Trauma. Lutz Wittmann

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Trauma - Lutz Wittmann

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Ruettner, Siegel und Götzmann (2015, S. 718) zum psychischen Register des Realen: »Es ist das Unmögliche; das, was nicht imaginiert oder in die symbolische Ordnung integriert werden kann. Diese mangelnde Integrierbarkeit ist das traumatische Element des Realen«. Damit ist mit der mangelnden Integration ein definierendes Charakteristikum der Repräsentation des Traumas benannt. Küchenhoff (2004, S. 832–833) betont die Bedeutung der triangulären Struktur von Selbst, Objekt und Anderem für die symbolisierende Funktion:

      »Diese Differenz ist eine, die herausfordert, die Intentionalität begründet, Neugier oder Interesse. Sie begründet insbesondere die Sprache. Differenzerfahrung, darin sind sich die Analytiker, die mit der Entstehung des Symbolischen oder des Denkens befaßt gewesen sind, einig, ist die Bedingung der Möglichkeit von Repräsentation. Im Trauma geht der Andere verloren, damit auch die Differenz, und dieser Verlust des Anderen führt zu der Sprachlosigkeit, aus der die traumatisierten Menschen herauszuführen die Aufgabe jeder Psychotherapie ist und bleibt«.

      Wenn der Täter/die Täterin das Selbst »zu einer verfügbaren Sache degradiert (desobjektalisiert), zerstört er im Selbst den durch die Differenzerfahrung aufgespannten Möglichkeits- oder Phantasieraum« (S. 825). Aus Perspektive der französischen Mentalisierungsschule schreibt Varvin (2000, S. 902):

      »Diesem Verständnis zufolge ist das Trauma gerade aufgrund dieser Beschädigung der kulturellen und sozialen Verknüpfung, die durch die bezeichnend-bedeutende Vermittlung hergestellt wird, pathologisch; es handelt sich um eine Beschädigung, durch die der Umwandlungsprozeß von körperlicher Erregung in psychischen Inhalt sowie die weitere Reorganisierung der Ebenen psychischer Repräsentation abgekürzt ist«.

      In einem späteren Aufsatz zum Zusammenhang von Trauma und Migrationserfahrung (Varvin, 2016, S. 838-839) schreibt er weiter:

      »In der Regel entzieht sich eine extreme Traumatisierung (etwa durch Vergewaltigung oder Folter) der Sinnverarbeitung, während sie geschieht; die Situation lässt es nicht zu, dass sich eine innerpsychische dritte Position ausbildet, in der die Person zu dem, was geschieht und geschehen ist, eine reflektierende Distanz herzustellen vermag. Die für die Sinngebung so essenzielle innere Bezeugungsfunktion wird in solchen Extremsituationen (wie Folter und andere schwere Misshandlung) ausgehebelt, so dass das Individuum außerstande ist, die ihm zugefügten Grausamkeiten auch auf einer symbolischen Ebene wahrzunehmen. Wenn zudem die externale Bezeugungsfunktion ausfällt, die ein Containment der Qualen ermöglicht hätte, ist die traumatisierte Person auf sich selbst zurückgeworfen. Das führt oft dazu, dass die traumatisierenden Erfahrungen in der Psyche als fragmentierte Teilstücke verbleiben, die sich nur in körperlichem Schmerz, Dissoziationszuständen, Alpträumen und Beziehungsstörungen äußern können. Die traumatisierte Psyche versucht dann, Erfahrungen nach unbewussten Schemata oder Szenarien zu organisieren, die in Beziehung zu anderen und zur eigenen Person in verschiedenen mehr oder weniger verdeckten Formen zum Ausdruck kommen«.

      In Folge der Beschädigung der inneren Objektrepräsentanz beschreibt Laub (2000, S. 862): »Der Erfahrung der Überlebenden fehlen Struktur und Repräsentation – die Fähigkeit, sich und anderen die eigene Geschichte zu erzählen«.

