Milchbrüder, beide. Bernt Spiegel

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Milchbrüder, beide - Bernt Spiegel

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Sabine großspurig ‚eine neue Ära der Bogenreparatur, ja eine neue Ära im gesamten Bogenbau überhaupt‘ angekündigt. Aber diese Prahlereien waren vielleicht sogar günstig gewesen, insofern nämlich, als er sich durch den sanften Spott Bienchens gezwungen sah, alles daranzusetzen und sich festzubeißen, um die Sache doch noch zu einem guten Ende zu bringen.

      Er besprach sich als Erstes mit einem alten Schulfreund, der inzwischen als Werkzeugmacher in den Motorenwerken drüben auf dem Waldhof tätig war, von dem er ein paar Tipps erhielt und der dabei auf die Idee kam, ihm eine kleine Vorrichtung zu bauen, die das Bespannen, wie er meinte, enorm erleichtern würde. Dann begab er sich zum Geigenbauer und bat ihn, bei einer ‚Behaarung‘ einmal von Anfang bis Ende zuschauen zu dürfen. Es traf sich gut, dass der Geigenbauer ohnehin gerade vorhatte, einen Bogen frisch zu ‚behaaren‘, obwohl es Viktor dann arg irritierte, dass er dabei fast ununterbrochen fluchte und vor sich hinschimpfte. Sodann verkroch sich Viktor zu Hause in die Werkstatt der Garagenhalle, der früheren Remise, in der sich der alte Herkommer nur noch selten aufhielt, und arbeitete die halbe Nacht, bis er das komplizierte Verfahren Schritt für Schritt intus hatte.

      Schon bald konnte er in kürzester Zeit einen Bogen wieder herrichten, und von den fünf oder sechs Geigenbögen, die es im Hause Strauss gab, alles hochwertige Meisterbögen, von denen gewöhnlich aber nur einer oder höchstens zwei intakt gewesen waren, lagen von da an stets alle parat und höchstens einer war gerade einmal bei Viktor in Reparatur. Sabine frohlockte und ihr Vater, der ja auch einiges von Violinen verstand, freute sich über den tüchtigen Sohn seines alten Freundes Zabener. –

      Etwa um diese Zeit muss es auch gewesen sein, dass Strauss den Konsul, von dessen Krankheit er gehört hatte, ohne Ankündigung überraschend besucht hat.

      „Ich werde in Zukunft öfter einmal einfach nach dir schauen, Zabener“, sagte er schon im Hereinkommen, „wenn ich sehe, dass du zu Hause bist. Wir kennen uns gut genug, als dass du mir nicht sofort offen sagen würdest, wenn es dir gerade nicht passt.“

      Der Konsul, der sonst bei solchen Begrüßungen große Korrektheit an den Tag zu legen pflegte, blieb gemütlich sitzen und strich nur die Wolldecke glatt, in die er eingeschlagen war.

      „Ja, sieh da, der Herr Rat! Der Herr Rat persönlich schaut mal wieder bei mir rein!“, empfing er Strauss erfreut, „das ist aber recht! Komm, nehmet Se Platz, Herr Rat, hocket Se naa!“

      „Du hast ganz recht, Zabener“, lachte Strauss über den freundlichen Spott, „in der alten Badischen Justizverwaltung sind wir Anwälte mit ‚Herr Rat‘ angeredet worden, und manch alter Bürovorsteher hat das bis heute beibehalten.“

      „Ich werde noch die ganze Woche über zu Hause sein, ich hatte eine fürchterliche Bronchitis – Weißt du schon das Neueste? Herkommer ist unser neuer Blockwart! Sein Vorgänger ist wegen irgendeiner Sauerei geflogen, ich glaube, er sitzt sogar.“

      „Ist Herkommer denn nicht mehr dein Chauffeur in der Firma?“

      „Doch, natürlich. Blockwart ist keine hauptberufliche Tätigkeit. Ich meine sogar ehrenamtlich – ich weiß nicht.“

      „Was hat er da als Blockwart so alles zu tun?“

      „Oh, da gibt es manches, was die Partei interessiert. In erster Linie muss er halt die Leute in seinem Block betreuen, wie das heißt; aber das bedeutet in Wirklichkeit natürlich auch überwachen. Dann muss er die ständige Verbindung zwischen der Partei und seinen paar Parteigenossen aufrechterhalten, so es überhaupt welche gibt hier in seinem Block, und die Mitgliedsbeiträge für die Partei und für alle möglichen Organisationen einkassieren und auch die Haussammlungen durchführen, du weißt doch, für die NS-Volkswohlfahrt, für das Winterhilfswerk und für die NS-Kriegsopferversorgung und was es da so alles gibt. Eine Personenkartei soll er auch anlegen – er hat mir schon eine Musterkarte gezeigt, weil er etwas nicht verstanden hat. Meine Güte, du glaubst nicht, was da alles drauf verzeichnet werden soll! Im Grunde unerhört! Und dann soll er dafür sorgen, dass die Kundgebungen und die Feierstunden der Partei von möglichst vielen besucht werden und dass Stänkerer, Panikmacher und Gerüchteverbreiter – genau so hat er das aufgezählt – dass Stänkerer, Panikmacher und Gerüchteverbreiter gemeldet werden.“

