Der Tod in der Salzwiese. Sibyl Quinke

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Der Tod in der Salzwiese - Sibyl Quinke Krimi

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Pfad durch die nasse Vegetation und erreichte Lilli mit Jens.

      Jens hatte inzwischen wieder sein Leben zurückgewonnen und versuchte aufzustehen. Obwohl … seine Knie waren immer noch weich, und so war er froh, dass Lilli ihm erneut deutlich zu verstehen gab, er solle besser sitzen bleiben. Bresniak schaute beide neugierig an und fragte dann: »Wo ist das Corpus Delicti, das hier so für Aufregung sorgt?«

      Lilli brachte Bresniak auf den neusten Stand der Ereignisse. Daraufhin näherte er sich dem Ast oder dem Arm, was immer es denn war, was zwischen den Salzpflanzen herausragte.

      »Vorsicht!«, warnte Jens, »testen Sie den Untergrund erst, bevor Sie Ihre Schritte machen! Sonst stehen Sie gleich bis zu den Knien im Salzschlamm!«

      Die Warnung kam zu spät. Die scheinbar stabile Oberfläche, die die verdickten und verholzten Ausläufer von Strandflieder oder Meerstrandbinse gebildet hatten, hielten keinen 90-Kilo-Mann, und schon war Bresniak bis zu dem Knien zwischen Wattschlamm und Sedimente gerutscht.

      »Scheiße«, fluchte er, zog sein Bein heraus, musste aber seinen Schuh verloren geben, »was für ein Tag. Ich dachte wirklich, ich hätte hier Urlaub.« Unbeschuht, zumindest was seinen rechten Fuß anging, bewegte er sich nun vorsichtig zu diesem merkwürdigen Fund. Nein, Lilli hatte nicht übertrieben, wenn sie von einem Arm gesprochen hatte. Es war tatsächlich ein menschlicher Arm, mit Hand. Bresniak war ein erfahrener Kriminalhauptkommissar und arbeitete schon lange in der Mordkommission, doch so etwas hatte er bisher nicht gesehen. Er schaute sich diesen Fund erst einmal an. Die Haut hatte angefangen, sich abzulösen, wie er es bei Wasserleichen gesehen hatte. Außerdem erkannte er Fraßspuren. Offensichtlich hatten schon ein paar Fische daran geknabbert. Er griff nach diesem Leichenteil. Der Fundort selbst, das gab das Ambiente her, war kaum der Tatort und kaum der Ort, wo der Täter den Arm abgelegt hatte. Den musste der Sturm gestern Nacht an das Ufer getrieben haben. Normalerweise hätte sich Bresniak wieder entfernt. Aber bei diesem unzugänglichen Gelände unterdrückte er sein Ekelgefühl, zog sein Oberteil und Unterhemd aus, um Letzteres dazu zu benutzen, nach dem Arm zu greifen und diesen aus dem Salzwiesengestrüpp herauszuziehen, und brachte es zu den beiden Wartenden. Jens und Lilli schauten ihn nur mit großen Augen an.

      »Und jetzt?«, fragte Jens zaghaft. »Was mache ich jetzt damit?«

      Jens fühlte sich für den Fund verantwortlich. Schließlich war es sein Terrain, um das er sich pflichtbewusst kümmerte. Er war der Chef des Nationalpark-Hauses, und es gehörte zu seinen Aufgaben nicht nur, Touristen und andere Interessierte über das UNESCO-Weltnaturerbe zu informieren, er musste alles tun, damit die Natur keinen Schaden nahm.

      »Nichts für ungut. Sie müssen nur wieder Farbe in Ihr Gesicht bekommen und sich für polizeiliche Ermittlungen bereithalten. Alle, die heute Morgen hier waren, kommen als Täter nicht infrage, dafür ist die Leiche, besser das Leichenteil, nicht frisch genug«, ergänzte Bresniak sarkastisch. Während dieser Erklärung fingerte er sein Handy aus der Hosentasche und rief Polizeikommissar Weine an. Er gab einen knappen Bericht und forderte ihn auf, die Informationen zum Festland weiterzugeben und eine Plastiktüte nebst Kühlbox mit Kühlelementen zu besorgen, damit der Arm für einen Transport in die Rechtsmedizin vorbereitet werden konnte. Bresniak stellte sich darauf ein, länger warten zu müssen. Der Kollege vor Ort hatte auf ihn nicht den schnellsten Eindruck gemacht. Zu Jens und Lilli gewandt, ermunterte er sie, nach Hause zu gehen, sie könnten hier weiter nichts ausrichten.

      Jens folgte dieser Aufforderung gerne; dieser Morgen hatte genug Aufregung gebracht. Lilli allerdings blieb bei ihrem Freund:

      »Charly, ich lasse dich hier nicht alleine hocken.«

      Wider Erwarten tauchte Weine rasch auf, mit Kühlbox und Kühlelementen. Er hatte die Feuerwehr informiert, die ihn mit einem der wenigen Fahrzeuge, die sich auf der Insel befanden, hergefahren hatte.

