Das Medaillon. Gina Mayer

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Das Medaillon - Gina Mayer

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tiefer zog als den linken. »Gehen Sie nicht. Jedenfalls nicht meinetwegen.«

      »Setzen Sie sich und trinken Sie ein Glas Bier mit uns«, meinte auch Dr. Kuhn und warf Rosalie einen schnellen Blick zu, der sie ärgerte. Sie ging dennoch in die Küche, holte noch einen Krug und stellte ihn dem Apotheker hin, der sich inzwischen aufs Sofa gesetzt hatte, ein wenig abseits von den beiden anderen Herren, auf den Platz, auf dem sie selbst für gewöhnlich saß. Er nickte kurz, als sie ihm Bier einschenkte.

      »Ich habe heute ein Schreiben erhalten von Pieper aus Mettmann«, sagte Fuhlrott.

      »Der Steinbruch-Pieper?«, fragte Kuhn. »Was hat er denn diesmal?«

      »Wieder Knochen. Er schreibt von den Resten des Bären, auf die er gestoßen sein will.«

      »Das wäre in der Tat phänomenal, wenn er dir zu dem Zahn jetzt das Gerippe nachlieferte.«

      »Phänomenal, aber nicht sehr wahrscheinlich. Der Bärenzahn wurde bereits vor Monaten gefunden, inzwischen wird an einer ganz anderen Stelle abgebaut. Sollte es sich also wirklich um denselben Bären handeln, so müssten dem Tier zuerst die Zähne aus dem Maul gefallen sein, bevor es sich dazu entschließen konnte, sich zum Sterben niederzulassen.«

      Kuhn lachte und prostete dann Minter zu, der seinen Krug hob und zaghaft zurückprostete.

      »Dr. Fuhlrott betreibt Untersuchungen an altertümlichen Gebeinen und Gestein«, erklärte Rosalie, die sich neben den Apotheker gesetzt hatte, nachdem sie den Korb mit der zerschlissenen Wäsche hinter dem Sofa hervorgeholt hatte.

      »Interessieren Sie sich für die Erdgeschichte?«, fragte Fuhlrott. Seine Stimme klang mit einem Mal streng. Schulmeisterlich, dachte Rosalie und bemerkte, dass sich Minter neben ihr unwillkürlich ein Stück aufrichtete.

      »Sicher«, sagte er und fuhr dann schnell mit der Unterlippe über die Oberlippe, als wollte er einen unsichtbaren Bierrest weglecken. »Ich habe mich ein wenig damit beschäftigt, gleichwohl sind meine Kenntnisse mangelhaft ...«

      »Da geht es Ihnen nicht viel anders als uns«, unterbrach ihn Fuhlrott, »und dem Rest der Wissenschaft. Alles, was weiter als die 1 850 Jahre zurückliegt, die unsere lächerliche Zeitrechnung umfasst, verschwimmt in einem Nebel des Unwissens, und je weiter man sich zurückbewegt, umso dichter wird er. Hier und da stoßen wir auf ein paar Knochenreste, den Abdruck von Weichtieren und Pflanzen im Gestein und ziehen daraus unsere Schlüsse auf Gottes Schöpfung.«

      »Gerade deshalb ist es beachtlich, welche umfassende Erkenntnis die Forscher aus dem Wenigen gewinnen«, sagte Minter. »Ich habe in Nürnberg die Rekonstruktion eines Mammutschädels aus der Vorzeit gesehen, er wirkte so ganz und gar lebendig, erschreckend wirklich.«

      »Ja, es waren furchterregende Geschöpfe, die damals die hiesigen Wälder bewohnten, ob Mammut oder Höhlenbär oder Auerochse, riesig in ihren Ausmaßen und unvorstellbar in ihrer Kraft«, pflichtete Kuhn ihm bei.

      »Und dennoch haben sie ihren Platz auf der Erde geräumt für Nachfolger, die weit kleiner, weit schwächer sind«, meinte Fuhlrott. »Der Braunbär ist ein Zwerg im Vergleich zu seinem Vorfahr, der Elefant in seiner Größe ein Winzling neben dem Mammut ...«

      »... ganz zu schweigen von den braven Ochsen, die uns heutzutage die Pflüge über die Felder ziehen«, fiel Kuhn ihm ins Wort.