      „Und was hat er davon?“

      „Er übernimmt Verantwortung, mein Lieber, und dafür erhält er Macht. Freilich nur ein bisschen Macht. Und damit auch nur einen sehr bescheidenen Einfluss, aber immerhin. Und vor allem, er findet Anerkennung bei seinen Parteibonzen und gewinnt Geltung in der Nachbarschaft. Das ist für ihn wahrscheinlich das Wichtigste. Alle wissen sie: Er gehört zum Apparat!“

      „Meinst du, er ist auch schon Parteimitglied?“

      „Ja, sicherlich. Doch das hat ihm nicht genügt, verstehst du, jetzt ist er ein Parteifunktionär. Ein Funktionär zwar nur auf der untersten Ebene, aber die darf man keinesfalls unterschätzen, diese unterste Ebene! Sie ist von allen Ebenen der Parteihierarchie bei weitem die größte, und über sie, nur über sie, steht die Partei an Tausenden von Punkten mit der Bevölkerung in direkter und ständiger Verbindung. Das ist enorm wichtig. Und Herkommer weiß um seine Wichtigkeit. Du solltest mal sehen, wie er sich aufspielt und dicke tut. Nicht bei mir natürlich, aber bei den Leuten hier in der Gegend. ‚Ich habe 54 Haushalte unter mir!‘, hat er vorgestern auf der Fahrt nach Karlsruhe geprahlt; hast du gehört, ‚unter mir‘ hat er gesagt, und das seien an die 200 Personen, also mehr als eine Kompanie! Außerdem, so hat er mir ganz vertraulich noch gesagt, hieße seine Position in Wirklichkeit, also offiziell, Blockleiter; Blockwart, das sei nur die Bezeichnung nach außen.“

      „Die bauen da ein Überwachungssystem auf, Zabener, schlimmer als in Russland!“, meinte Strauss nachdenklich.

      „Aber vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn man da jemanden von der anderen Seite an der Hand hat. Man erfährt dann doch so manches. Neulich hat er mich sogar vor einem seiner Spießgesellen gewarnt, der mich aushorchen sollte. Er ist mir absolut ergeben.“

      Strauss wiegte zweifelnd den Kopf.

      „Doch, doch! Auf ihn ist Verlass. Er weiß natürlich um meine manchmal doch recht kritische Einstellung, er schnappt sicherlich auch so dieses und jenes auf, aber er wird mich niemals denunzieren. Natürlich bin ich sicher, dass er hin und wieder über mich ausgefragt wird und da könnte er möglicherweise schon einmal in gewisse Loyalitätskonflikte geraten. Ich will es ihm nicht zu schwer machen und halte mich ihm gegenüber – oder sagen wir besser: in seiner Gegenwart – lieber etwas zurück. Ich muss beispielsweise ganz vorsichtig sein, wenn ich im Auto im Gespräch mit einem Vorstandskollegen irgendeine Information erwähne, an die ich über einen Auslandssender gekommen bin. Womöglich rutscht einem dann noch als Quelle Radio BBC heraus – das könnte seine Loyalität dann doch überbeanspruchen.“

      Strauss zweifelte immer noch: „Ich traue ihm einfach nicht ganz. Wenn ich daran denke, wie er vor Jahren bei dir seinen Dienst als Chauffeur angetreten hat. Ich war zwar nicht dabei, aber du hast mir das damals so anschaulich erzählt“, lachte Strauss, „und das hat mich so beeindruckt, dass ich mich noch heute daran erinnere, als sei ich dabei gewesen.“

      „Wieso, was war denn da?“

      „Er hätte bei der Begrüßung, als du ihm die Hand gegeben hast, kräftig die Hacken zusammengeschlagen, hast du erzählt, und sich gleichzeitig, mit dem Blick zum Boden, so tief verbeugt, wie es überhaupt nur möglich ist.“

      „Jaja, ich erinnere mich, das war schon auffällig! Er ist mir ja öfters mal allzu untertänig, der Bursche hat kein Selbstbewusstsein. Früher, im Krieg, war das besser.“

      „Kein Wunder – was war er gleich gewesen,

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