Animus. Astrid Schwikardi

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Animus - Astrid Schwikardi Köln-Krimi

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Kollegen zu beruhigen. Zeitgleich beobachtete er die Kollegen von der Spurensicherung, die im Licht der aufgestellten Scheinwerfer den Strand nach möglichen Beweisen absuchten.

      Obwohl Mark gebürtiger Kölner war und nie woanders gelebt hatte, kam er meist im Sommer hierher. Das letzte Mal vor einigen Jahren zum Summerjam Reggae-Festival, zu dem ihn seine Ex-Freundin Larissa mitgenommen hatte. Damals war der gesamte Strandabschnitt mit Zelten und grölenden Fans überfüllt, und er mit Larissa noch glücklich gewesen. Nachdenklich schaute er zu der Stelle, an der Larissa und er gestanden und Arm in Arm nach den Klängen der Musik getanzt hatten. Niemals wäre ihm in dem Augenblick in den Sinn gekommen, dass das mit Larissa und ihm einmal so enden würde. Betrogen hatte sie ihn. Eiskalt und ohne mit der Wimper zu zucken. Mit seinem damaligen besten Freund. Womit sie mit einer einzigen Nacht sechs Jahre Beziehung das Klo runtergespült hatte. Mark schluckte. Zweimal waren ihm die beiden noch über den Weg gelaufen. Das erste Mal am Tag der Gerichtsverhandlung, bei der er sich um Kopf und Kragen reden musste, um einer drohenden Bewährungsstrafe zu entgehen, nachdem Mark seinem Widersacher durch einen Schlag ins Gesicht den Unterkiefer gebrochen hatte. Das zweite und letzte Mal hatte er die beiden im Supermarkt gesehen, als er an einer Kasse gestanden hatte. Seitdem hatte er nie wieder etwas von Larissa gehört. Genauso plötzlich und unvorhergesehen wie sie in sein Leben getreten war, war sie nach dem letztendlich klärenden Streit mit Sack und Pack ausgezogen. Niemals zuvor hatte er eine Frau so geliebt wie Larissa, und nie zuvor war er so verletzt worden wie von ihr.

      Er atmete tief durch und setzte sich in Bewegung. Langsam stapfte er durch den aufgeweichten Sand und folgte Stefan. Peter Eiser hingegen blieb bei Walter Gries, um die aufgebrachten Passanten zu beruhigen.

      Die Leiche der toten Frau lag auf dem Sandstreifen, auf Höhe des Seepavillons, mit dem Gesicht nach oben. Schon von Weitem erkannte Mark den fortgeschrittenen Verwesungsprozess. Die Haut der Toten war aufgedunsen, schimmerte grünlich, und ihr Gesicht wirkte merkwürdig entstellt.

      Er betrachtete die leblose Hülle und beobachtete den Rechtsmediziner Dr. Karsten Mallow, der die Tote gerade inspizierte.

      Bei seiner Körpergröße von zwei Metern hatte der schlaksige Mallow sichtlich Mühe, seine Beine in eine bequeme Position zu bringen.

      „Hallo Karsten. Seit wann seid ihr hier?“, fragte Mark verwundert und schaute auf die Armbanduhr. Der glatzköpfige Rechtsmediziner, der es seit vielen Jahren vorzog, das wenige Haar, das ihm geblieben war, abzurasieren, lächelte freundlich. „Seit einer halben Stunde, schätze ich. Aber ich habe eben erst angefangen, weil Staatsanwältin Reinhold so viel wissen wollte.“

      „Maja?“, fragte Mark und ertappte sich dabei, wie ein Lächeln über sein Gesicht huschte.

      Mallow nickte kaum wahrnehmbar und beugte sich zur Leiche.

      „Kannst du schon was sagen?“, kam Mark zur Sache.

      „Kommt drauf an. Die Dame packen wir auf jeden Fall jetzt ein. Was ich euch aber sagen kann, ist, dass sie nicht im See ertrunken ist.“

      „Nicht? Also wurde sie hier nur entsorgt?“

      „Exactamente. Ich schätze mal, dass sie hier irgendwo in den See geworfen wurde. Vermutlich von einer Brücke. Das geht am schnellsten“, erklärte der Rechtsmediziner und betrachtete die tote Frau. „Aber eine klassische Wasserleiche ist unsere Dame nicht. Die hatte schon lange Zeit, bevor sie ins Wasser geworfen wurde, das Zeitliche gesegnet.“

      „Woran siehst du das?“

      „Ganz einfach. So weit wie der Verwesungsprozess vorangeschritten ist, hätte sich auf ihrer Haut schon längst ein Algenrasen bilden müssen. Und wie du siehst. Niente.“

      „Was schätzt du, wie lange sie schon tot ist?“, hakte Stefan nach.

