Animus. Astrid Schwikardi

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Animus - Astrid Schwikardi Köln-Krimi

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„Und die Augen deines Friseurs werden wohl auch immer schlechter.“

      „Du bist ja so witzig, Mark. Und so originell“, erwiderte sie überspitzt freundlich.

      Kommentarlos wandte er sich dem Rechtsmediziner und seinem Chef zu. „Das Opfer ist an einem anderen Ort ermordet worden. Im See ist sie nur entsorgt worden“, hörte er Mallow sagen, während Dahlmann die Frauenleiche betrachtete.

      „Wie lang lag sie ungefähr im Wasser?“, wollte sein Chef wissen.

      „Grob geschätzt? Keine zwölf Stunden.“

      Dahlmanns Augen weiteten sich und irritiert starrte er auf die Blasen und die Verfärbungen der Leiche. „Die muss doch gewaltig gestunken haben.“

      Mallow stand auf und trat neben Dahlmann. „Davon kannst du ausgehen. Die hat einige Zeit vor sich hingedümpelt, um es mal so zu sagen. Aber wenn du dir mal ihre Hände anschaust, da sieht man, dass diese typische Waschhaut kaum vorhanden ist“, sagte Mallow, während er die Pinzette in seinen Alukoffer zurücklegte und ihn zuklappte.

      Zwei Bestatter näherten sich und verfrachteten die Leiche der Frau in einen Leichensack.

      Mark nutzte den Moment der allgemeinen Aufbruchstimmung und verabschiedete sich von seinen Kollegen. Er überquerte den Strand und sah ein letztes Mal zum See. In der Ferne erkannte er Karsten Mallow, der sich gestikulierend mit Dahlmann unterhielt. Neben dem Rechtsmediziner stand Stefan, der seine Arme vor der Brust verschränkt hatte, zustimmend nickte und sich danach Barbara Roth zuwandte. Mark drängte sich an den Passanten vorbei und hörte, wie Walter energisch auf die Leute einredete, doch er verstand nur Wortfetzen.

      Er ließ den Strand hinter sich, schlenderte den schmalen Fußgängerweg hinauf und erreichte die Überdachung einer Eventlocation. Durch die Fensterscheiben erkannte er leere Stühle vor den festlich geschmückten Tischreihen. Er hielt sich rechts und passierte eine Tauchschule, vor deren Eingang ein Taucher in Lebensgröße stand. Danach durchquerte er das offenstehende Tor, durch das er schon auf dem Hinweg gegangen war, und schritt über den mit Laub bedeckten asphaltierten Weg. Hinter den Absperrpollern bog er in den Stallagsbergweg ein, wo er seinen Wagen auf dem Parkplatz der Paintballanlage geparkt hatte. Er schloss die Fahrertür auf und setzte sich hinters Lenkrad, doch augenblicklich jagte ein stechender Schmerz durch seine Schulter. Er stöhnte auf und schnellte mit schmerzverzerrtem Gesicht nach vorn. Doch das Brennen in seiner Schulter ließ nur langsam nach. Je nach Wetterlage machte sich seine Verletzung bemerkbar, die er sich bei einem Schusswechsel eingefangen hatte. Wobei der körperliche Schmerz zu ertragen war. Im Gegensatz zu dem Seelenschmerz, den er empfand, wenn er an seine tote Schwester Patricia dachte. Fast zweieinhalb Jahre war es her, dass sie Patti neben einem Waldweg gefunden hatten. Ermordet. Von einer menschlichen Bestie, von der seitdem jede Spur fehlte. Die grausamen Bilder vom Tatort, die sich in Marks Kopf unlöschbar eingebrannt hatten, tauchten vor seinem geistigen Auge auf, und es kam ihm vor, als wäre seitdem kein Tag vergangen. Davor hatte er sich am meisten gefürchtet. Dass die Bilder nie verblassen und die Wunden erneut aufreißen würden, sobald wieder eine junge Frau ermordet worden war.

      Den Abend zuvor hatte der 1. FC Köln gegen Schalke mit einem erfolgreichen 2:0 den Klassenerhalt geschafft. Schon während des Spiels hatten sie ausgiebig gefeiert. Die Quittung dafür hatte Mark prompt am nächsten Morgen kassiert. Kopfschmerzen vom allerfeinsten, aber ansonsten war seine Laune ungetrübt, bis am späten Vormittag Walter angerufen und sie über einen Leichenfund unterrichtet hatte. Angeblich hatte ein Bürger in der Nacht aus dem angrenzenden Wald Schreie gehört und ein Gewaltverbrechen befürchtet.

      Am Tag darauf war seine Vermutung zur traurigen Gewissheit geworden, nachdem ein Reiter eine tote Frau in der Nähe eines Wanderweges gefunden hatte.

