Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert Haensel
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Читать онлайн книгу Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania - Hubert Haensel страница 35
»Du bist verrückt.«
»Das nehme ich als Kompliment«, entgegnete John. »Wie kann ich dir helfen?«
Die Polizistin stieg die Treppe herunter auf den Gehweg. Sie nahm die Stufen vorsichtig, eine nach der anderen, hielt sich an dem rostigen Geländer fest. Das Geländer schwankte.
Sie war nicht, wie man sich eine Polizistin vorstellte. In mehr als einer Hinsicht. Deborah war unbestechlich. Und mitfühlend. Sie hatte sieben Kinder im Alleingang großgezogen und nach einem Mann gesehen, der sein Leben nur betrunken zu ertragen vermocht hatte. Sie wusste, dass Kinder alltäglichen Wahnsinn bedeuteten. Mit Deborah konnte man reden.
»Einer deiner Jungen wird gesucht«, sagte sie. »Sid González.«
»Sid?« Was wollte die örtliche Polizei von dem Jungen? Sein Eindringen in den gesperrten Bereich von Nevada Fields war erledigt – und nicht Sache des Greater Houston Police Department. Es musste ein Irrtum sein, ein missverständlicher Datenbankeintrag. »Sid ist einer meiner besten Jungs. Was soll er angestellt haben?«
»Bankraub.«
»Bankraub?« Was war nur los? Das war kein alltäglicher Wahnsinn. »Ich ... ich, das muss ein Irrtum sein! Sid ist das harmloseste Kind, das man sich vorstellen kann. Er lebt in seiner eigenen Welt. Er würde niemals auf den Gedanken kommen, irgendetwas zu stehlen. Und selbst wenn, er ist ein Kind. Dazu eines, das Schwierigkeiten hat, sich die Schnürsenkel zu binden. Wie sollte Sid es anstellen, eine Bank auszurauben?«
»Genau das fragen wir uns auch gerade. Ich zeige dir was.« Deborah ging zum Streifenwagen. Die getönte Scheibe der Fahrertür surrte in die Türfüllung, gab den Blick auf den Fahrer frei. Es war eine Frau, Deborahs Partnerin. Schlank und jung. Sie trug Körperpanzer und Helm. Das Visier war heruntergeklappt. Ein ungleiches und zugleich gewolltes Team. Das Greater Houston Police Department hatte eine Vorliebe dafür, Gegensätze zu paaren. Es half, dass die Verständnisvollen wie Deborah nicht zu weich wurden. Und dass die Kompromisslosen wie diese Polizistin nicht laufend überreagierten.
John Marshall versuchte, durch das verspiegelte Visier einen Blick auf das Gesicht von Deborahs Partnerin zu erhaschen. Ein Blick genügte ihm für gewöhnlich, um ein Gefühl für sein Gegenüber zu bekommen, die richtigen Worte zu finden.
Es gelang ihm nicht. Stattdessen sah er sein eigenes Spiegelbild. Marshall erschrak. Er war bleich, seine Wangen waren eingefallen. Die schlaflosen Nächte, die Sorgen hatten tiefe Furchen in das Fleisch gegraben.
Die Fahrerin reichte Deborah wortlos ein Tablet. Sie trug Handschuhe.
»Vielleicht gelingt es dir, dir einen Reim darauf zu machen«, sagte Deborah, während ihre Finger über das Tablet huschten und eine Videodatei aufriefen. »Hier! Sieh dir das an!«
Sie hielt John das Tablet hin. Ein kahler, nüchterner Raum. An den Wänden Schrankfächer vom Boden bis zur Decke.
»Die Aufnahmen stammen von einer Überwachungskamera der Bank-of-America-Filiale in Downtown Houston. Der Tresor.«
Unten rechts im Bild lief eine Zeitanzeige mit. Die Aufnahmen waren keine zwei Stunden alt.
Einige Sekunden lang geschah nichts, dann sprühten plötzlich Funken, tauchten den Raum in ein grelles Weiß, das alle Einzelheiten verschluckte. Als das Weiß verblasste, stand Sid im Tresor. Einen Moment lang bewegte er sich nicht, dann drehte er sich geduckt auf dem Absatz und sah sich suchend um. Als wäre er übergangslos von einem anderen Ort in den Tresor gelangt und fand sich in einer fremden Umgebung wieder. Sids Hemd war schweißverklebt.
