Animus. Astrid Schwikardi

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Animus - Astrid Schwikardi Köln-Krimi

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Unverändert rissen seine Wunden wieder auf und setzten sein Gedankenkarussell in Gang, sobald er zu einem Tatort gerufen wurde und eine ermordete junge Frau vorfand.

      Er atmete tief durch, während die Bilder seiner toten Schwester langsam blasser wurden, bis sie schließlich verschwanden. Eine erdrückende Stille umgab ihn, die er kaum ertrug. Hastig schaltete er das Radio ein und lauschte der Männerstimme, die mit einer Eilmeldung das Programm unterbrach. Er traute seinen Ohren kaum, als der Nachrichtensprecher von einer Wasserleiche berichtete, die am frühen Abend von der Kölner Polizei aus dem Fühlinger See gezogen worden war. Die Jungs von der Presse leisteten gute Arbeit und verdienten seinen Respekt. Fehlte nur, dass der Sprecher die Identität der Toten preisgab, doch nichts dergleichen passierte. Stattdessen wurde der nächste Song gespielt. Aber wer war die Tote?

      In den letzten Wochen war die eine oder andere Vermisstenanzeige aufgegeben worden. Teenager, die nach Diskobesuchen oder Wochenendtrips spurlos verschwunden waren und erst Tage später wieder zu Hause auftauchten. Menschen, die aus ihrer Ehe flüchteten, um nach wenigen Tagen reumütig zurückzukehren. Aber auch junge Frauen, die nach einiger Zeit nicht wieder auf der Matte standen, sondern vermisst blieben. Ob die Tote eine von ihnen war?

      Der Wetterbericht und die nachfolgenden Staumitteilungen rauschten an ihm vorbei. Erst das Klingeln eines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Er langte zu seiner Jacke, doch bis er das Smartphone zu fassen bekam, hatte es aufgehört zu klingeln.

      Sein Blick wanderte zur Mondsichel, die am sternenklaren Abendhimmel leuchtete, und blieb an seinem Mobiltelefon hängen. Ein Bekannter hatte angerufen, der sich vermutlich auf ein Kölsch mit ihm treffen wollte. Er beschloss, ihn später zurückzurufen, denn vorher wollte er noch etwas nachsehen. Er aktivierte den Whatsapp-Messenger. Auf dem obersten Statusbild grinste Stefan mit einem Bierglas in der Hand. Die Fotos darunter waren von Gruppen oder Freunden. Er scrollte hinunter zu einem Bild, auf dem eine Frau mit dunkler Löwenmähne zu erkennen war. Maja. Er öffnete den Chat und las die Zeile unter dem Namen ‚Staatsanwältin Maja Reinhold‘. Zuletzt online um acht Uhr. Vor drei Minuten.

      Sein Blick fiel auf das Datum im Chatverlauf. Siebzehnter Oktober. An dem Tag hatte er Maja das letzte Mal eine Nachricht geschickt, die bis zum heutigen Tag unbeantwortet geblieben war.

      Er hatte Maja vor eineinhalb Jahren kennengelernt. Es war ihr erster gemeinsamer Fall gewesen. Ein Serienkillerfall, der ihnen an die Substanz gegangen war und ihnen alles abverlangt hatte. Sowohl fachlich als auch emotional. Von Anfang an war der Wurm in ihrer Beziehung. Wenn man überhaupt davon sprechen konnte. Vielmehr war es eine geschäftliche Verbindung, die hin und wieder in eine Liaison abdriftete. Die Zähne hatte er sich an ihr ausgebissen. Er war schon kompliziert, doch Maja übertraf ihn um Längen. Dabei hatte er gedacht, er wäre nach dem Vier-Augen-Gespräch auf Majas Geburtstagsfeier vor über einem Jahr endlich am Ziel seiner Träume gewesen. Das war er auch, eine Viertelstunde lang. Solange, bis kurz nach Mitternacht plötzlich Majas Ex-Freund auftauchte und ihr vor versammelter Mannschaft einen Kuss verpasste, der sogar Stefan sprachlos gemacht hatte. Innerhalb kürzester Zeit war Mark von Wolke sieben abgestürzt und hart auf den Boden der Realität aufgeschlagen. Eine gefühlte Ewigkeit hatte er gebraucht, um zu begreifen, was da vor seinen Augen passierte. Keine zehn Minuten darauf hatte er die Party verlassen. Vielmehr war er geflüchtet und hatte nie mehr ein Wort darüber verloren, nachdem er von Dritten erfahren hatte, dass Maja seitdem wieder mit ihrem Ex-Freund zusammen war. Mehr als ein Jahr hatte er das Thema Maja Reinhold gemieden, und er hätte es auch weiterhin durchgezogen, wenn nicht vor vier Wochen ihr Abendessen beim Italiener dazwischengekommen wäre.

