Der sanfte Wille. Georg Kühlewind

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Der sanfte Wille - Georg Kühlewind

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kann schon auf den Anfang des Erkenntnisweges hilfreich zurückwirken. Jegliche Übung ist eigentlich nur durch den sanften Willen ausführbar, und es ist gut, das zu wissen, auch wenn man diesen Willen am Anfang noch nicht voll einsetzen kann: Er glänzt im Laufe des Übungsweges auf.

      Was man «Körpererfahrung» nennt, entpuppte sich als die Erfahrung, das Empfinden einer Empfindungshülle, die den Körper «umgibt» – man kann das Nicht-Räumliche kaum anders als durch räumliche Bilder darstellen. Zugleich erwies sich der Sinn von «Körperübungen» – zum Beispiel auf das Atmen zu achten – als das Herausfordern, Ins-Bewusstsein-Bringen des Subjekts, das die Übungen macht und sie beobachtet, erfährt und das in keinem Fall der Körper oder die Empfindung ist: Letztere sind Objekte, die das Subjekt erfährt. Den Dienst, auf das Subjekt hinzuweisen, könnte allerdings jedes Objekt tun; im Alltag jedoch werden die Objekte größtenteils ihrer Nützlichkeit nach gesehen, verstanden und gewertet, sodass das Subjekt «vergessen» wird, da es «unwichtig» ist. In den Übungen werden die Objekte ohne Bezug auf ihre Nützlichkeitsverwendung gewählt, sie erhalten die ursprüngliche Funktion aller Objekte, nämlich: auf das wahre Subjekt zu verweisen.

      Der sanfte Wille ist frei von dem Mich-Fühlen, im Gegensatz zu den Tätigkeiten des harten Willens, der durch die Hülle der Egoität, meistens durch den Tastsinn, wirkt1 und gerade dadurch in jedem Sinne an Effektivität verliert, abgedämpft ist.

      Der erwünschte oder ideale Stil der alltäglichen Aktivitäten wird in den verhältnismäßig kurzen Zeitspannen des Übens vorbereitet. Gelangt man in den Übungen zu Erfahrungen, so werden sich die in den kurzen Übungszeiten erreichten Ergebnisse nach und nach auch auf den Alltag ausdehnen. Dieser wird heute in unserer Zivilisation durch das Prinzip der Nützlichkeit und damit durch den harten Willen der Egoität regiert. Dadurch ist die Welt schon an den Rand einer Katastrophe manövriert worden, was auch immer Technokraten darüber denken oder sagen mögen. Ich sehe nur dann eine Hoffnung, den Untergang zu vermeiden, wenn sich die Mentalität ändert, das heißt wenn wir den harten Willen in den sanften verwandeln. Das wäre die Metanoesis, das «Ändert den Sinn» Johannes des Täufers, die neue Sinngebung des menschlichen Daseins.

       Praktische Hinweise für den Leser

      Dieses Buch ist, wie schon manches vorangegangene, nicht leicht zu lesen; sein voller «Inhalt» entwickelt sich nur im Tun, durch das Tun des Lesers, durch dessen eigene Besinnung und Meditation. Im Text sind «Besinnungen» und «Besinnungen / Meditationen» zu finden. Erstere sind Gedanken, die man durch Denken vertieft, fortsetzt, weiterdenkt, zweitere sind Meditationstexte, die man auch besinnen kann und sollte, bevor man sie meditiert. Diese Prozesse sind im Kapitel «Meditation» (S. 88) und in mehreren meiner vorangegangenen Bücher beschrieben. Ihrer aller Ziel ist es, dem Lesenden dazu zu verhelfen, über das Alltagsdenken – Vergangenheitsdenken, dialektische Denken, diskursive Denken – hinaus für kurze Zeiten auf eine höhere Ebene des Denkens und der Erkenntnis zu gelangen. Alles Wissen davon, alles vermeintliche Verstehen geistiger Forschungsergebnisse durch das Alltagsdenken ist in meinen Augen eher Hindernis, Ballastanhäufung. Leider.

Budapest, September 1999 Georg Kühlewind

      Erster Auftakt

      Wir leben in einer Welt der Bedeutungen, während wir doch überzeugt sind, in einer Welt der Dinge zu leben. Aber jedes Ding hat Bedeutung – man sage mir ein Ding, das ohne Bedeutung wäre. Sobald wir es nennen können, ist es schon nicht mehr ohne Bedeutung. Zunächst erfassen wir die Bedeutung durch das Denken, wir versuchen es. Auch schaffen wir manchmal neue Bedeutungen.

