Schopenhauer. Kuno Fischer
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Schopenhauer, der sich selbst als Künstler verstand und als Religionsstifter aufgetreten ist, hat seit je polarisiert, sein Werk und seine Persönlichkeit, sein Charakter, der schreiende Widerspruch zwischen Leben und Lehre, der pessimistische Grundzug seiner Weltsicht und nicht zuletzt der Gegensatz, in dem sie zur abendländischen Philosophietradition steht, haben ebenso unbedingte Gegnerschaft wie bedingungslose Anhängerschaft provoziert. Wer Schopenhauer als Philosophen begegnen will, sieht sich zu einer denkenden Aneignung seines Werkes herausgefordert und wird in Fischers Gesamtdarstellung, in der detailreichen, gelehrten und anschaulichen Nachzeichnung des Lebens, der Werke und der Lehren des Philosophen den Schlüssel und roten Faden zur Bewältigung eben dieser Aufgabe finden. Das Buch lädt nicht nur zu denkender Aneignung ein, es unterstützt dieselbe auch auf das wirkungsvollste, darin, dass es die differenzierte Argumentation in anschaulicher Klarheit vor uns ausbreitet und uns hilft, in den verwickelten Gedankenmassen den Überblick zu behalten, ist es dem Kompass vergleichbar, an dem wir uns orientieren, um nicht vom Wege abzukommen. Das Studium von Fischers Monographien unterscheidet sich wohltuend von einer Lektüre, nach der man mit den dargestellten Denkern fertig ist, indem man sie in einer Schublade abzulegen weiß. Fischer geht es sowenig um »lesen und loben«, wie um »lesen und tadeln«, sondern um eine Auseinandersetzung, die Frucht trägt. Wir dürfen seinem Urteil vertrauen, dass eine solche Begegnung mit Schopenhauer niemanden unbeeindruckt lassen und ihr geringster Ertrag ein uneingeschränktes Lesevergnügen sein wird: »Wenn man ihn zu Ende [gelesen] hat, so ist es sehr fraglich, ob man ihm Recht gibt, aber sicher ist, dass man ihn nie wieder vergisst.«106 Eine problemgeschichtlich angelegte Einführung in das System eines Philosophen ist immer auch eine Einführung in die Philosophie selbst, Fischers Schopenhauer-Monographie wird darüber hinaus der weit anspruchsvolleren Aufgabe gerecht, im Sinne der kantischen Unterscheidung, auch eine Einführung in das Philosophieren zu sein.
Am 186. Geburtstag von Kuno Fischer
und 114. Geburtstag von Hermann Glockner
Die Herausgeber
Erstes Kapitel
Biographische Nachrichten. Das Zeitalter Schopenhauers. Der erste Abschnitt seiner Jugendgeschichte (1788 – 1805)
I. Biographische Quellen und Nachrichten
Es ist zu verwundern und zu bedauern, dass der Philosoph, von dem wir handeln wollen, keine Bekenntnisse autobiographischer Art hinterlassen hat, da er mehr als irgend ein anderer seiner Geistesgenossen, Rousseau ausgenommen, zu grüblerischen Selbstbetrachtungen über die eigene Person, ihre Bedeutung und Schicksale geneigt und viel damit beschäftigt war. Nach dem Abschluss seiner Jugendperiode hatte er ein Werk solcher Aufzeichnungen angelegt und nach dem erhabenen Beispiel des Marc Aurel »Εἰς ἑαυτόν« genannt, er hat dieselben noch in späteren handschriftlichen Büchern angeführt und auch mündlich auf ihre Wichtigkeit hingewiesen; aber die Schrift, deren Umfang nur dreißig Blätter betragen haben soll, ist auf seinen Wunsch von seinem Testamentsvollstrecker vernichtet worden. (S. unten 9. Kap.)
1. Vier Lebensskizzen rühren von ihm selbst her: das zum Behuf der Promotion im September 1813 und das zum Behuf der Habilitation am letzten Dezember 1819 verfasste »Curriculum vitae«, dann die beiden kurzen Lebensabrisse aus dem April und Mai 1851, von denen der erste für Joh. Eduard Erdmann zur Aufnahme in dessen Geschichtswerk der neuern Philosophie, der andere für Meyers Konversationslexikon geschrieben wurde. Das »Curriculum vitae« von 1819 ist für die Kenntnis der ersten dreißig Lebensjahre des Philosophen die umfänglichste und nächste Quelle.
