Gesammelte Erzählungen von Klabund. Klabund

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Gesammelte Erzählungen von Klabund - Klabund

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Recht?«

      »Das Recht des Sterbenden.«

      Sie traten unter eine Laterne.

      Sylvester blickte in ihr hübsches, aber böses Gesicht. Ihr Atem durchschnitt die kalte Winterluft mit noch eisigerem Hauch. In ihrem Körper rasselte es wie ein Motor.

      »Er schnurrt ab«, sagte das Mädchen. »Meine eine Lunge ist ganz weg. Und meine andere dreiviertel. Ich sterbe. Ich liege schon halb im Sarg. Nur mein Mund leuchtet noch im Leben. Ich habe solche Furcht vor der Einsamkeit. Küssen Sie mich!«

      Eine Kokotte mit einem Greisenkopf, den üblen Hauch ihres verwesenden Mundes mit wildem Parfüm überduftend, hüpfte quer über die Promenade. Zwei junge und elegante Herrn liefen atemlos und hüstelnd hinter ihr her. Sylvester und das Mädchen schritten den Rütiweg langsam empor.

      Der Mond hing runzlig wie eine amerikanische Dörrfrucht im Dunst der Nacht.

      An einer Bank hielt das Mädchen an.

      »Es sind zwölf unter Null«, sagte Sylvester.

      »0,« lächelte das Mädchen, »das macht nichts. Mir ist so warm als wären wir im August.«

       Inhaltsverzeichnis

      Der Bulgare hatte Sylvester, Leutnant Rätten, den Literaten Pein und den kleinen Japaner zu sich ins Sanatorium zum Tee gebeten.

      Natürlich machte jemand den Vorschlag, zu pokern. Der Bulgare holte ein Spiel amerikanischer Karten mit dem Joker aus der Nachttischschublade.

      »Warum haben Sie denn die Karten im Nachttisch?« fragte Sylvester.

      »Wenn ich nachts aufwache und nicht wieder einschlafen kann, muß ich etwas Interessantes zum Lesen haben. Dann betrachte ich mir die Karten.«

      Man spielte 1 Frank Satz, 10 Frank Grenze.

      Keiner sprach ein Wort.

      Der Japaner glänzte kupfern.

      Den Bulgaren strengte schon das Mischen so an, daß er hustete.

      Der Japaner gewann in lächerlich kurzer Zeit einige hundert Franken. Er wollte sich empfehlen und einen ärztlichen Besuch vorschützen.

      »Dageblieben«, brüllte Sylvester.

      Der Japaner zuckte die Achseln und mischte.

      Pein verlor in einem fort.

      Er verlor über hundert Franken in einem einzigen Spiel an Sylvester, weil Sylvester sein Full-hand mit einem Damen-vierling übertrumpfte. Das gab eine Extrarunde mit doppeltem Satz. Eine sogenannte moralische Ehrenrunde.

      »Vier Damen – ominös!« sagte Pein.

      »Vier Damen sind weniger als eine«, sagte Sylvester.

      »Aber nicht beim Poker.«

      Bei der moralischen Ehrenrunde wanderte von Geber zu Geber eine kleine unzüchtige Holzschnitzerei, japanischer Herkunft und dem Japaner gehörig, zwei männliche Figuren im widernatürlichen Beischlaf begriffen darstellend.

      Der Japaner verlor.

      Von ihm glitt das Geld zu Sylvester hinüber. Die Glocke im Sanatorium läutete zum Abendbrot. Der Bulgare klingelte und ließ sich das Essen auf dem Zimmer servieren. Die übrigen verspürten wenig Hunger und sättigten sich eilig an den Kuchenresten, die vom Tee zurückgeblieben waren. Sie tranken dazu Danziger Goldwasser oder Allasch oder Curaçao.

      Keiner wollte aufhören zu spielen.

      »So gehen Sie doch«, sagte Sylvester zu dem kleinen Japaner. »Sie wollten doch schon vor zwei Stunden gehen.«

      Der Japaner zuckte die Achseln und blieb.

      Sylvester genoß das Spiel.

      »Ein Abbild des Lebens«, sagte der Bulgare. »Wer gibt? Ich habe die schönsten Stunden meines Lebens am Spieltisch verbracht. Schönere als je mit Frauen.«

      »Nur wer mit dem Gelde spielt, soll spielen«, sagte Sylvester.

      Pein zupfte nervös an seinem Fransenbart. Er verlor noch immer.

      »Ich werde meinen Verlust wieder einholen«, sagte er zitternd.

      »Das werden Sie nicht«, trumpfte Sylvester seinen Zehnerdrilling mit einem Flush. »Sie sind nur noch hier in Davos möglich. Unten, in der Welt, haben Sie längst ausgespielt.«

      Pein wimmerte erregter:

      »Was soll das heißen? Erst neulich habe ich im Züricher Pfauentheater in der führenden Rolle eines meiner Stücke gastiert und großen Beifall gefunden.«

      Der Japaner lachte wie ein fremdartiger Wasservogel.

      »Der Fushijama muß jetzt ganz in Blüte stehen«, wisperte er, zu Sylvester gewandt. »So sagen wir, wenn er beschneit ist. Aber auf den Seen zu seinen Füßen blinkt ewiger Sommer. Da gleiten die kleinen singenden Boote mit den Geishas und sie singen das süße Lied der Kirschenblüte.«

      Es schlug ein Uhr.

      Die letzten drei Runden wurden angesagt.

      Als sie abrechneten, hatte nur Pein verloren: etwa fünfhundert Franken. Er suchte fluchend nach seinen unförmigen Überschuhen.

      Sylvester verabschiedete sich rasch und schritt allein den Berg hinunter.

      Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. In dem Haus an der Promenade, in dem Sybil als einziger Pensionär wohnte, glänzte noch Licht. Als er näher an das Haus kam, erkannte Sylvester, daß das Licht in Sybils Zimmer brannte.

      Sie liest noch, dachte er.

      Sybil aber lag wach im Bett und betrachtete Sylvesters Photographie, die er ihr geschenkt hatte. Es war eine Amateuraufnahme des Bulgaren und sie zeigte Sylvester in Gebirgstracht: braune Kniehosen, brauner Janker, an das Geländer einer Waldbrücke gelehnt.

       Inhaltsverzeichnis

      »Oh,« sagte Sybil, »die Ärzte sind noch weit zurück mit ihrer Wissenschaft. Statt zu versuchen, individuell den Kranken zu heilen, wollen sie immer generell und schematisch die Krankheit heilen. Eine Krankheit ist aber stets ein theoretischer Begriff und wie Geld nur von relativer Gültigkeit. Wirklich ist nur der Kranke. Sein Fleisch und Blut. Das von den Medizinern nicht weniger als von den Juristen und den Philologen mit Paragraphen dirigiert werden will.«

      »Welch ein Unfug, die rein chirurgische Behandlung des Krebses!« sagte der kleine kluge Japaner. »Man kann konstitutionelle Krankheiten nicht lokal zur

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