      Wir wissen aber nicht, wie wir denken.

      Nur das schon Gedachte wird uns bewusst.

      Für das Kleinkind, für archaische Menschen, für einzelne engelartige Menschen,2 wie den heiligen Thomas von Aquin, besteht die Wirklichkeit aus und in den Bedeutungen. Diese gehen in der menschlichen und nach der Tradition in der göttlichen Praxis den einzelnen Dingen voraus: Erst ist die Idee des Dinges da, dann das Ding, erst die Bedeutung, dann das Zeichen. Das gilt auch für die Gedanken, sofern sie im Zeichen erscheinen.

      Die Bedeutungen sind stofflos. Die Zeichen bestehen aus konfigurierter Stofflichkeit, wie Luftwellen, Tinte, körperliche Gebärden. Daher geht Verstehen auch stofflos vor sich, stofflose Bedeutung kann nicht durch stoffliche Vorgänge «verstanden» werden. Auch der Verstehende in uns ist stofflos.

      Stoffliche Zeichen werden zu stofflosen Bedeutungen gelesen. Denken, Gedanken, Denkender sind unstofflich.

      Das erste Ziel wäre, das Denken zu erfahren. Denn das denkende Wesen selbst, durch das die Bedeutungen geschaffen, verstanden werden, bleibt zunächst verborgen.

      Es ist an der Zeit, das Licht, das alles sichtbar macht, das Bedeutungslicht, das Licht des Wortes in Erfahrung zu bringen.

      I.

      Vom Gedanken zum Denken

       Gedanken über das Denken

      Wir wissen ebenso wenig, wie wir denken, wie wir beim Sprechen eine Bewusstheit über die Tätigkeit der Sprachorgane haben. Was uns bewusst wird, ist der fertig-gedachte Gedanke, das Wie seines Zustandekommens ist uns verborgen. Das kann zweierlei Gründe haben. Wir sind im Prozess des Denkens nicht bewusst – das wäre schon Grund genug, über sein Wie im Dunkeln zu bleiben. Der andere Grund könnte sein, dass wir im Denken so aufgehen, so identisch mit dem Prozess sind, dass keine beobachtende Instanz übrig bleibt.

      Besinnung 1: Wir wachen im Bewusstsein auf, wenn das Denken schon vorbei und in Stillstand ist: im Gedachten.

      Die Logik als Wissenschaft versucht die Gesetze, das Wie des Denkens zu formulieren – im Nachhinein. Wir denken schon logisch, ohne Logik studiert zu haben, so wie wir die Muttersprache auch ohne grammatische Kenntnisse richtig zu sprechen imstande sind. Außerdem, eben deshalb, bezieht sich die Logik auf die schon ohne sie erschienenen logischen Formen, Denkbewegungen, jedenfalls auf ein begriffliches Denken, ähnlich wie die Grammatik auf die schon gesprochene Sprache. Daher kann die Logik nie endgültig oder fertig sein: Denn der Mensch kann immer neue logische Wendungen hervorbringen.

      Besinnung 2: Erst ist logisches Denken da, dann Logik als Lehre. Erst ist die Sprache da, dann ihre explizite Grammatik.

      Dass es das Denken als Prozess gibt, ist eine Folgerung aus dem Umstand, dass das Gedachte zunimmt und wechselt. Das können wir einsehen, weil wir über die Fähigkeit des Reflektierens verfügen, nämlich unsere Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit des Denkens – des Bewusstseins überhaupt – lenken können. Diese Fähigkeit ist uns ohne persönliche Arbeit, eigenes Bestreben oder Lernen gegeben. Wir schauen auf das Vergangene, schon erstarrte Denken aus der Gegenwart. Sie selbst erleben wir gewöhnlich nie, obwohl wir aus ihr auf die Vergangenheit und die Zukunft schauen. Indem wir auf diese schauen, heben wir sie in die Gegenwart – für einen homöopathisch kurzen Augenblick. Wir werden sie aber nur gewahr, wenn sie – auch die Bilder der Zukunft – wieder aus der Gegenwart, aus dem Denk- und Vorstellungsprozess ausgeschieden sind und als Gewordenes vor dem inneren Blick stehen, für eine Aufmerksamkeit, die aus der Gegenwart schaut.

      Besinnung

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