Trauma. Lutz Wittmann

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Trauma - Lutz Wittmann

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& Spiegel, 1945). In den erneut oft unter großem Zeitdruck durchgeführten Behandlungen werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt: »Manche fokussierten auf Narkose, manche auf körperliche Rehabilitation und Training, manche auf Abreaktion, und manche auf anhaltende Kontakte zwischen Patienten und Ärzten oder zwischen Patient und einer sorgfältig ausgesuchten Pflegekraft« (Bartheimer, Kubie, Menninger, Romano & Whitehorn, 1946, S. 493, eigene Übersetzung). Einerseits wird versucht, durch mehrtägige Gabe von Betäubungsmitteln (wie Amobarbital in Kombination mit Insulin) die Stresssymptome zu unterdrücken und auf Ruhe, Unterstützung und Resozialisierung zu setzten.

      »Die Patienten wurden […] ermutigt, zu infantilen Handlungen und Einstellungen zu regredieren. Sie wurden gefüttert, wann immer sie dies zu wollen schienen, mit ihren Köpfen auf den Schultern der Krankenschwestern. Wenn Saugbewegungen auftraten wurde ihnen erlaubt, Milch aus einer Flasche zu trinken. […] Auf Wunsch wurden den Patienten Kinderlieder rezitiert oder gesungen« (ebd., S. 496, eigene Übersetzung).

      Auf der anderen Seite stand die katharsisfördernde Belebung des Traumas, welche z. T. mithilfe von Hypnose oder unter dem Namen der Narkoanalyse in Kombination mit Betäubungsmitteln durchgeführt wurde. Diese ergänzenden Maßnahmen sollten die Belastung durch die Erinnerung reduzieren oder die Erinnerung an das traumatische Ereignis verbessern. Ihre eindrücklichen Beschreibungen ergänzen Bartheimer et al. (1946) um eine überaus sorgfältige Diskussion von Fragen wie Dosierung der unterschiedlichen Behandlungskomponenten oder Gegenübertragung auf Seiten der Behandelnden.

      In der Nach-Vietnam-Ära sind es dann PsychoanalytikerInnen wie z. B. Henry Krystal (1968), Robert J. Lifton (1973 ), Chaim F. Shatan (1972), oder Mardi J. Horowitz (1976), die mit ihrem Schaffen erfolgreich zur Aufnahme der PTBS-Diagnose ins DSM-III beitragen. Werfen wir in dieser Entwicklungsphase noch einen abschließenden Blick auf die 1985 gegründete International Society for Traumatic Stress Studies, deren Anspruch auf Internationalität 1990 ergänzend in ihren Namen aufgenommen wurde. Bis auf wenige Ausnahmen waren die ISTSS-PräsidentInnen während der ersten 10 Jahre WissenschaftlerInnen und KlinikerInnen mit psychodynamischem Hintergrund.

      Die Liste an psychodynamisch geprägten Konstrukten, welche heute als Allgemeinplätze in der modernen Mainstream Psychotraumatologie bezeichnet werden können, ist lang. Khan führte 1963 seine Vorstellungen vom kumulativen Trauma aus, ein Begriff, der heute bei leichter Bedeutungsverschiebung viel verwendet wird. Ein weiterer Beitrag einer psychodynamisch orientierten Forscherin zur Klassifikation potenziell traumatischer Ereignisse, welcher Eingang in vermutlich jedes psychotraumatologische Lehrbuch gefunden hat, ist die Unterscheidung von einmaligen und sich wiederholenden, andauernden Ereignissen als Typ-I- und Typ-II-Traumata durch Leonore C. Terr (1991). Heute erleben wir die Aufnahme des vor gut 25 Jahren von Judith L. Herman (1992) ausgearbeiteten Konzepts der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung ins ICD-11 (Maercker et al., 2013). Die Bedeutung der psychoanalytischen Übertragungs-Gegenübertragungs-Konzeption für das Verständnis der Phänomene der sekundären Traumatisierung (z. B. Figley, 1995) braucht hier nur angedeutet zu werden. Straker und das Sanctuaries Counselling Team (1987) entwickeln aus ihrer klinischen Arbeit mit Opfern der Gewalt in den Townships Südafrikas das Konzept der kontinuierlichen PTBS. Dies beschreibt die Wirkung traumatischer Erfahrungen in einer Gesellschaft, in welcher solche Ereignisse in Abwesenheit schützender Instanzen zu einer alltäglichen Realität werden. Für die Möglichkeit einer Verarbeitung ist dabei des Weiteren wesentlich, dass das persönliche Umfeld ebenfalls betroffenen ist und traumatische Vorfälle nicht mehr als Verletzung der Normalität, sondern als normal wahrgenommen werden. Das Konzept wird heute insbesondere von Kaminer und ihren KollegInnen propagiert (Eagle & Kaminer, 2013). Als letztes Beispiel eines psychodynamischen Konstrukts sei das Stichwort Bindung aufgeworfen, welches sich als äußerst fruchtbar für die aktuelle empirische psychotraumatologische Forschung erwiesen hat (z. B. Bryant & Chan, 2017).

