Trauma. Lutz Wittmann

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Trauma - Lutz Wittmann

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style="font-size:15px;">      Im Rahmen ihrer Theorie der emotionalen Verarbeitung bauen Foa et al. (2007) auf Vorarbeiten früherer Modelle (Lang, 1979), welche die Wirkung assoziativer Gedächtnisnetzwerke für die PTBS-Symptome verantwortlich machen, auf. Unterschiedliche Netzwerkknoten repräsentieren hier Sinneseindrücke der traumatischen Situation, eigene emotionale und physiologische Reaktionen auf das Ereignis und dessen Bedeutung (z. B. Ausmaß der durch das Ereignis implizierten Bedrohung). Aufgrund der assoziativen Natur dieser Netzwerke reicht die Konfrontation mit einem beliebigen im Netzwerk repräsentierten Aspekt des Traumas, um alle drei Informationsarten gleichzeitig zu aktivieren, womit das Modell das posttraumatische Wiedererleben erklärt. Foa et al. (2007) ergänzen die der posttraumatischen Belastungsstörung zugrunde gelegten Furchtnetzwerke zusätzlich um kognitive Elemente wie Annahmen über das Bedrohungspotenzial einer Umgebung, vorbestehende Überzeugungen und negative Reaktionsbewertungen. So stellen etwa rigide positive Überzeugungen, die von einem traumatischen Ereignis zerstört oder rigide negative Überzeugungen, die bestätigt werden, einen Risikofaktor für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung dar. Die scheinbare Bestätigung einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung durch ein traumatisches Ereignis kann dann das Gefühl, in einer gefährlichen Welt nicht zurecht zu kommen, verstärken.

      Ein Modell, welches nicht auf Netzwerkvorstellungen vom Gedächtnis, sondern auf zwei unterschiedliche Repräsentationssysteme rekurriert, ist die duale Repräsentationstheorie (Brewin, Gregory, Lipton & Burgess, 2010). Ein mit dem Hippocampus assoziiertes kontextualisiertes Gedächtnissystem (K-Gedächtnis; contextual memory) speichert, kontrolliert und verbalisiert abrufbare Informationen, welche während des Ereignisses bewusst wahrgenommen wurden. Diese werden einschließlich des zeitlichen Kontexts des Ereignisses ins autobiografische Wissen integriert. Die Erinnerungsspuren sind dabei mit primären peritraumatischen und sekundären, aus nachträglichen Bewertungen resultierenden Emotionen verbunden. Auf der anderen Seite wird Sinnesinformation, welche im traumatischen Ereignis aufgrund von Aufmerksamkeitseinengung oder stressbedingter hippocampaler Dysfunktion nicht im K-Gedächtnis repräsentiert werden konnte, in einem mit sensorischen und interozeptiven Arealen assoziierten S-Gedächtnis (sensation-based memory) abgelegt. Die nicht verbale Encodierung dieser Information erschwert ihre Kommunikation und Integration in den autobiografischen Kontext. Ohne zeitliche Kontextualisierung resultiert ihre Aktivierung durch sinnesspezifische Hinweisreize in posttraumatischem Wiedererleben mit der dissoziativen Qualität einer Hier-und-Jetzt-Erfahrung (Flashback) und den dazugehörigen primären Emotionen. Der evolutionäre Sinn der Entwicklung eines solchen Systems besteht darin, auch unter traumatischen Bedingungen Informationen, welche für das zukünftige Überleben wichtig sind, abspeichern zu können. Die spezifischen Symptome des Wiedererlebens, der Vermeidung und der Übererregung werden nun aus einer starken Repräsentation der traumatischen Sinnesinformation im S-Gedächtnis ohne Integration mit einer korrespondierenden Repräsentation im K-Gedächtnis erklärt.

      Als drittes Beispiel sei das kognitive Modell der posttraumatischen Belastungsstörung von Ehlers und Clark (2000) angeführt. Die pathologische Verarbeitung der traumatischen Erfahrung ist daran zu erkennen, dass sie in einer fortdauernden Gefahrenerwartung resultiert. Zentral ist auch hier die Rolle negativer Bewertungen. Solche werden begünstigt, wenn im traumatischen Ereignis ein bis in die Identität hineinreichender Zustand des Kontrollverlusts, den Ehlers, Maercker und Boos (2000) als mentale Niederlage bezeichnen, erlebt wird. Die Ebene der Bedeutung des Ereignisses nimmt damit einen wichtigen Platz in der kognitiven Theorie ein. Dieser Bedeutungsbegriff bezieht sich dabei insbesondere auf katastrophisierende Interpretationen wie die Überzeugung, das traumatische Ereignis verdient zu haben, oder die Bewertung von Symptomen als Beweis, verrückt zu werden. Auch die spezifische Natur traumatischer Erinnerungsspuren wird vom kognitiven Modell berücksichtigt, wobei die Rolle von Verarbeitungsmechanismen betont wird, die in mangelnder Integration in den autobiografischen Kontext resultieren.

