Es ist die Schwerkraft, die uns umbringt. Ulrike Schmitzer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Es ist die Schwerkraft, die uns umbringt - Ulrike Schmitzer страница 8
Frau Hauser, frage ich
Ja, sagt sie noch einmal.
Das tut mir leid, sage ich, da habe ich mich jetzt in der Tür geirrt.
Die alte Frau schließt die Tür ohne ein Wort.
Vor dem Haus hole ich die Liste aus der Jackentasche und hake die erste Adresse ab.
Arbeit macht frei, schreit ein Mann, der auf der Treppe zur U-Bahn sitzt. Arbeit macht frei! Er fixiert einzelne Passanten und brüllt ihnen entgegen. Nachdenken! Nachdenken! Arbeit macht frei!
Es ist schon finster, als ich aus der U-Bahn beim Westbahnhof steige. Es sind sehr viele Menschen unterwegs, sie rempeln mich an, steigen mir zwischen die Füße, drängen mich an die Hausmauer. Ich atme erleichtert auf, als ich endlich die Äußere Mariahilfer Straße erreicht habe. Nach zehn Minuten stehe ich vor dem Haus, das bei mir auf der Liste die Nummer zwei trägt. Ich läute. Niemand reagiert. Ich läute ein zweites Mal. Ich lehne mich an die Hausmauer und warte. Ich spiele im Geiste verschiedene Möglichkeiten durch, wie ich sie ansprechen und herausfinden könnte, ob sie Teil des Programms ist.
Ich bin ein Marsmensch. Sie auch?
Sagt Ihnen Star City zufällig etwas?
Phobos und Deimos? Wenn sie auf den Mars fliegen will, wird sie wohl die beiden Marsmonde kennen. Eine gute Frage, denke ich. Unverfänglich, aber direkt.
Endlich kommt jemand, ein Mann öffnet die Tür. In dem Moment geht das Licht im Stiegenhaus automatisch aus.
Herr Hauser, frage ich.
Ja, fragt er. Ich kann ihn kaum sehen, in der Wohnung ist es auch finster.
Was soll ich jetzt bloß sagen, warum habe ich denn überhaupt ihn gefragt?
Ist Zoe Ihre Frau?
Wer will das wissen, fragt er nicht unfreundlich.
Oh, entschuldigen Sie, sage ich. Ich warte auf Ihre Frau, ich muss sie dringend sprechen.
Und Sie sind, fragt er noch einmal und hält mir schon die Türe auf. Ich trete aus dem dunklen Stiegenhaus in seine Wohnung.
Elsa, sage ich. Elsa Noah.
Noah. Wenn er eingeweiht ist, wird er jetzt Verdacht schöpfen. Aber mir ist nichts anderes eingefallen. Ich ärgere mich, dass ich nicht besser vorbereitet bin.
Frau Noah, sagt er, dann kommen Sie einmal mit, meine Frau wird in einer Viertelstunde zu Hause sein. Ich mache Ihnen in der Zwischenzeit einen Kaffee. Beim Gehen macht er mit einer Handbewegung das Licht an.
Ich folge ihm in die kleine Küche, die wie aus der Zeit um 1900 wirkt, als die Küchen zugleich Badezimmer waren. Die Badewanne versteckt sich hinter einem schlampig zurückgeworfenen Duschvorhang.
Sie entschuldigen, sagt er. Aber wir haben zur Zeit etwas Chaos.
Er sieht mir erstmals in die Augen und erstarrt.
Was, frage ich.
Frau Noah, sagt er. Meine Frau wird Sie bestimmt sehen wollen.
Ich nicke.
Er starrt mich noch unverschämt lange an, dann verlässt er den Raum.
Ich sehe mich um, ob es Anzeichen für Kinder gibt. Spielsachen, Badeente, Kinderschuhe. Ich kann nichts entdecken.
Kaffee bekomme ich wohl eher keinen, denke ich, als er gerade wieder zurückkommt.
Es ist alles wie um die Jahrhundertwende, sagt er und fixiert mich wieder so eigenartig, aber meine Frau will nicht umbauen. Ihr gefällt das so. Und die anderen Zimmer sind sehr groß und haben viel Licht. Das braucht sie.
Ja, das verstehe ich, sehr nett, sage ich.
Sie entschuldigen mich kurz, sagt er, während er mir eine Tasse Kaffee aus der Maschine macht und hinstellt, aber ich muss noch rasch ein Telefonat führen.
Ich versuche mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Ich stelle mir vor, wie das Gespräch verlaufen wird.
Wir kennen uns nicht, oder, wird sie fragen.
Nein, Elsa, nein, werde ich sagen. Elsa Noah.
Sie wird meine Hand zum Gruß nehmen. Meine Hand wird zu schwitzen beginnen, und ich werde hoffen, dass sie sie endlich wieder loslässt.
Sagt Ihnen Phobos und Deimos etwas, werde ich vorsichtig fragen.
Sie wird überlegen.
Die griechischen Figuren oder Comicfiguren, oder sind das nicht irgendwelche Planeten? Keine Ahnung, was meinen Sie damit, wird sie fragen. Ihr Mann wird an der Türschwelle lehnen.
Sie wird mich erwartungsvoll ansehen.
Ich bin auf der Suche nach einer Zoe Hauser, werde ich sagen, die mit dem Weltraum zu tun hat. Könnte ich da bei Ihnen richtig sein?
Mit dem Weltraum? Sie wird lachen. Mit dem Weltraum habe ich nichts zu tun, ich habe genug Chaos auf dieser einen kleinen Welt!
Ich werde aufstehen und versuchen, ohne weitere Befragung aus der Wohnung zu kommen. Sie wird sagen, jetzt haben Sie nicht einmal Ihren Kaffee ausgetrunken.
Sie wird mich zur Tür bringen, und ihr Mann wird uns nur ein Stück im Flur begleiten.
Ja, dann, wird sie sagen, die Eingangstür öffnen und zu ihrem Mann zurücksehen, der gerade im Zimmer verschwindet, und mich in diesem Moment am Arm packen. Sie wird mir zuflüstern.
Morgen, Aida Stephansplatz, 8 Uhr, und dann wird sie ganz laut sagen: Viel Glück bei Ihrer Suche, auf Wiedersehen!
Und ich werde sie gefunden haben.
Der Kaffee ist schon kalt. Ich trinke den letzten Schluck aus, als es endlich an der Eingangstür klingelt. Ihr Mann macht auf und flüstert mit ihr. Sie öffnet langsam die Küchentür, als ob ein gefährlicher Hund in der Küche lauern würde. Ihr Kopf kommt zuerst durch die Tür, und jetzt weiß ich, warum mich ihr Mann so angestarrt hat. Sie sieht genauso aus wie ich. Sie ist ich.
Zu mir! Nur diese kleine Notiz auf meinem Schreibtisch. Der Professor will mich sehen. Er wird mir kündigen, denke ich.
Er gibt mir die Hand, das macht er sonst nie.
Es haben sich Veränderungen ergeben, sagt er.
Gute oder schlechte, frage ich.
Setzen Sie sich, sagt er und deutet auf die zerbeulte Ledercouch.
Ich habe meine Entscheidung noch einmal überdacht, sagt er. Sie werden die Leitung der Studie nicht abgeben. Ich werde vielmehr eine Assistentin für Sie einstellen, die Ihre Laborversuche abwickeln kann. Sie werden nur mehr die Interpretation der Daten