      „Schwer zu sagen. Schaut mal hier.“ Mallow deutete zum Bauch der Toten und setzte hinterher: „In der Unterleibregion werden die ersten Veränderungen auf Grund der einsetzenden Fäulnis sichtbar. Grünliche Verfärbungen, die durch den Abbau des roten Blutfarbstoffes entstehen. Unter der Bauchwand befindet sich der Dickdarm, von dort breiten sich Darmbakterien besonders schnell aus. Und je weiter die Fäulnis voranschreitet, desto mehr weitet sich die Grünverfärbung auf die gesamte Körperoberfläche aus. Seht ihr das hier?“

      Mallow tippte mit der Pinzette auf ihren Unterarm.

      „Diese dunklen Verästelungen sind Blutadern. Wir sagen auch Durchschlagen des Venennetzes dazu. Und wenn ihr hier mal schaut …“ Mallow bewegte die Pinzette zu den Gesichtsöffnungen. „Wenn aus Mund und Nase bräunliche Flüssigkeit austritt, dann ist das kein Blut, sondern Fäulnisflüssigkeit. Und nach einer angemessenen Zeit bilden sich auf der Haut Blasen, die mit Flüssigkeit gefüllt sind und einreißen können. Die Verwesung ist sehr weit vorangeschritten. Wäre sie ertrunken, hätte ich auf knapp zwei Wochen getippt. Aber die Sache hat einen entscheidenden Haken.“

      „Der Algenrasen“, sagte Stefan.

      „Exactamente. Algen besiedeln eine Wasserleiche Pi mal Daumen nach drei bis vier Tagen, aber wie wir bereits festgestellt haben …“

      „… sind da weit und breit keine Algen“, beendete Mark den Satz.

      Mallow nickte. „Und noch etwas ist interessant: Angenommen sie wurde tatsächlich ermordet, und darauf deuten allein schon die Würgemale an ihrem Hals hin, dann war ihrem Mörder egal, ob sein Opfer schnell gefunden wird oder nicht.“

      Mark warf Stefan einen erstaunten Blick zu.

      „Woher weißt du das denn?“

      „Ein Mörder, der will, dass sein Opfer so lange wie möglich unentdeckt bleibt, befestigt einen schweren Gegenstand an der Leiche. Damit verhindert er, dass sie durch die Fäulnisgase an die Wasseroberfläche getrieben wird. Konkret bedeutet das: Wirft man eine stark verweste Leiche ins Wasser, muss man auf jeden Fall einen schweren Gegenstand an ihr befestigen, damit sie überhaupt untergeht.“

      „Was glaubst du, weshalb ihr Mörder so vorgegangen ist?“

      Karsten Mallow schnalzte mit der Zunge.

      „Schwer zu sagen. Vielleicht Zeitnot. Oder vielleicht wusste es der Mörder nicht besser. Aber das glaube ich nicht. Ich vermute schlicht und ergreifend Gleichgültigkeit“, mutmaßte Mallow, der jetzt mit der Pinzette eine Haarsträhne anhob.

      „Herr Birkholz. Herr Rauhaus. Schön, dass Sie sich auch mal blicken lassen. Und Karsten, kommst du voran?“, durchbrach die tiefe Stimme von Thomas Dahlmann ihr Gespräch.

      Der Leiter des Kriminalkommissariats KK11 und die Polizeibeamtin Barbara Roth überquerten den Sandstreifen und kamen geradewegs auf sie zu. Ein Windstoß wirbelte Dahlmanns graue Haare durcheinander und spielte mit seiner Stoffhose, wodurch sich seine dürren Beine abzeichneten. Erst letztes Jahr noch hatte sich unter seinem Hemd ein unübersehbarer Bauchansatz gezeigt. Seine Haare waren weitaus dunkler gewesen. Was hatte seinen Chef im letzten Jahr so altern lassen? Mark wusste keine Antwort, und er ertappte sich bei dem Gedanken, ob ein Zusammenhang bestand zwischen Dahlmanns beschleunigtem physischen Verfall und dem Telefongespräch, das Stefan belauscht hatte. Mark nickte seiner verhassten Kollegin Barbara Roth zu. Es kostete ihn Überwindung, obwohl er nicht sagen kannte, was genau ihn an ihr störte. Vielleicht war es ihr blonder Pagenkopf, der an den ausgefransten Haarschnitt einer Barbie-Puppe erinnerte, nachdem ein Mädchen die Haare mit einer Schere bearbeitet hatte.

      „Na Mark, heute die Elektrozahnbürste mit einem Kamm verwechselt?“,

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