Toni der Hüttenwirt 253 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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»Weil seine Mutter ein paar sehr diskrete Andeutungen gemacht hat. Wahrscheinlich hat Karsten über den Hochzeitstermin mit seinen Eltern gesprochen. Aber sie würden nie etwas Genaues verlauten lassen. Dazu sind sie Karsten gegenüber zu loyal.«
»Es wird ja auch langsam Zeit, ihr lebt ja schon so lange zusammen, Sandra. Leg ihn an die Kette, damit er dir sicher ist!«
»Das ist doch Unsinn, Laura. Ich bin mir ganz sicher und er auch. Wir haben uns lange Zeit gelassen und sind erst mal zusammengezogen. Wie sagte man früher? Nach den Flitterwochen kommen die Gewitterwochen. Das ist verständlich, wenn zwei zusammenziehen, jeder hat seine Gewohnheiten.«
»Du meinst, die Sache mit der Zahnpasta-Tube und Ähnlichem?«
»Ja, das hat keine große Bedeutung. Wir haben uns in allen Punkten arrangiert. Es läuft sehr gut, reibungslos. Jedenfalls sehe ich der Heirat voller Zuversicht entgegen«, strahlte Sandra. »Ich liebe ihn, und er liebt mich. Es wird perfekt. An Karsten gefällt mir, dass er nie versucht hat, mir die Rolle des treusorgenden Eheweibchens überzustülpen. Jeder macht seine Sache, und wenn ich mal für ihn etwas übernehmen soll, dann bittet er mich darum. Aber das tut er nicht, weil es für ihn bequemer ist, sondern aus zeitlichen Gründen. Wenn er das Büro verlässt haben viele Läden schon zu. Ich habe jeden Nachmittag frei. Also bringe ich seine Anzüge in die Reinigung und gehe für ihn zum Schuster. Aber das ist auch schon alles. Für das Grobe haben wir eine Putzfrau. Ansonsten machen wir viel zusammen, kochen, einkaufen gehen, eben die ganz normalen Sachen, die in einem Haushalt anfallen.«
»Es sei dir gegönnt, liebe Sandra.«
Sandra schaute auf die Uhr. »Ich muss noch ins Fitnesscenter. Willst du nicht mitkommen?«
»Das geht nicht. Mein Liebster hat Karten fürs Konzert besorgt. Aber ich kann dich nach Sachsenhausen fahren«, bot Laura an.
»Quatsch, ich nehme ein Taxi.«
Laura holte Sandras Kleider aus dem Trockner. Sandra sortierte die Sachen in ihre Einkaufstaschen zurück. Gebäck und einige andere Lebensmittel hatte der Regen durchweicht. Sie warf sie bei Laura in den Müll.
»Ich Dussel«, schimpfte Sandra laut vor sich hin. »Karstens Anzug habe ich total vergessen. Ich wollte ihn in die Reinigung bringen. Nun ja, dann mache ich das morgen. Es ist nicht so eilig. Oder ich mache es später auf dem Weg zum Sportstudio. Anschließend gehe ich noch kurz bei meinen Eltern vorbei.«
Sandra zog sich an.
Laura rief ihr ein Taxi und brachte die Freundin vor die Haustür.
Die Freundinnen umarmten sich herzlich. Sandra stieg ein und fuhr ab. Laura sah ihr nach.
*
Das Taxi hielt vor der altehrwürdigen Villa in Sachsenhausen. Sandra zahlte und gab ein gutes Trinkgeld. Der Taxifahrer trug ihr die Einkaufstaschen zum Eingangsportal.
Drinnen nahm Sandra noch einmal eine warme Dusche und zog frische Sachen an. Die Autowerkstatt rief an und teilte mit, dass sie den Wagen am nächsten Vormittag abholen könne.
Nach einem kleinen Imbiss machte sich Sandra auf den Weg ins Sportstudio, das, nicht weit entfernt, im Hintergebäude einer Seitenstraße lag. Unterwegs kam sie an einer Reinigung vorbei. Sie hatte dort noch nie Anzüge und Pullover von Thorsten abgegeben.
»Also hören Sie, das ist ein Maßanzug und ich erwarte, dass er tiptop gereinigt wird. Ich wünsche, dass er von Hand gebügelt wird. Den Aufpreis übernehme ich gern.«
Die ältere Dame verzog keine Mine. Sie breitete den Anzug mit der Weste aus und versah jedes Kleidungsstück mit einer kleinen Papiermarke.