      Aus semiotischer Perspektive wendet Chinen (1987) in einem bemerkenswerten Aufsatz ein Konzept symbolischer Modi in Objektbeziehungen auf die Repräsentationen traumatischer Ereignisse sowie Selbst- und Objektrepräsentationen bei zwei traumatisierten Patienten an. Für das Verhältnis von symbolischer Repräsentation (Symbol) und bezeichnetem Objekt oder Erfahrung (Referent) unterscheidet er vier Modi. Im Präsentationsmodus werden Symbol und Referent nicht unterschieden – das Verschmelzen von Vergangenheit und Gegenwart in dissoziativ-flashbackartigen Erfahrungen lässt sich demnach als eklatanter Symbolisierungsmangel beschreiben. Traumabezogene Affekte und Kognitionen (bspw. Rachephantasien) können aus Angst vor Realisierung nicht ausgedrückt werden, da sie nicht ausreichend von der Realität unterschieden werden. Im Modus der Universalität wird erstmals deutlich, dass das Symbol auf einen Referenten verweist, diese Beziehung geht jedoch mit einer Übergeneralisierung einher und erlaubt noch keine differenzierende Spezifizierung des Bezeichneten. Hier kann man beispielsweise an Aspekte von Selbst- oder Objektrepräsentationen denken (z. B. wahrgenommenes, eigenes Versagen während des traumatischen Ereignisses, welches von posttraumatischen Schuldgefühlen begleitet wird), die undifferenziert verallgemeinert werden. Im Suspensionsmodus ist die Trennung von Symbol und Bezeichnetem vervollständigt, was symbolische Operationen erlaubt, die jedoch als von der Realität strikt abgetrennt erlebt werden. Hier könnten etwa unterschiedliche Perspektiven auf das Ereignis und die damit zusammenhängenden Aspekte von Selbst- und Objektrepräsentanzen erstmals erkundet werden. Im Modus der Signifikation können dann flexible Assoziationen zwischen getrennten und klar spezifizierten Symbolen und Objekten gebildet werden – Wiedererinnern bedeutet nun nicht mehr Wiedererleben. Chinen betont, dass das Level der Symbolisierungs bereichsspezifisch unterschiedlich ausfallen kann und gerade »untolerierbares Material nie angemessen symbolisiert ist« (S. 399, eigene Übersetzung).

      Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass mit der beschriebenen Beschädigung (

Kap. 2.3.5) der inneren Welt der Objekte ein Nachgeben der Stützpfeiler unseres innerpsychischen Raumes und der an diesen gebundenen Symbolisierungsfunktion impliziert wird. Wie ein Computer eine Datei, deren Format er nicht kennt, nicht bearbeiten kann, sooft man auch auf »Datei öffnen« klickt, gelingt keine Übersetzung in ein sprachliches oder sonstiges bedeutungsgebendes Repräsentationssystem. Damit prallen wir immer wieder auf die ursprüngliche traumatische Erfahrung an sich, ohne die Distanzierung, Bearbeitung und Integration erlaubende Symbolisierung.

      Vom Ereignis zum sozialen Prozess

      Grünberg und Markert (2016, S. 429) stellen fest: »In der Psychoanalyse wird Trauma nicht nur als traumatisches Ereignis bzw. Geschehen verstanden, sondern in seinem Prozess-, Verarbeitungs- und vor allem in seinem Bedeutungszusammenhang betrachtet. Seine Bedeutung als Trauma kann sich unter Umständen auch erst im Nachhinein manifestieren.« Wie kein zweiter hat Keilson (2005) zum Verständnis des traumatischen Geschehens als nicht abschließbarem Prozess beigetragen. Auf Grundlage seiner wissenschaftlich begleiteten Arbeit mit jüdischen Kriegsweisen in den Niederlanden, deren Eltern während der Shoa umgebracht worden waren, formuliert er das Konzept der sequentiellen Traumatisierung. Dabei unterscheidet er drei Phasen im traumatischen Prozess. Die erste Phase erkennt er in mit der deutschen Besetzung der Niederlande beginnender Verfolgung und Terror gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Als zweite Phase konzeptualisiert er die akute direkte Verfolgung mit Erlebnissen wie Deportation in ein Konzentrationslager oder Aufenthalt in einem Versteck. In der Nachkriegszeit, in welcher der Frage der Vormundschaftszuweisung eine zentrale Rolle zukam, erkannte Keilson die dritte Phase. Wie Keilson nachweist, üben nicht nur die furchtbaren Erfahrungen während der akuten Verfolgung einen Einfluss auf die weitere psychosoziale Entwicklung der überlebenden Kinder aus. Im Gegenteil: »Kinder mit einer günstigen zweiten, aber einer ungünstigen dritten Sequenz zeigen ca. 25 Jahre später ein ungünstigeres Entwicklungsbild als Kinder mit einer ungünstigeren zweiten, aber einer günstigen dritten traumatischen Sequenz« (Keilson, 2005, S. 430). Die Theorie der sequentiellen Traumatisierung wurde von Becker (2007) präzisiert und auch auf den Kontext von durch sozialpolitische Traumatisierung erzwungener Migration erweitert. Ganz im Sinne dieser Position fasst Varvin (2018, S. 206, eigene Hervorhebung) zusammen:

      »Posttraumatische Prozesse sind abhängig vom Grad der Persönlichkeitsorganisation, von vorausgegangenen traumatisierenden Erfahrungen, von den zum Zeitpunkt der erlebten Gräuel gegebenen Umständen und – besonders bedeutsam – von der Art und Weise, wie im Anschluss an das Geschehen auf das Opfer eingegangen wurde […]«.

      Exkurs: Zum Begriff des kollektiven Traumas

      Die

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