Das Ende des Laufstegs. Martin Willi

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Das Ende des Laufstegs - Martin Willi

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zum reinbeissen», sagte mal ein Jugendfreund von ihr. Ich finde, das ist immer noch so – ganz ohne Zweifel. Zufrieden mit ihrem Hinterteil setzte sie sich wieder auf das Ledersofa, das wohl auch nicht mehr das Neueste war. Mit einem schwarzen Kugelschreiber, den sie nach einigem Suchen auf dem Tisch unter all den Zeitschriften fand, begann sie das Formular auszufüllen. Das heisst, zunächst ass sie wirklich eine Praline, eine mit Marzipan. Schokolade mit Marzipan, da konnte sie ganz einfach nicht widerstehen. Genüsslich liess sie die Praline in ihrem Mund zergehen. Die meisten der Fragen waren so ziemlich banal oder belanglos, weshalb sie auch schneller vorankam, als sie zunächst angenommen hatte. Was die alles von mir wissen wollen, das gibt’s doch nicht, das ist doch alles völlig idiotisches Zeug. Gerade als Sabrina bei der letzten Frage angelangt war, öffnete sich die Türe und Nicole kam mit einem Mann herein, der Sabrina auf Anhieb unsympathisch war. Kudi Roggenmoser war etwa 50 Jahre alt, hatte lange lockige Haare, die ihm bis über die Schultern reichten und Sabrina ziemlich fettig erschienen. Sein knochig markantes Gesicht mit grauen Augen war mit einem etwa Zehntagebart bedeckt. Was Sabrina jedoch ganz besonders störte, war der unangenehme Geruch, der von diesem Kudi ausging. Ein Duft von stinkigem Schweiss, den der Fotograf offensichtlich versuchte, mit einem süsslichen Parfüm zu überdecken. Sabrina atmete tief durch, schluckte zweimal leer. Nicole jedoch lächelte ihr wohl süssestes und herzlichstes Lächeln: «Darf ich dir unseren Fotografen, Kudi Roggenmoser, vorstellen? Er ist ein wahrer Meister seines Faches, wie du schon bald selbst feststellen wirst.»

      «Freut mich», mehr vermochte Sabrina wirklich nicht auf Nicoles Worte zu antworten. Sie musste aufpassen, dass ihr beim Anblick von Kudi nicht übel wurde, dermassen abstossend wirkte er auf sie.

      «Hey du», sagte Kudi bloss und stellte sich kurz ans Fenster. Er zog den Vorhang beiseite und spähte hinaus. Wenige Sekunden schaute er aus dem Fenster, dabei rülpste er dreimal laut auf und zog dann den grünen dunklen Vorhang wieder zu. Dann drehte er sich mit einer schnellen Drehung um und ging zielstrebig auf Sabrina zu. Mit Adlerblicken schaute er sie an. Wie zwei scharfe Dolche bohrten sich seine Augen in den Körper von Sabrina. Keinen Zentimeter schien er bei seiner Begutachtung auszulassen. Sabrina fühlte sich so, als würde eine schmierige Hand ihrem Körper entlanggleiten, besonders lange hielt sich die Hand an ihren Brüsten und zwischen ihren Beinen auf. «Zuerst etwas Vitamine», meinte der Fotograf nun und griff in seine rechte Hosentasche. Von dort holte er ein Pillenröhrchen hervor und griff darauf in seine linke Westentasche. Daraus nahm er einen Flachmann und schnell schluckte er etwa fünf Tabletten, so meinte es Sabrina zumindest gesehen zu haben. «Willst du auch? Das macht dich so richtig schön locker und frei.» Kudi streckte Sabrina schelmisch lächelnd das Pillenröhrchen entgegen.

      «Nein, danke.»

      «Ach, sei doch nicht so zurückhaltend, nur ein paar. Es wird dir schon nicht schaden.»

      «Nein, wirklich nicht.», sagte sie mit Bestimmtheit.

      «Wie du willst. Also komm schon Baby, zeig mir was du draufhast.» Kudi ergriff seinen Fotoapparat und begann wie in Ekstase zu knipsen, während Nicole dem angehenden Fotomodell Anweisungen gab, wie sie sich zu verhalten hatte. Sabrina stellte sich zunächst etwas unbeholfen, beinahe schon hölzern an, doch Nicole sagte dann: «Sei einfach du selbst. Stell dir vor, du bist so richtig megascharf auf Kudi und du willst ihn ficken. Mach ihn an! Heiss soll es ihm in seiner Hose werden! Sein Ding soll anschwellen zu einem Giganten!»

      Bei dem Gedanken mit Kudi intim zu werden, hätte sich Sabrina am liebsten erbrochen, doch sie versuchte sich einfach einen anderen Mann vorzustellen. Und siehe da, je länger das Fotoshooting dauerte, umso selbstbewusster präsentierte sie sich dem Fotografen.

      Im Nebenraum sass Pedro Alvare vor einem Bildschirm und schaute sich die Szene mit wachsendem Interesse an. Alvare war ein gebürtiger Uruguayer, doch er lebte nun schon seit rund fünfundzwanzig Jahren in der Schweiz. Seine Arme und sein nackter Oberkörper offenbarten viele Tätowierungen und seine langen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ohja, dachte er sich, das ist eine scharfe Braut, und seine Hände glitten langsam zwischen die eigenen Beine. Langsam knöpfte er sich den Knopf seiner Jeans auf und zog den Reissverschluss hinunter. Er spreizte die Beine und seine Hände spielten mit seiner vor Geilheit strotzenden Mannespracht.