Sandra zahlte.
»Morgen Mittag ist der Anzug fertig«, sagte die Dame hinter der Ladentheke. Dann raffte sie den Anzug zusammen. Sandra war schon auf dem Weg zur Tür.
»Hallo, junge Frau, da ist etwas in der Tasche«, rief sie ihr hinterher. »Es ist immer dasselbe, die Kunden kontrollieren die Taschen nicht.«
Sandra blieb in der offenen Tür stehen. Die Frau kontrollierte alle Taschen.
»Sehen Sie!«, rief sie. »Haben Sie die Brosche noch nicht vermisst?«
»Oh … oh … die Brosche … mmm«, stotterte Sandra und wurde tiefrot. Ihr war, als setze ihr Herz einige Schläge aus.
Schnell nahm sie die Brosche und stürmte aus dem Laden.
Wie in Trance hastete Sandra die Straße entlang. In der Hosentasche hatte sie ihre Faust um die Brosche geschlossen. Sie brannte wie Feuer. Sie erinnerte sich genau. Es war an Karstens Geburtstag gewesen, als Sandra die Brosche an Heikes Jacke entdeckt hatte. Es war ein schönes, ausgefallenes Stück. Sandra hatte Heike darauf angesprochen. Sie hatte bestätigt, dass es ein Einzelstück sei, angefertigt von Simon Klein, dem Juwelier, der in Frankfurt gerade sehr angesagt war. Sandra kannte ihn. Karsten hatte ihr Ohrringe und ein Armband, sowie einen Anhänger anfertigen lassen. Der Schmuckdesigner war teuer. Doch jede Frau konnte sicher sein, dass es ihr Schmuckstück kein ein zweites Mal gab.
In Sandras Kopf drehte sich alles. Thorsten – Heike, Heike – Thorsten hämmerte es in ihrem Kopf. Laura hatte vorhin auch Anspielungen gemacht. Spielte Heike in Thorstens Leben doch eine Rolle, die über das Berufliche hinausging? Heike konnte die Brosche verloren haben. Aber wie kam sie in die Uhrentasche von Karstens Weste? Thorsten trug keine Taschenuhr. Sandra wusste, dass er die feinen Heftstiche nie auftrennte, welche die Tasche verschlossen, da er sie nicht benötigte. Hatte er die Brosche gefunden? Warum hat er sie dann in die Uhrentasche gesteckt? Warum hat er sie Heike nicht sofort zurückgegeben? Er musste die Brosche durch die schmale Öffnung neben den Heftfäden geschoben haben. Außerdem konnte sich Sandra nicht vorstellen, dass Heike die wertvolle Brosche im Büro trug. Auffallenden Schmuck im Büro zu tragen, war verpönt.
Zweifel ergriffen ihr Herz. Wie in einem Film erinnerte sie sich plötzlich an viele Kleinigkeiten, die ihr schon längst hätten verdächtig vorkommen müssen. Das waren die langen Überstunden, die immer häufiger wurden, oder Karsten fuhr spät am Abend noch einmal ins Büro.
Er hat eine Affäre mit Heike. Diese Erkenntnis brannte sich tief in Sandras Bewusstsein ein. Wie in Trance hastete sie weiter. Dabei nahm sie ihre Umgebung nicht wahr.
Plötzlich sah sie einen Schatten auf sich zukommen, dann knallte sie an etwas.
»Autsch!«, rief sie.
Ihre Schulter schmerzte. Sie rieb sich die Schulter. Sandra war an einen Laternenpfahl geknallt. Sie hastete weiter und stieß gleich mit einem Passanten zusammen. Mit beiden Händen hielt sie sich an ihm fest und riss ihn mit zu Boden.
»Ganz schön stürmisch, junge Frau!«, drang eine Stimme in ihr Bewusstsein, die weich, warm und tief klang.
Sandra sah auf und errötete.
»Tut mir leid, dass ich Sie umgerissen habe«, sagt sie verlegen.
»Es ist nichts passiert. Ich habe auch nicht aufgepasst. Es ist nichts geschehen, wirklich.«
Der Mann stand auf und sammelte Obst ein, das ihm heruntergefallen war.
Sandra blieb einfach sitzen. Sie zog die Beine an. Ihre Hose hatte ein Loch und ihre