      Maja und er hatten bis spät abends über Ermittlungsakten gebrütet und über das mögliche Motiv eines Mörders nachgedacht, als Maja plötzlich auf die Idee kam, beim Italiener etwas Essen zu gehen. Was sie schließlich auch getan hatten. Seitdem war mehr als ein Monat vergangen, doch nach wie vor wusste er nicht, was er von dem Abend halten sollte. Sie hatten beide zu viel Wein getrunken, und plötzlich hatte er Maja nach Dingen gefragt, nach denen er besser nicht gefragt hätte.

      Er startete den Motor, lenkte den Wagen vom Parkplatz und beschloss, in seine Wohnung zu fahren.

       Kapitel 5 Mittwoch, 22. November

      Am nächsten Morgen saß Mark in seinem Büro und schrieb eine Zusammenfassung über ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse, als sein Handy klingelte. Er tippte den Satz schnell zu Ende und setzte seine Hornbrille ab, die er normalerweise nur fürs Lesen brauchte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass er mit Brille seriöser wirkte. Stefans Meinung hingegen war, dass er damit wie ein verwirrter Brillenlangur aussah. Doch sie erfüllte ihren Zweck. Außerdem konnte er mit der Brille Zeit schinden, wenn er in heiklen Situationen Bedenkzeit benötigte. Verwundert schaute er aufs Display. „Maja. Ich habe schon gehört, dass du dich um die Ermittlungen kümmerst“, meldete er sich mit belegter Stimme und räusperte sich.

      „Falsch, mein Lieber. Du kümmerst dich um die Ermittlungen, und ich sage dir, was du tun sollst“, erwiderte sie lachend und setzte hinterher: „Mir geht es übrigens bestens. Danke der Nachfrage. Aber weshalb ich anrufe: Check doch mal bitte, ob in der Vergangenheit …“

      Professionell und überaus abgeklärt ging Maja zur Tagesordnung über. Ihr sachlicher Tonfall versetzte ihm einen Stich in die Magengrube, denn offensichtlich hatte Maja nur angerufen, um mit ihm Geschäftliches zu besprechen. Er versuchte, sich auf ihr Gespräch zu konzentrieren, doch es fiel ihm schwer, und er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. „Maja, der Empfang ist so schlecht. Ich versteh dich kaum“, redete er sich raus.

      „Wir müssen uns dringend treffen.“

      Er traute seinen Ohren kaum, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ruckartig richtete er sich auf. „Jetzt gleich?“

      „Ja. Wir müssen reden.“

      „Worüber?“

      „Über den Fall natürlich. Worüber dachtest du denn?“

      Enttäuscht verzog er seinen Mund. „Logisch. Wie dumm von mir. Natürlich über den Fall. Worüber sonst?“

      Sie lachte, schwieg für einen Augenblick und fragte: „Ist alles in Ordnung bei dir?“

      „Sicher. Mal abgesehen davon, dass ich immer noch auf eine Antwort von dir warte …“

      „Auf was für eine Antwort?“

      Er verdrehte die Augen. „Schon gut. Vergiss es!“

      „Etwa die Antwort auf deine Frage nach … Moment, wie hast du ihn noch genannt? Ach ja, einen testosterongesteuerten Föttchesföhler, der aus dem Hals stinkt wie eine Kuh aus dem Arsch.“

      „Das hab ich so gesagt?“, fragte er in einem unschuldigen Tonfall.

      Sie lachte aus vollem Hals.

      „Ja, das hast du. Also wann kommst du?“

      „Gib mir eine Stunde.“

      „Gut. In einer Stunde in meinem Büro. Ich freu mich.“

      Es knackte in der Leitung, und er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Maja freute sich? Auf ihn? Hatte sie das wirklich gesagt?

      Zehn Minuten darauf ging Mark den Korridor des Präsidiums entlang und betrat Stefans Büro, doch er blickte nur auf einen leeren Stuhl und einen ebenso unbesetzten Schreibtisch. Verwundert schaute er den Gang hinunter und entdeckte seinen vollbärtigen Kollegen Peter Eiser, der am Ende des Flurs

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