      «Okay Baby, das wird schon was», sagte Kudi Roggenmoser. «Fahr mit deinen Händen durchs Haar, so ist es gut, ja … Knöpf deine Bluse auf, ja das ist toll … Dreh dich um, zeig mir deinen geilen Arsch … Törn mich an du kleines Luder … Und jetzt zieh den BH aus und zeig mir deine scharfen Titten.»

      Von Minute zu Minute wurde Sabrina hemmungsloser, beinahe schon in Ekstase folgte sie den Worten des Fotografen, die wie von weit her zu ihr ins Ohr schwebten wie eine sanfte, wogende, immer wieder kommende Welle des Ozeans.

      Aus dem Nebenraum war derweil ein leises wohliges stöhnen von Pedro Alvare zu hören. Es war das stöhnen eines Mannes, der sich mit Wollust seinem sexuellen Höhepunkt näherte. Das stöhnen wurde immer lauter, bis sich Pedro schliesslich entladen konnte.

      4 (Dienstag, 23. April 2013)

      Penetrant, aggressiv und unaufhörlich klingelte um 06.30 Uhr der dunkelblaue Funkwecker. Mit ihrer rechten Hand stellte Petra Neuhaus den störenden überlauten Ton ab. «Mistding!» Ihre Hände fassten als nächstes an ihre Stirn, schon wieder Kopfschmerzen, diese verdammten pochenden Kopfschmerzen, täglich, stündlich, immer und immer wieder. Schon als junges Mädchen litt sie darunter, jetzt mit beinahe vierzig Jahren waren die Schmerzen längst zur chronischen Plage geworden. Seit über zwanzig Jahren war sie deswegen immer wieder in ärztlicher Behandlung. Was sie schon alles versucht hatte: Akupunktur, Fussreflexzonenmassage, Biofeedback, Hypnosetherapie, Progressive Relaxation, Autogene Entspannung, Medikamentenentzug, Raucherentwöhnung, HNC (human neuro cybrainetics), Osteopathie, Ernährungsberatung, Magnesium und Vitamin B Kur, Lach-Yoga, Baunscheidt-Therapie … Die Liste der unzähligen Versuche ihre Kopfschmerzen zu besiegen, schien ihr unendlich lange zu sein. Chronische Spannungskopfschmerzen hat ihr Neurologe Dr. Emanuel Wohlers diagnostiziert, dazu ist in den letzten Jahren noch eine chronische Migräne hinzugekommen. Langsam bewegte sie ihren Kopf auf dem Kopfkissen hin und her, irgendwann bringt mich mein Kopf noch um! Die weisse Rose auf dem nackten Po – ihre Gedanken wanderten zur jungen toten Frau, die letzte Nacht aufgefunden wurde. Nach nur knapp zwei Stunden Schlaf holte sie der Alltag bereits wieder ein, unbarmherzig und gnadenlos. Sie schlug ihre von der Müdigkeit gereizten Augen auf, das Licht empfand sie als störend und doch wusste sie, dass sie aufstehen musste, da gab es kein Zurück. Noch etwas unbeweglich kroch sie aus ihrem, für eine Person eigentlich viel zu grossen Bett. Sie trug nur einen eng geschnittenen schwarzen Slip und ein T-Shirt. Beides zog sie aus und warf es wütend auf das Bett, das sie beinahe verfehlte, «Scheissmorgen», sagte sie sich. Mit noch ziemlich schweren Beinen ging sie schleppend ins Bad. Ich bin viel zu müde um aufzustehen, oh, einmal einen ganzen Tag im Bett bleiben. Erst mal duschen, einen starken Kaffee trinken und ein paar Schmerztabletten runterschlucken. Dann wird die Welt gleich wieder viel besser aussehen. Zwei Minuten nach acht Uhr schritt die Kriminalkommissarin die Stufen hinauf in ihr Büro in Aarau. Sie hatte bereits zwei verschiedene Schmerzmittel und ein Antidepressivum geschluckt. Wie die chronischen Kopfschmerzen waren auch die Depressionen zu einem festen Bestandteil ihres täglichen Lebens geworden. Doch davon wussten ihre Kollegen und Kolleginnen nichts. Sie konnte es sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen. Eine Frau in ihrer Position musste stets stark und unverletzlich erscheinen, wie ein Fels in der wilden tobenden Brandung eines reissenden Wasserfalls. Dabei war sie doch gar nicht so widerstandsfähig und stabil beschaffen, wie sie in der Öffentlichkeit stets den Anschein machte. Eigentlich sehnte sie sich sehr danach, einen Mann an ihrer Seite zu haben, dem sie alle ihre Schwächen zeigen durfte. Doch Männer sahen in ihr immer nur die unantastbare, starke Emanze, was sie doch gar nicht war, nicht mehr, nicht mehr sein wollte. Seit Jahren hatte sie keine dauerhafte Beziehung mehr. Seit damals, seit Ulrich Zumsteg sie verliess, das war nun schon acht Jahre

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