Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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die Kinder über die Lichtung. Vor dem Zelt servierte sie ihnen Zitronenlimonade, die sie im Bach gekühlt hatte, dazu Waffelgebäck. Heidi und ihr etwas älterer Bruder waren begeistert.

      »Wohnst du jetzt immer hier im Wald?«, fragte das kleine Mädchen und bekam vor Aufregung knallrote Bäckchen.

      »Jetzt ist es wunderschön, aber im Winter – stell dir nur vor, wenn die Winterstürme toben und den Schnee durch den Wald treiben …«

      »Dann kommst du zu uns ins Försterhaus.«

      Julia drückte das kleine Mädchen spontan an sich. »Oje! Was würde euer Vati dazu sagen! Und eure Mutti wäre sicher auch nicht begeistert, das dürft ihr mir glauben.«

      »Wir haben keine Mutti«, erklärte Carsten traurig.

      Es war Julia, als krampfe sich eine eisige Hand um ihr Herz.

      Doch die innere Kälte wurde fast augenblicklich von einem heißen Gefühl des Mitleids besiegt.

      Die armen Kleinen!

      »Ihr habt keine Mutti mehr? Das tut mir aber leid. Ist sie – ist sie …« Julias Stimme erstickte.

      Heidi nickte eifrig. »Ja, unsere Mutti ist im Himmel. Schon lange. Wir können uns gar nicht mehr an unsere Mutti erinnern. – Nicht, Carsten?«, wandte sie sich an ihren Bruder.

      Der Junge schüttelte stumm den Kopf.

      »Aber irgendjemand muss doch für euch sorgen, muss für euch kochen und waschen!«, rief Julia aus. »Oder macht das alles euer Vati? Ist er überfordert und deshalb so streng?«

      »Vati kann gar nicht kochen. Wir haben Tante Jahnke. Aber sie ist immer so brummelig. Und weg will sie auch. Unser Vati weiß dann nicht, was er mit uns machen soll, hat er gesagt.«

      Julia biss sich auf die Unterlippe – wie immer, wenn sie etwas heftig bewegte.

      Seit die Kinder bei ihr waren, hatte sich der Wald wieder in ein verzaubertes Paradies verwandelt. Wie vertrauensvoll Heidi sich an ihre Seite schmiegte! Ein weiches, zärtliches Gefühl durchrieselte die Vierundzwanzigjährige, die bisher kaum jemals näheren Kontakt zu Kindern gehabt hatte. Sie spürte, dass Heidi und Carsten etwas ganz Besonderes waren, zwei Kinder, die in freier Natur aufgewachsen waren, unter Gottes weitem Himmel, und dass selbst ein tyrannischer Vater diese empfindsamen Seelen bisher nicht zu beschädigen vermochte. Doch was würde geschehen, wenn Heidi und Carsten hinausgestoßen wurden aus ihrer vertrauten Welt, vielleicht in ein Kinderheim? Bei diesem Gedanken verspürte Julia wieder den Eishauch im Herzen.

      »Meine Antje hat jetzt bestimmt große Angst in dem ollen Karton«, ließ sich Heidi mit einem tiefen Seufzer vernehmen.

      »Antje, wer ist Antje?«

      »Mein Püppchen.«

      »Ach so, natürlich. Deine kleine Antje müssen wir selbstverständlich aus ihrem Karton-Gefängnis befreien.«

      »Wie denn?«

      »Ganz einfach«, sagte Julia. »Ich werde nachher gleich ins Dorf spazieren und Antje holen.«

      »Aber Vati hat es doch verboten«, mahnte Carsten, der für sein Alter schon ungewöhnlich vernünftig und pflichtbewusst war.