»Diese Funken, dieses Licht ... was war das?«, fragte Marshall.
»Das hoffen wir von dir zu erfahren. Oder von Sid.«
In der linken Hand hielt der Junge eine leere Plastiktüte. Sid ging zur Wand des Tresors, um eines der Fächer zu öffnen. Verblüfft hielt er inne, als die Klappe sich nicht bewegen ließ. Sie war durch ein separates Schloss gesichert. Sid schüttelte sich, als glaubte er, in einem schlechten Traum zu stecken und wollte ihn loswerden. Er versuchte es mit einem anderen Fach. Ohne Erfolg. Er rüttelte an einem weiteren Fach, scheiterte, versuchte ein weiteres, scheiterte immer wieder, bis er schließlich hin und her sprang, gefangen zwischen Fassungslosigkeit und Wut.
»Abgeschlossen«, kommentierte Deborah trocken. »An den Schließfächern kann er rütteln, bis er verhungert ist.«
Sid verharrte einen Augenblick und dachte nach, dann verwandelte sich seine Enttäuschung in Wut. Er trat gegen ein Fach, immer schneller, immer kräftiger. Bis ein Geräusch ihn aufhorchen ließ. Erschrocken wirbelte er herum. Seine Augen weiteten sich.
... Funken sprühten ...
... und als sie verblassten, war der Tresor verlassen. Einige Sekunden später rannten drei Wachmänner in den Tresor und blieben verwirrt stehen.
Deborah hielt das Video an. »Das ist alles, was wir haben. Die Bank ist gespickt mit Kameras. Keine andere hat deinen Jungen erfasst. Abgesehen davon, dass es zu dem Tresor nur einen Zugang gibt. Der Junge war im Tresor, das belegen nicht nur die Aufnahmen, sondern auch Dutzende von Fingerabdrücken und DNS-Spuren, die wir am Tatort gesichert haben. Sid González konnte den Wachleuten unmöglich entkommen. Aber er ist es. Hast du eine Erklärung dafür?«
»Nein.« Marshall dachte zurück an Nevada Fields, den Start der STARDUST. Sid, der plötzlich verschwunden und auf ungeklärte Weise in den gesperrten Bereich gelangt war. Und das Letzte, was Marshall von dem Jungen wahrzunehmen geglaubt hatte, bevor ihn die Vision überwältigt hatte, waren sprühende Funken gewesen.
John Marshall wurde übel. Seine Knie zitterten. Ihm war, als hätte der Asphalt seine Festigkeit verloren. Mehr noch. Als hätte alles, was er für sicher glaubte, seine Festigkeit verloren.
»John, wo ist Sid González?«, fragte Deborah.
Sid ein Bankräuber? Sid, der in einen vielfach gesicherten Tresor vordrang und wieder daraus verschwand? Es war unmöglich. Es war zu viel.
»Deborah ... können wir die Sache nicht einfach vergessen? Sid hat nichts gestohlen.«
»Er hat es versucht. Er hat sich nur zu dumm angestellt.«
»Eben. Sid ist ein dummer Junge. Du weißt, wie Jungs sind. Dummheiten gehören dazu. Bitte, Deborah, lass ihn laufen. Ich rede mit ihm. Es wird nicht wieder ...«
»Deb?«, unterbrach eine Stimme Marshall. Die junge Polizistin im Streifenwagen. Sie hatte das Visier hochgeklappt. Sie hatte schöne blaue Augen. Kalte Augen. »Macht dieser Mann Schwierigkeiten? Soll ich Verstärkung anfordern?«
Die alte Polizistin drehte sich zu ihrer Kollegin. »Nein, nicht nötig. Wir stehen kurz vor der Klärung.« Sie drehte sich wieder zu Marshall, schüttelte langsam den Kopf und sagte leise: »Tut mir leid, John. Das Video ist auf den Servern des Police Departments abgelegt. Ich kann deinen Jungen nicht laufen lassen. Verstehst du?«
Auch Deborah hatte blaue Augen. Marshall war es bislang nicht aufgefallen. Schöne blaue Augen. Warme Augen. Deborah hätte Sid in Ruhe gelassen, wenn es in ihrer Macht gestanden hätte.
»Ja, ich verstehe«, sagte er. Er straffte sich. »Ich hole ihn für dich, in Ordnung? Es ist besser, wenn ihr draußen bleibt. Du weißt ja, Polizei macht die Kinder unruhig.«