      Zu dem Zeitpunkt hatte Mark noch nicht geahnt, wie gravierend sich die nachfolgenden Stunden auf sein weiteres Leben auswirken sollten. Unmittelbar nach Walters Anruf hatten sich Mark und Stefan auf den Weg zum Tatort gemacht. Noch heute klang der Song von Iron Maiden, den Stefan auf der Hinfahrt lautstark mitgesungen hatte, in Marks Ohren. Die Luft im Fahrzeuginneren war stickig gewesen. Er hatte die Klimaanlage aufgedreht und gleichzeitig das Radio lauter gestellt, um Stefans schiefes Gepfeife nicht hören zu müssen. Danach hatte er eine halb volle Coladose geleert und gefragt: „Wo müssen wir überhaupt hin?“

      Noch heute erinnerte er sich an Stefans Gesichtsausdruck, mit dem er ihn angesehen hatte.

      „Ich dachte, du wüsstest …“

      „Weiß ich auch. Die nächste Straße links. Irgendwo da vorn müsste es sein“, hatte er selbstgefällig geantwortet.

      Keine Minute darauf hatten sie an einem Straßenrand geparkt. Walter Gries war ihnen winkend entgegengeeilt und hatte gewartet, bis sie ausgestiegen waren.

      „Wo wart ihr denn so lange, Jungs? Kommt beeilt euch. Die Frau ist übel zugerichtet.“

      Schlagartig war Marks gute Laune verflogen, und sein Magen hatte sich verkrampft. Dasselbe Problem hatte er bei Obduktionen. Eine Schwäche, die er versuchte, vor anderen zu verbergen. Nur dem Rechtsmediziner Dr. Karsten Mallow hatte er sich anvertraut, und der besorgte ihm seitdem regelmäßig Kreislauftropfen.

      Sie hatten sich auf den Weg zum Leichenfundort gemacht. Die gesamte Zeit hatten sie sich angeschwiegen, bis sie schließlich einen Abhang erreichten, vor dem sich weitere Kollegen versammelt hatten. Die Leute von der Spurensicherung hatten bereits ein Zelt aufgebaut, das die Sonnenstrahlen reflektierte, die sich durch den lichten Wald kämpften.

      Eine Kollegin sprach ihn an und hielt ihm einen Zettel unter die Nase, während Stefan und Walter zum Leichenfundort vorgingen. Die Angelegenheit, die seine Kollegin mit ihm klären wollte, war mehr als unwichtig gewesen. Längst wusste er, dass damals alles nur vorgeschoben war. Ein Ablenkungsmanöver, um Zeit zu gewinnen.

      Er hatte den Tatort nur wenige Minuten nach Walter und Stefan erreicht. Die Spurensicherer suchten das Gebiet bereits nach Beweisen ab. Sofort stachen ihm die betretenen Gesichter seiner Kollegen ins Auge. Noch während er über das Absperrband stieg, verließ Stefan das Zelt. Mit aschfahlem Gesicht und Tränen in den Augen trat er ihm entgegen.

      „Mark, geh da bitte nicht rein!“

      „Was?“

      „Bitte. Tu es nicht.“

      Stefan machte einen Schritt zur Seite und versperrte ihm den Zugang zum Zelt.

      „Was soll der Quatsch?“

      „Mark, bitte!“ Mittlerweile hielt er ihn an der Schulter fest. Mit einer ruckartigen Bewegung riss er sich los. Erneut packte ihn Stefan am Oberarm. „Ich flehe dich an. Tu es nicht.“

      Mark stieß ihn zur Seite, stürzte ins Zelt und verharrte in der Bewegung. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf die am Boden liegende Frauenleiche. Übelkeit stieg in ihm hoch, und Sekunden darauf erbrach er sich schwallartig, als er begriff, dass vor ihm die sterblichen Überreste seiner Schwester Patricia lagen.

      Es folgte eine Zeit der tiefen Trauer. Der Selbstvorwürfe. Der inneren Zerrissenheit. Ein zermürbender Gefühlswechsel von Wut, Verleugnung bis hin zu unerträglichen Rachegelüsten, die ihm selbst Angst gemacht hatten. Dahlmann hatte das einzig Richtige getan und ihn von den Ermittlungsarbeiten abgezogen, mit der Auflage, sich einer Psychotherapie zu unterziehen. Sechs Sitzungen hatte er über sich ergehen lassen, aber die seelische Erleichterung, die er sich dadurch erhofft hatte, war ausgeblieben. Zwar hatten sich seine Schlafprobleme und sein ständiges Gedankenkarussell gebessert, doch nach wie vor waren sie vorhanden. Nach einem Monat hatte er die Therapie abgebrochen

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