      »Euer Vati kann mir nicht verbieten, Heidi ein Geschenk zu machen. Aber da euer Vati momentan etwas ungnädig ist, wäre es vielleicht besser, das Püppchen vor ihm zunächst zu verstecken. Habt ihr einen Dachboden?«

      »Ja!« Heidis Augen leuchteten auf. »Da stehen ein paar alte Truhen mit wunderschönen Tüllkleidern und Bildern, auf denen sind Engel und Feen und zwei Kinder auf der Brücke, die vom Christkind beschützt werden! Die Bilder sind sooo schön, aber Vati will sie nicht im Wohnzimmer aufhängen. Auch nicht bei uns im Kinderzimmer. Ich habe schon so oft gebettelt, er sagt immer wieder nein.«

      »Hm, euer Vati scheint ein ganz schöner Dickkopf zu sein. Also, auf dem Boden gibt es bestimmt einen gemütlichen Winkel, in dem das Püppchen zunächst einmal wohnen kann.«

      »O ja, auf dem alten Sessel mit dem grünen Plüsch und den Schnörkeln!«, rief Heidi begeistert. »Ich freue mich so, ich freue mich so!« Jubelnd fiel das kleine Mädchen Julia um den Hals.

      In diesem Moment verdichtete sich das Leben. Es war einer der seltenen Augenblicke ungetrübten Glücks. Alle Fragen nach dem Sinn des Lebens hatten sich von selbst beantwortet. Die Liebe, die Julia aus den Herzen der Kinder entgegenströmte, wurde zu einem breiten Fluss, der die Schiffe des Daseins mühelos trug und ohne Hast zum Meer der Ewigkeit leitete.

      In diesem Augenblick wusste Julia, dass es kein Zufall war, was sie erlebte. Dass sie ausgerechnet diesen Kindern, die ihr Herz im Sturm erobert hatten, in der Waldeinsamkeit begegnen musste, war Schicksal.

      Es knackte im Gebüsch.

      Julia blickte auf. Ihr Blick irrte über die sonnenflirrende Lichtung – und erschrak heftig. Im Schatten der hohen Fichten stand er – eine drohende Gestalt, unheilverkündend, mit düsterer, angespannter Miene. Und doch ging auch etwas Imponierendes, fast Hoheitsvolles von ihm aus.

      Der Herr der Wälder, ging es Julia abermals durch den Sinn, und sie wusste nicht, ob sie ihn bewunderte oder verachtete.

      Langsam und mit schwerem Schritt trat er aus dem Halbdunkel und kam auf Julia und die Kinder zu.

      Julia grub die Zähne in die Unterlippe. Aus der Traum – ihr Versteck war verraten. Ihr unbekümmertes Umhertollen mit den Kindern hatte den Förster angelockt. Hätte sie vorsichtiger sein, sich mit Heidi und Carsten nur im Flüsterton unterhalten sollen? Nein! Trotzig warf sie den Kopf zurück, ihr blondes welliges Haar rieselte wie ein Wasserfall auf die Schultern. Sie ahnte nicht, wie reizend sie in diesem Augenblick aussah.

      Die Kinder wurden aufmerksam.

      »Vati!«

      »Geht nach Hause, Heidi und Carsten«, ordnete Matthias Hartmann knapp an.

      Julia wollte ihm ins Wort fallen. Warum gönnte er seinen Kindern nicht ein bisschen Abwechslung? Doch unter seinem bezwingenden Blick schwieg sie beklommen.

      »Gehorcht eurem Vati«, sagte sie leise. »Wir sehen uns wieder. Ich verspreche es euch.«

      »Ganz bestimmt?« Heidi sah aus großen, ängstlichen Augen zu ihr empor.

      »Ganz bestimmt.« Sie nickte und zwang sich zu einem unbekümmerten Lächeln.

      Die Kinder trollten sich. Hand in Hand verschwanden sie im Unterholz. Immer wieder schauten sie über die Schulter zurück, bis das grüne Gezweig ihnen jede Aussicht verwehrte.

      »So, meine liebe junge Dame, und nun zu Ihnen.« Der Förster trat so dicht vor Julia hin, dass ihn ein Hauch ihres leichten, sommerwürzigen Parfüms umwehte. »Darf ich erfahren, was das hier zu bedeuten hat?«

      Julia holte tief Luft. »Ich wollte einmal allein sein und die unberührte Natur genießen. Sie als Förster sollten dafür eigentlich Verständnis haben.«

      »Wie bitte?« Er runzelte die Brauen. »Sie erwarten von mir Verständnis für Gesetzesübertretungen?«

      »Oje!«

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