nach und nach siedelten sich dann später Californier aus den südlicher gelegenen Städten oder aus Yerba buena[2], dem jetzigen San Francisco, dort an, und Straßen entstanden, über deren niedere Häuser hinweg das graue Dach des Missionsgebäudes noch immer hoch und düster hinüberschaute.
Da kam das Gold und mit ihm, wie mit einem Zauberschlage, verwandelte sich das ganze Land; das Missionsgebäude wurde, wenigstens theilweise, zu Schenken benutzt, die Indianer zogen, von einzelnen Californiern geführt, und Christenthum wie Mission hinter sich lassend, in die Berge, und eine regsamere Bevölkerung, aus Deutschen, Amerikanern und Franzosen gemischt, fing an, die alten, halb verfallenen und theilweise verlassenen Gebäude zu bewohnen. Der Priester blieb allerdings noch in seiner Pfarre, aber die Mission selber bestand nur dem Namen nach, und wenn die kleinen Glocken Morgens angeschlagen wurden, die fromme Schaar zum Gebet zu rufen, so waren es nur wenige, sehr wenige, die dem Rufe folgten. Selbst die Indianer kümmerten sich nicht mehr um den feierlichen Laut, der sie sonst in die Nähe des neuen Gottes gerufen — der eine Theil grub nach Gold in den fernen Bergen, und der kleine Theil der aus einem oder dem andern Grund Zurückgebliebenen, trieb sich um die Schenkstände der Europäer herum, dem Feuergeist des Alkohols zu dienen, und seine Adern dem betäubenden Gift zu öffnen.
Die vielen Schenkstände der Mission verlangten aber auch dann und wann eine Extra-Anregung, ihren Besitzern in der Geschwindigkeit so viel Gold einzubringen, als diese in den Minen glaubten erwaschen zu können — denn war das nicht der Fall, so sahen ihre Besitzer gar nicht ein, weshalb sie nicht lieber in die Berge gingen, gutes Gold zu graben, als hier im flachen Lande schlechten Branntwein auszuschenken. Zu diesem Zwecke genügten aber keineswegs die Indianer, die gar kein baar Geld hatten, und nur höchst unvollkommen die Bewohner der Mission selber, wie einzelne Besuche von San Francisco. Es bedurfte