      Diese selektive Auflistung einiger psychoanalytischer Beiträge, welche Verständnis und Behandlung von Traumafolgestörungen bis heute prägen, ließe sich beliebig fortsetzen. 130 Jahre lang entwickelten psychoanalytische ProtagonistInnen in engem und fruchtbarem Austausch mit VertreterInnen anderer Ausrichtungen die Psychotraumatologie, wie wir sie heute kennen. Nichts wäre also naheliegender, als anzunehmen, dass die Psychoanalyse eine geschätzte Stimme im Chor der aktuellen Psychotraumatologie ist. In scharfem Kontrast hierzu steht die weitgehend vollständige Marginalisierung des psychoanalytischen Beitrags durch die heutige Mainstream Psychotraumatologie. Neuere Ausabarbeitungen von Konstrukten, welche von PsychoanalytikerInnen entwickelt wurden, verzichten entweder vollständig auf Referenzierungen ihrer psychodynamisch orientierten Vorläufer, oder sie entkontextualisieren diese, so dass den jüngeren Generationen psychotraumatologischer ForscherInnen und KlinikerInnen eine Verbindung zur Psychoanalyse nicht mehr bekannt ist. Behandlungsrichtlinien sind auffallend bemüht, Ausdrücke wie psychodynamisch oder psychoanalytisch zu vermeiden (APA, 2017, Zugriff am 26.10.2018). An den großen Konferenzen der internationalen Fachgesellschaften finden sich bestenfalls vereinzelte psychodynamische Beiträge. Dass eine Gesellschaft wie die ISTSS heutzutage wie in ihrer Gründungszeit über eine Dekade hinweg mehrheitlich von psychoanalytischen PräsidentInnen geleitet würde, ist geradezu unvorstellbar geworden – ganz unabhängig davon, dass Schuldendominanz natürlich grundsätzlich als wenig wünschenswert einzuordnen ist.

      Anhand seiner Übersicht über die Geschichte des Störungskonzepts schlussfolgert Van der Kolk (2007, S. 19, eigene Übersetzung):

      »Die Disziplin der Psychiatrie hatte eine bewegte Geschichte mit der Vorstellung, dass die Realität die menschliche Psychologie und Biologie tief und nachhaltig verändern kann. Die Psychiatrie litt wiederholt unter ausgeprägten Amnesien, in welchen gut etabliertes Wissen plötzlich verloren ging, und der psychologische Effekt überwältigender Erfahrungen konstitutionellen oder intrapsychischen Faktoren allein zugeschrieben wurde. In Parallele zu den Intrusionen, der Verwirrung und dem Unglauben von Betroffenen, deren Leben urplötzlich von traumatischen Erfahrungen erschüttert werden, war die psychiatrische Disziplin wiederkehrend fasziniert vom Trauma, gefolgt von dickköpfigem Unglauben gegenüber der Relevanz der Geschichten unserer Patienten«.

      Eine vergleichbare Amnesie gegenüber dem psychoanalytischen Beitrag zu ihrer Entwicklung – ergänzt um das weitgehende Desinteresse aktuellen Beiträgen gegenüber – ist der heutigen Mainstream Psychotraumatologie zu attestieren. Nach Einschätzung von Küchenhoff (2004, S. 822–823) ist dieser Beitrag in mindestens vier Bereichen zu suchen:

      »1. Sie kann die Reaktionen der traumatisierten Person auf das Trauma in Abhängigkeit von der Lebenssituation und dem Alter als Schritte in seiner Verarbeitung kenntlich machen […]. 2. Sie kann aus den Verarbeitungsprozessen die Mittel für die psychotherapeutische und auch psychoanalytische Begleitung traumatisierter Menschen herausarbeiten. 3. Sie kann Beziehungserfahrungen vor dem Trauma und nach der Traumatisierung miteinander vergleichen und die Auswirkungen des Traumas auf die Beziehungsfähigkeit untersuchen. 4. Sie

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