      Zusammenfassend und vereinfachend lässt sich festhalten, dass die von wesentlichen VertreterInnen der kognitiven Verhaltenstherapie der PTBS verwendeten Störungsmodelle zwei Aspekte betonen. Einerseits eine Abnormalität in der Enkodierung der traumatischen Gedächtnisinformation. Diese zeichnet sich insbesondere durch fehlende autobiografische Kontextualisierung und leichte Aktivierbarkeit durch traumatische Hinweisreize aus. Zweitens kommen prä-, peri- und posttraumatische Bedeutungs-, Überzeugungs- und Bewertungsprozesse in den Fokus. Diese gruppieren sich um Themenkomplexe wie die von Anderen und der Welt ausgehenden Gefahr oder negative Wahrnehmung des Selbst oder der eigenen Zukunft.

      2.3.1 Die psychoanalytische Begriffsinflation

      Die Beiträge der Psychoanalyse zum Traumakonzept erfolgten im Wesentlichen in den allgemein anerkannten Kategorien traumatischer Ereignisse – sexuelle und gewalttätige Übergriffe, kriegerische Ereignisse, Naturkatastrophen, Genozid und Konzentrationslagerhaft. Doch hat sich die Psychoanalyse bis zum heutigen Tage nicht von solchen kategorialen Grenzen davon abhalten lassen, eine ganz eigene Kreativität in die Verwendung des Traumabegriffs einzubringen. Diese sei im Folgenden angedeutet. Chronologisch an den Beginn dieser Übersicht gehört natürlich Otto Ranks Trauma der Geburt (Rank, 1924), an welches AutorInnen wie Heimann (1966) oder Crepaldi (2013) im Sinne der Vertreibung aus dem symbiotischen intrauterinen Paradies erinnern. Hieran wären die aus der psychoanalytischen Entwicklungs- und Triebtheorie hergeleiteten Traumata anzuschließen. Hier sind also das orale, anale und ödipale sowie das Kastrationstrauma (Stern, 1972, 1974) ebenso zu nennen wie Dahls (2018) Erinnerung an das Urszenentrauma. Als Beispiel dafür, was sich hinter einem dieser plakativen Begriffen – dem oralen Trauma – verbirgt, sei Sterns (1974, S. 498) Definition einer physiologisch-biotraumatischen Situation angeführt: »Ich habe den Zustand des vorübergehenden Versagens des homöostatischen Ausgleichs in dieser Phase als Biotrauma definiert«. Großer Beliebtheit erfreut sich der Terminus des narzisstischen Traumas. Der realitätsbedingte Verlust der kindlichen Allmachtsphantasien (Grunberger, 1958) oder der Verlust ungeteilter elterlicher Zuwendung im Geschwistertrauma (Mitchell, 2017) sind hier ebenso anzuführen wie »Kränkungs-, Versagens- und Verunsicherungserlebnisse« (Lang, 2017, S. 688). Schöne Beispiele für letztere finden sich bei Eissler (1966; »Die Enttäuschung, die er durch die Untreue des geliebten Mädchens erlitt, war für ihn traumatisch.« [S. 863]) oder Grunert (1977; »abruptes Abstillen, längeres Alleingelassenwerden, Spott der Geschwister und Erwachsenen etc.« [S. 1070]). Weimer, Nilsson-Schönnesson und Ulrich (1989) sprechen vom Trauma der HIV-Infektion, Pelzl (2013) vom traumatischen Verlust von Sprache und Heimat bei Migranten, Kennedy (2016) von der traumatischen Trennung der Eltern während der Adoleszenz. Während Balint (1966) mit Sandor Ferenczi die Gefahr einer Retraumatisierung durch psychoanalytische Abstinenz erkennt, räumt Dettbarn (2013, S. 657) ein, dass technische Schwierigkeiten bei EDV-Anwendungen »mit den dazugehörigen Gefühlen von Ohnmacht, Hilf- und Schutzlosigkeit« ein Trauma darstellen können. Unter Durchbrechung der Einschränkung des vorliegenden Kapitels auf den Bereich der Individualtrauma seien an dieser Stelle noch einige Stilblüten angeführt, welche kollektive Traumatisierungen der psychoanalytischen Bewegung beobachten. Young-Bruehl und Schwartz (2011) sprechen vom Trauma von Freuds Tod, Janus (2013, S. 63) erinnert an die »Abspaltung von Jung, die Balint einmal als das größte Trauma in der Geschichte der Psychoanalyse bezeichnet hat«, und Weimer (2017, S. 1143) spricht von einem »deutschen psychoanalytischen Trauma der Kollaboration mit den Nazis«. In diese Richtung – allerdings mit Bezug auf die Identität der deutschen Allgemeinbevölkerung – verwendet Richter (1986) den Begriff des Hitler-Traumas. Um den mit Erwähnung des Geburtstraumas begonnenen Lebenszyklus abzurunden, sei abschließend Fischers (1986, S. 548) Formulierung vom »Trauma, zum Tode geboren zu sein«, erwähnt. So können wir nur Danckwardt (2010, S. 411) zustimmen, wenn er in perfekter Übereinstimmung mit vielen anderen AutorInnen von einer »gegenwärtig herrschenden Inflation der Traumadiskussion« spricht.

      Die Gefahren einer solch inflationären Begriffsverwendung innerhalb der Psychoanalyse sind natürlich seit langem bekannt: »Es wird dem einzelnen Autor schwer, sich auf diesem Gebiet zurechtzufinden, und er steht in Gefahr, heute alles Trauma zu nennen, was in der einen oder

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