      Rosalie schob ihre Stopfnadel durch die Fäden, die sie quer über das Loch im Strumpf gespannt hatte, einmal darüber, einmal darunter.

      »Wie kommt das?«, fragte Minter neben ihr und sprach damit aus, was sie soeben gedacht hatte. »Warum werden die Wesen kleiner und schwächer?«

      »Man vermutet, dass die urzeitlichen Arten durch immer wiederkehrende Naturkatastrophen ausgerottet worden sind, durch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Fluten, wie in der Bibel beschrieben«, sagte Fuhlrott.

      »Und dann haben sich neue Arten gebildet? Sozusagen aus dem Nichts?«, fragte Minter. Rosalie warf ihm einen Blick zu. Er wirkte jetzt nicht mehr verunsichert, sein Oberkörper war leicht nach vorn gebeugt und seine Augen schmal vor Neugierde.

      »Das ist meine Meinung«, nickte Fuhlrott. »Alte Arten wurden vernichtet, neue Arten von Gott geschaffen.«

      Minter ließ seinen Oberkörper wieder gegen die Sofalehne sinken und stieß dabei Luft durch die Nase.

      »Sind Sie anderer Ansicht?«, fragte ihn Fuhlrott sofort.

      Der Apotheker zuckte mit den Schultern. »Ich finde jene Theorie überzeugender, die besagt, dass sich alle Lebewesen, die Tiere, aber auch die Pflanzen, mit den Jahrtausenden stetig verändert haben. Sie sind gewachsen, geschrumpft, wie es die Umstände, die Lebensverhältnisse erfordert haben.«

      »Aber was sollte sie dazu gebracht haben, sich zu verändern?«, mischte Kuhn sich nun wieder ein.

      Minter lächelte. »Nehmen wir einmal an, Sie schließen morgen Ihre Praxis zu und gehen in den Wald und werden Holzfäller.«

      »Das wäre ein mühseliges Brot«, erwiderte der Arzt.

      »Richtig. Weshalb?«

      »Ich bin die körperliche Anstrengung nicht gewohnt.«

      »Was also würde geschehen?«

      Kuhn zuckte mit den Achseln. »Worauf wollen Sie hinaus? Ich würde schnell ermüden und früher oder später elendig verhungern ...«

      «... oder aber Sie gewöhnen sich an die Arbeit, Sie werden mit einem jeden Tag stärker und kräftiger und bilden Muskeln aus. Sie verändern sich.«

      »Aber Auerochse, Mammut und Bär sind nicht größer geworden, sondern kleiner.«

      »Vielleicht wurde die Nahrung knapper und sie sind nach und nach zusammengemagert. Was immer es war, die veränderten Lebensumstände haben sie dazu gebracht, sich zu entwickeln.«

      »Und diese Veränderung wird weitergegeben von einer Generation zur anderen?«, fragte Kuhn skeptisch. »Zeugt ein Holzfäller automatisch auch einen kraftstrotzenden Sohn?«

      Fuhlrott zog seine Pfeife und einen Tabakbeutel heraus und begann sie langsam zu stopfen, der Apotheker holte eine flache Blechdose aus der Tasche, klappte sie auf und nahm eine Zigarette heraus. Rosalie vernähte ihren Faden und biss ihn ab.

      »Chevalier de Lamarck sagt, dass Fähigkeiten und Kenntnisse von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden, so beide Elternteile darüber verfügen«, sagte Minter, während er sich die Zigarette zwischen die Lippen klemmte.

      Kuhn zuckte mit den Schultern, er schien nicht überzeugt.

      »Aber wann ist dieser Prozess der Veränderung Ihrer Meinung nach abgeschlossen?«, fragte Fuhlrott, wobei er mit einem Mundwinkel lächelte, während der andere nach unten wies. »Wann haben die Arten und Rassen, die Pflanzen und Tiere und auch wir Menschen ihre vollkommene Form erreicht?«

      »Nie«, sagte Minter. Er zog an seiner Zigarette und stieß dann weißen Rauch aus, durch den Mund und durch die Nasenlöcher. »Dieser Prozess ist niemals abgeschlossen. Alles geht immer weiter.«

      Jeden Morgen um neun sah Rosalie ihre Freundin Dorothea Leder. Sie trafen sich an der Pumpe am Königsplatz, der genau in der Mitte zwischen ihren Häusern lag. Dann hatten sie zehn Minuten Zeit

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