      »Danke, Kollege! Ich darf Kollege sagen, wenn wir auch ganz andere Aufgabenbereiche zu bearbeiten haben?«

      Bresniak schwieg und Weine nahm sein Schweigen als Zustimmung.

      »Ich fahre gleich zum Flugplatz. Aus Wittmund schicken sie den Kollegen Puschkin, der die Untersuchung leiten soll. Der ist angekündigt. Sie halten sich für eine Befragung zur Verfügung?«

      Bresniak grinste über den formellen Ton: »Wohin sollte ich weglaufen? Die heutige Fähre hat schon abgelegt. Ich könnte nur noch zum Festland schwimmen.«

      Weine schaute ihn hilflos an. Solch einen Leichenfund, genauer Fund eines Leichenteils, hatte er noch nicht erlebt. Es sprengte alles, was er in seinem beruflichen Dasein bisher erlebt hatte, er fühlte sich überfordert und konnte der Ironie Bresniaks nicht folgen. Linkisch packte der Polizeikommissar den Arm in die Tüte. Es wollte nicht so richtig klappen. Der Arm war glitschig und alles andere als appetitlich. Er tat Bresniak leid. So half er ihm und ergänzte, die Rede von vorhin wieder aufnehmend: »Villa Charlotte bin ich untergebracht. Da erreichen Sie mich.«

      »Ach, bei der Inka«, kommentierte er tonlos.

      Die Kühlbox war gefüllt. Weine fuhr mit ihr zur Polizeistation, und Bresniak, den linken Fuß beschuht, den rechten nur mit einem Socken bestückt, machte sich mit Lilli – ohne Fahrrad – auf den Weg in ihr Hotel.

      Die letzten Akkorde aus Franz Léhars Die lustige Witwe: Lippen schweigen, ’s flüstern Geigen: Hab mich lieb! … verklangen. Das ungarische Kurorchester verbeugte sich und nahm seinen verdienten Applaus entgegen. Die Zuhörer, viele grauhaarig, erhoben sich, manche schwerfällig und nur mithilfe eines Stockes oder einer Begleitung, um sich in Richtung ihres Hotels zu begeben. Daneben junge Eltern, die ihren Sprösslingen hinterherliefen, um sie einzufangen. Auch Lilli und Bresniak hatten den Musikern gelauscht.

      »Das hat meine Oma immer gesummt, und dabei ganz verklärte Augen bekommen, wenn sie dem Plattenspieler lauschte. Ich mit meinen sechs oder sieben Jahren und in Lederhose habe mich damals gefragt, was die nur hat, dass die so komisch guckt.«

      »Bei diesem Gassenhauer hat Oma vielleicht ihren ersten Kuss gekriegt.«

      »Wie du das sagst, so sachlich, ohne jede Romantik.«

      »Na, ich bin halt aus einer anderen Zeit. Selbst die Beatles und Janis Joplin gehören vor meine Zeit. Obwohl, ich höre beide immer mal wieder.«

      »Jetzt mach’ mich nicht älter, als ich bin. Ich glaube, ich brauche ein kleines Pils.« Damit wandte er sich ab. Lilli folgte ihm, und an der Ecke des Kurplatzes fanden sie direkt den Weg in die Spelunke. Der rote Backsteinbau nahm zwei Straßenzeilen ein, das Untergeschoss weiß gekalkt. Ein paar Fahrräder standen vor den verblendeten Fenstern und versprachen bereits Besucher. Drei Stufen führten zu der geöffneten Tür hinunter und luden die Gäste ein. Raucherkneipe, kein Eintritt unter 18 Jahren und keine Speisen wies ein Schild an der Tür die Besonderheit der hiesigen Kneipen aus: Hier durften sich die Wirte unter bestimmten Bedingungen Raucherkneipe nennen; hier durfte wie früher geraucht werden, und die Anwesenden mussten sich nicht mit ihren Zigaretten vor der Tür treffen. Lilli und Bresniak stiegen die drei Stunden hinab und betraten die schummerige Bar, Lilli vorneweg. Sie zog sofort alle Blicke auf sich. Es geschah nicht oft, dass eine so grazile Frau mit feenhaften Bewegungen und mit einer Ausstrahlung, die Sonne mitbrachte, in die Kneipe stolperte.

      Kaum wurden die Männer gewahr, dass ihr ein Begleiter folgte, machte sich auf ihren glänzenden Augen Enttäuschung breit. Die Bar, einer Seemannskneipe nachempfunden, trug zu Recht den Namen Spelunke. Der Raum war ein schmaler Schlauch. Auf der einen Seite ein langer Tresen, dessen Bierzapfhahn zwischen dem dunklen Holz kaum hervortrat und ab und zu zischte. Vor dem dunklen Holz standen fest montierte Bänke

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