2. Nach seinem Tod erschien von Wilhelm Gwinner, seinem Testamentsvollstrecker und jüngeren Freunde, der während der letzten sechs Lebensjahre vertraulichen Verkehr mit ihm gepflogen: »Arthur Schopenhauer, aus persönlichem Umgang dargestellt«.107 Auf den Inhalt dieser Schrift gestützt, ergingen sich sehr bald in der Tagesliteratur die ungünstigsten Charakterschilderungen Schopenhauers, worin Männer, die sonst die ausgemachtesten Gegner waren, wie Karl Gutzkow und Julian Schmidt, übereinstimmten.
Um die Eindrücke des Gwinner’schen Charakterbildes zu entkräften und dessen abstoßende Züge als Entstellungen nachzuweisen, vereinigten sich zwei Anhänger und Bewunderer zu einem apologetischen Werk: »Arthur Schopenhauer. Von ihm. Über ihn. Ein Wort der Verteidigung von Ernst Otto Lindner und Memorabilien, Briefe und Nachlass-Stücke von Julius Frauenstädt.«108
Wir haben es jetzt nicht mit den auf Schopenhauers Charakter und moralischen Wert bezüglichen Fragen und Streitfragen zu tun, sondern lediglich mit dem zur Kenntnis seiner Lebensgeschichte dienlichen Material. Dieses ist in dem oben genannten Werk beträchtlich vermehrt worden, namentlich durch die Veröffentlichung einer großen Zahl Schopenhauer’scher Briefe. Auch hat Frauenstädt aus den »Studien« oder »Erstlingsmanuskripten« des Philosophen, Selbstbetrachtungen während der letzten sechs Jahre seiner Jugendzeit (1812 – 1818), sehr bemerkenswerte und interessante Mitteilungen gemacht.
3. Das Beispiel von Lindner und Frauenstädt hat die nützliche Folge gehabt, dass demselben zwei andere Anhänger und Bewunderer nachgefolgt sind und die in ihren Händen befindlichen Briefe des Meisters herausgegeben haben: David Asher in seiner Schrift: »Schopenhauer. Neues von ihm und über ihn«109, und Adam v. Doß, einer seiner geliebtesten Schüler, der kurz vor seinem Tod die an ihn gerichteten Briefe Schopenhauers durch Karl du Prel hat veröffentlichen lassen.110
4. Zehn Jahre später erschien, von dem Mathematiker Joh. Karl Becker herausgegeben, der »Briefwechsel zwischen Arthur Schopenhauer und Joh. August Becker«, dem Vater des Herausgebers, einem der ersten und der Lehre kundigsten Anhänger des Philosophen, mit dem er bis zuletzt auf freundschaftlichem Fuße verkehrt hat. Der Briefwechsel zählt in der ersten Abteilung 9, in der zweiten 53 Briefe; von jenen hat Schopenhauer 4, von diesen 23 geschrieben; das Thema der ersten Gruppe der Briefe (31. Juli bis 16. Dezember 1844) waren scharf gefasste Fragen und Einwürfe, welche gewisse Kardinalpunkte der Lehre betrafen und bei unserer Beurteilung der letzteren wieder zur Sprache kommen sollen. Als Becker die Korrespondenz begann, war er Rechtsanwalt in Alzey; im Jahre 1850 wurde er Kreisrichter in Mainz und lebte jetzt in der Nähe des Philosophen.111
5. Nach den Publikationen der Lindner, Frauenstädt, Asher und A. v. Doß konnte Gwinner, dem auch der Briefwechsel zwischen Schopenhauer und Becker zu Gebote stand, die zweite Auflage seiner Biographie in einem »umgearbeiteten und vielfach vermehrten« Werke sechzehn Jahre nach der ersten erscheinen lassen, eine umfassende und reichhaltige, durch viele quellenmäßige Nachrichten und Schriftstücke ausgezeichnete Lebensbeschreibung.112
6. Da in der Geschichte Schopenhauers sein Aufenthalt in Weimar und Goethes persönlicher Einfluss von einer gewichtigen und fortwirkenden Bedeutung gewesen sind, so ist der Düntzer’sche Aufsatz: »Goethes Beziehungen zu Johanna Schopenhauer und ihren Kindern« hier zu erwähnen. Derselbe ist sieben Jahre jünger als die neue Auflage der Gwinner’schen Biographie und enthält aus den Briefen, welche die Mutter an den Sohn in den Jahren 1806 und 1807 geschrieben hat, einige interessante Auszüge, welche Goethe betreffen.113
7. Zum Schluss nenne ich die jüngsten,