Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert Haensel
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Читать онлайн книгу Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania - Hubert Haensel страница 39
Crest rang mit sich. Er blickte zu Thora, die wie gelähmt neben ihm stand, gefangen im Widerspruch von Arroganz und unbeugsamen Regeln und der unvermittelt auf den Plan getretenen Aussicht, das Leben des alten Arkoniden zu retten. Er sah zu den beiden Menschen, die im Kampf um ihr eigenes Leben mit einer unschlagbaren Waffe aufgewartet hatten: Sie boten ihm an, das seine zu retten.
Die Waffe der Menschen war übermächtig.
Crest wandte sich an Thora. »Das ändert alles. Holen Sie die beiden anderen Menschen her!«
Sie widersprach nicht.
16.
»John! John!«
John Marshall spürte eine warme Hand, die mit der achtlosen Grobheit der Verzweiflung nach ihm griff und an ihm zerrte; einen Armstumpf, der hilflos über seine Haut strich.
John Marshall öffnete die Augen – und sah in die Augen Sues. Sie waren weit aufgerissen. Tränen glänzten darin. Das Mädchen war neben ihm in die Knie gegangen, beugte sich über ihn.
Er war gestorben. Er lebte.
»John, ist alles in Ordnung mit dir?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin getroffen. Ein Schuss.«
»Wo?«
Eine seltsame Frage. War Sue blind vor Angst und Aufregung? Überall war Blut. Er spürte, wie es aus der Wunde in seiner Brust sickerte, es wie lauwarmes Wasser sein Hemd tränkte, dessen Stoff die Flüssigkeit längst nicht mehr aufzunehmen vermochte, und zu Boden rann. Es klebte an seiner Hand, mit der er versucht hatte, das Loch in seiner Brust zu verschließen.
»An der Brust«, sagte er und wunderte sich gleichzeitig, dass er die Worte ohne Mühe formte.
Sue richtete sich auf, neigte den Kopf. »Wo? Ich sehe nichts!«
Was war los mit Sue? Marshall hob den Kopf an, sah an sich hinunter.
Da war keine Wunde. Sein Hemd war durchnässt, ja, aber von Schweiß, nicht von Blut. Er hob die rechte Hand, hielt sie direkt vor das Gesicht.
Kein Blut.
Unvermittelt verschwand der Schmerz. Marshall horchte in sich hinein, fand nur noch einen Nachhall. Einen eisigen Nachhall, der die Haare an seinen Unterarmen im rechten Winkel abstehen ließ, aber dennoch nur ein fernes Verwehen.
Marshall stellte fest, dass er neben dem Fenster lag. Er musste zur Seite gekrochen sein. Er wand sich. Es gelang ihm, sich auf den Bauch zu drehen. Marshall kroch zurück zur Scheibe, um auf die Straße sehen zu können.
»Bist du verrückt? Sie schießen!« Sue wollte ihn zurückhalten, aber das Mädchen war viel zu schwach dazu.
Die Straße vor dem Shelter war verlassen. Die Polizisten waren hinter ihren Fahrzeugen in Deckung gegangen. Ein einziger Mensch war zu sehen. Deborah. Sie bewegte sich nicht mehr. Der Fluss des Bluts aus der Wunde in ihrer Brust war versiegt.
Sie war tot.
Ein Gedanke kam Marshall. Ein irrsinniger Gedanke. War es möglich, dass ...
Sue zerrte am Ärmel seines Hemds. »John, nicht die Straße! Damon und Tyler! Sie haben Gewehre! Sie haben geschossen!«
Geschossen und Deborah ermordet.
»Wo sind sie?«, fragte John.
»In ihrem Zimmer!«
Marshall kroch eng an den Boden gedrückt unter dem Fenster hindurch. Schimmel. Der Asphaltgeruch war verschwunden. Verängstigte Kinder kauerten in kleinen, eng aneinandergedrängten Knäueln auf den Treppenstufen. Sie weinten. Sie verstanden nicht, was geschah. Marshall hätte sie gern getröstet, ihnen versichert, dass alles gut würde, aber ihm blieb keine Zeit.
Deborah war tot. Er musste dafür sorgen, dass es bei einer Toten blieb.
Die Tür des Zimmers stand offen.
Die Zwillinge saßen breitbeinig auf dem Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, links und rechts vom Fenster. Zwischen den Beinen, auf den Griff abgestützt, hielt jeder der Zwillinge ein Sturmgewehr.
Modifizierte Kalaschnikows, die bevorzugte Waffe der Gangs. Robust, buchstäblich kinderleicht zu bedienen, an jeder Straßenecke zu haben und körperpanzerbrechend.
Zwei weitere Gewehre lagen vor ihnen auf dem Boden, daneben Haufen von Ersatzmagazinen. Eines der Betten war zur Seite geschoben. Drei Dielen waren gelöst und lagen an der Wand, gaben die Sicht auf die hohle Zwischendecke frei. Das Versteck der Zwillinge.
Wie hatte er nur so blind sein können?, fragte sich Marshall. Sue hatte recht gehabt, er hätte die Zwillinge längst aus dem Shelter verweisen müssen.
Tyler rauchte eine Zigarette, sog den Rauch in langen Zügen ein. Wie ein Mann, der eben eine schwierige Arbeit hinter sich gebracht hat und sich nun eine Belohnung gönnt.
»Tyler! Damon!«, rief Marshall. »Was macht ihr da?«
Tyler blies den Rauch der Zigarette aus, reichte sie unter dem Fenstersims hindurch an seinen Bruder. »Lass uns in Ruhe! Das kapierst du nicht, alter Mann.« Der Heilige Christophorus baumelte an seinem Hals. Das Amulett glänzte. Der Junge hatte eine stählerne Kette daran befestigt, damit der Heilige ihn niemals wieder im Stich ließ.
»Unterschätzt mich nicht! Was kapiere ich nicht?« Kapiert ihr, was ihr getan habt?, fügte er in Gedanken hinzu. Ihr habt einen Menschen ermordet!
»Die Cops wollen uns holen. Sie dürfen uns nicht holen.«
»Die Polizei ist nicht euretwegen gekommen!«
»Behauptet sie.«
»Das ist so! Die Polizei ist wegen Sid hier. Sie haben es mir gesagt!«
Damon reichte die Zigarette zurück. »Und du glaubst den Cops? Du bist zu gut für diese Welt, alter Mann. Wer schert sich schon um Sid González? Die Cops wollen uns. Aber sie kriegen uns nicht.«
»Sie wollen Sid! Das hier ist ... ist unnötig!«
Tyler zuckte die Achseln. Er hob einen Arm, deutete mit dem Daumen auf die Straße, auf der die Polizei aufmarschiert war, wo Deborah lag, die sie ermordet hatten. »Zu spät.«
»Ihr ... ihr ...« Marshall brach ab. Es war sinnlos. Er spürte es. Etwas war in den Zwillingen gebrochen. Eine Sperre. Es gab kein Zurück mehr. Sie ...
Jemand drückte sich an Marshall vorbei in den Raum. Sue. Sie baute sich vor den Zwillingen auf, stemmte die Arme in die Hüften. »Ihr zwei kommt euch wohl ganz groß vor mit der Kippe und euren fetten Knarren, was?«
Tyler, der gerade an der Zigarette zog, hustete.
»Aber wisst ihr was?«, fuhr Sue fort. »Ihr tut nur so! Groß ist nicht, wer raucht und Leute umbringt. Groß ist, wer keine Knarre braucht, um sich groß zu fühlen! Groß ist, wer nicht bei jedem Mist, der ihm gegen den Strich geht, denkt,