Trauma. Lutz Wittmann

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Trauma - Lutz Wittmann

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dieser Stelle zu fordern ist, im Zuge einer Spezifizierung einer Traumadefinition zahlreichen belastenden Lebensereignissen und -bedingungen das Prädikat des Traumatischen vorenthalten, reduziert das in keiner Weiser die ihnen zustehende Relevanz für die Entwicklung von Persönlichkeit oder Psychopathologie. Ganz im Gegenteil könnte es eher darum gehen, die Bedeutung eines entkontextualisierten Traumabegriffs einzuschränken. So schreiben Fonagy und Bateman (2008, S. 14, eigene Übersetzung) in Bezug auf die Interaktion traumatischer Ereignisse und familiärer Lebensbedingungen von Kindern in der Entwicklung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen (BPS): »Wir nehmen an, dass die Wirkung des Traumas am besten als Teil eines generelleren Versagens der Berücksichtigung der Kindesperspektive durch Vernachlässigung, Zurückweisung, extreme Kontrolle, nichtunterstützende Beziehungsgestaltung, Inkohärenz und Verwirrung zu verstehen ist«. Die Erfahrung, nicht wahrgenommen, respektiert oder geliebt zu werden, mag dann einem potenziell traumatischen Ereignis erst zu seiner Wirkung verhelfen.

      Wie sich bereits aus den Abschnitt 1.1 einleitenden Zitaten angedeutet hat, lag der pathologische Kern des Traumas für Freud und Breuer (1895/1987) in einer Erinnerung, die sich der Abreaktion assoziierter Emotionen verschloss und deshalb nicht weiterverarbeitet werden konnte. Hierfür erkannten sie zwei mögliche Ursachen. Entweder entzog sich die Erinnerung mittels Verdrängung dem Bewusstsein, wohinter Eigenschaften des Ereignisses, soziale Umstände oder persönliche Motive stehen konnten. Oder das Ereignis erfolgte in einem hypnoid-dissoziativen Zustand und bleibt deshalb vom normalen Bewusstseinszustand abgespalten. In der Folge dieser Bedingungen kann die Erinnerungsspur nicht assoziativ verarbeitet werden. In Jenseits des Lustprinzips formuliert Freud (1920) sein Traumakonzept in psychoökonomischen Termini. Die mit traumatischen Ereignissen assoziierten großen Erregungsbeträge durchbrechen den Reizschutz des psychischen Apparates und zwingen ihm eine im schlimmsten Fall endlose Reihe von Wiederholungen im Versuch, sich der Energie durch Abreaktion oder Bindung zu erledigen, auf. Dieser Zustand ist eng mit dem Erleben von Hilflosigkeit und Angst verbunden. Friedrichs (1950) lehnt eine solch »physikalische Betrachtungsweise« bei »Annahme eines eindeutigen Kausalverhältnisses […] unter dem Aspekt des Energiehaushaltes ohne Rücksicht auf inhaltliche Bestimmungen und Sinnbezüge« (S. 819) ab. Für ihn gehört der »traumatische Charakter eines Erlebnisses […] der subjektiven Seite des Erlebens an; er wird nicht in seinem objektiven, ereignishaften Anteil begründet« (S. 822). Seither haben unzählige AutorInnen versucht, die Natur der traumatischen Erfahrung zu erfassen. An erster Stelle ist hier die seminale Darstellung der Entwicklung des psychoanalytischen Traumakonzepts von Bohleber (2000) anzuführen. Im Folgenden sollen zentrale Schnittmengen unterschiedlicher Beiträge herausgearbeitet werden.

      Aus welcher Eigenschaft beziehen traumatische Ereignisse ihr besonderes pathogenes Potenzial? Bereits Lorenzer (1966, S. 490) betrachtete »eine strukturelle – und d. h. bleibende – Veränderung des psychischen Apparates […] unter dem Druck des Traumas« als entscheidendes Kriterium. Als von Traumatisierungen betroffene strukturelle Dimensionen werden unter anderem Abwehrorganisation und Objektbeziehungsrepräsentanzen angeführt. In Ergänzung des für die akute traumatische Phase beschriebenen Zusammenbruchs der Abwehr nehmen zahlreiche AutorInnen spezifische – typischerweise unreife – Abwehrmechanismen als kennzeichnend für Traumafolgestörungen an (z. B. Fernando, 2012; Grubrich-Simitis, 1979; Lorenzer, 1965). Ein weiterer zentraler Ansatzpunkt der strukturzersetzenden Wirkung traumatischer Ereignisse sind aus psychoanalytischer Perspektive die Niederschläge insbesondere früher interaktioneller Erfahrungen. Unter diesen Erfahrungen bilden sich unser Selbstkonzept, unsere inneren Arbeitsmodelle in Bezug auf andere Menschen und das, was wir von ihnen zu erwarten haben, sowie resultierende Reaktionstendenzen heraus. Naturgemäß kommt der Interaktionen mit unseren zentralen Bezugspersonen eine besondere Rolle in diesem Prozess der Prägung unserer Persönlichkeit und der psychischen Strukturen, auf denen diese beruht, zu. Zahlreiche TheoretikerInnen haben diese Verhältnisse mit spezifischen Modellen abzubilden versucht. So spricht Kernberg (z. B. Clarkin, Yeomans & Kernberg, 2006) von inneren Objektbeziehungen, in welchen er die Bausteine unserer psychologischen Struktur erkennt. Diese bestehen aus einer Selbst- und einer Objektrepräsentation sowie einem beide verbindenden Affekt.

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