Rabenauge. Sabine D. Jacob

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Rabenauge - Sabine D. Jacob

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und wir vergessen die Geschichte?«

      Jeremy verrenkte sich auf dem Stuhl. In seiner Position war es schwer, überlegen zu wirken. Er wollte daher zumindest seiner Stimme einen festen Klang geben. »Du hast gesagt, den Rest bis zum Fünfzehnten. Das sind noch zwei Wochen.«

      Halfpound Wood schürzte die Lippen, als überlege er. Er nahm die Hand vom Tisch, richtete sich wieder auf und polierte seine Fingernägel am Revers. Interessiert sah er sich das Ergebnis an und kaute auf seinem Zigarettenstummel herum. »Hab’s mir anders überlegt. Gib mir jetzt, was du bei dir hast, und bis morgen Abend lässt du den restlichen Zaster rüberwachsen oder ich komme dir anderweitig entgegen. Hast du mich verstanden?« Seine behaarte Hand ballte sich zur Faust und er schloss kurz die Augen. Typen wie Jeremy raubten ihm den letzten Nerv. Das Leben hatte ihnen von Anfang an so viel Puderzucker in den Arsch geblasen, dass sie auf ewig süße Jüngelchen blieben. Die echten Härten des Lebens – wie die Mutter, die sich jeden Abend zudröhnte, bevor sie auf den Strich ging, oder der Vater, der das Zeitungsgeld aus einem herausprügelte – kannten sie nicht. Halfpound Wood schaute Jeremy an und zischte: »Los jetzt, Kohle!« Amüsiert bemerkte er das Zucken um dessen Augen und fühlte sich bestätigt. Er kannte die Menschen. Milchgesichter wie Jeylo brauchten nur ein bisschen Druck und schon drehten sie am Rad. Letzten Endes langweilten sie Halfpound dennoch gewaltig, da sie nicht wirklich kämpften.

      »Komm schon, Wood.« Jeremy wand sich unter seinem Griff. »Unsere Abmachung war doch klar.«

      Halfpound Wood ließ ihn endlich los, trat einen Schritt zurück und legte seine Fingerspitzen auf den Brustkorb. »Es ist ja nicht meine Kohle, die du geliehen hast. Frag Cogan, ob er dir noch mal Aufschub gewährt. Aber, ein guter Rat von mir, ich würde es lieber lassen. Er ist nicht gut auf kleine Schisser wie dich zu sprechen, die sich nicht an die Termine halten.«

      Obwohl die Situation bedrohlich war, begann Jeremy sich selbst als Darsteller in einem dieser Gangsterfilme zu sehen. Überrascht stellte er fest, dass ihm die Situation Spaß bereitete. Schnell visualisierte er, wie Humphrey Bogart in so einem Fall reagieren würde.

      Er stand auf, drehte sich zu Halfpound um, legte eine Hand auf dessen Schulter und wollte gerade einen brillanten Satz von sich geben, als dieser seinen Plan mit nur einer Geste zunichtemachte, indem er die Schulter zurückzog und das Kinn anhob. Jeremy war schlank und hochgewachsen, doch Halfpound, von Natur aus grobschlächtig, überragte ihn um Haupteslänge.

      Okay, dann eben nicht auf diese Art. Jeremy würde eine andere Strategie fahren müssen. »Wood, Kumpel, wie lange kennen wir uns? Ich hab doch immer mein Wort gehalten. Am Fünfzehnten hast du die Penunze. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«

      Was hatte er da gesagt? Jeremy spürte, dass er sich um Kopf und Kragen redete. Niemals würde er die achtzig Riesen in zwei Wochen aufbringen können. Aber das Wort Penunze gefiel ihm. Er hatte bisher nur noch nie Gelegenheit gehabt, es zu benutzen.

      »Hallo, Schwachkopf, jemand zu Hause? Schluss mit dem Theater. Morgen will ich das Geld haben«, sagte Wood, packte ihn am Kragen und zog ihn dicht vor sein Gesicht, sodass Jeremy seinen whiskygeschwängerten Atem riechen konnte. »Und jetzt verschwinde von hier!«

      Jeremy blickte sich nach Beistand suchend um, aber alle anderen waren in ihr Spiel vertieft. Keiner interessierte sich für Jeremys Ärger.

      Als er Luft holte und zu einer Antwort ansetzte, schoss eine Faust auf sein Gesicht zu. Dann fand er sich auch schon auf dem Straßenpflaster in der Gosse wieder.

      Dort blieb Jeremy noch eine Weile liegen. Er wusste nicht, was er nun tun sollte. Noch einmal hineinzugehen käme einer Wahnsinnstat sehr nahe. Wood abzufangen und erneut um Aufschub zu bitten hätte bestimmt den gleichen Effekt.

      Während ihm klar wurde, wie viel Glück er gehabt hatte, stemmte er sich auf die Knie. Andere Schuldner waren schon mit abgetrennten Gliedmaßen wieder zu sich gekommen, hatte er sich sagen lassen.

      Dann zeigte die Filmspule: The End. Und der Abspann sagte: Willkommen in der Wirklichkeit, Jeremy!

      Am besten wäre es, er würde sich die Kugel geben, überlegte er jetzt. Vielleicht gab es aber noch einen anderen Ausweg. Er musste nur seine Gedanken zur Raison bringen.

      Im Bad warf er einen Blick in den Spiegel. Auch wenn er sich fühlte wie ausgespuckt, gefiel ihm, was er sah. Er befeuchtete seine Handflächen und strich sich das kurz geschnittene Haar nach hinten. Dass er sich gestern Abend vor seinem Tête-à-Tête mit Halfpound Wood noch rasiert hatte, sah man nicht mehr. Er fuhr sich mit der Hand über sein markantes Kinn. Seine blauen Augen im Spiegel erwiderten seinen Blick gelassener, als er es vermutet hätte. Die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln verliehen ihm ein spitzbübisches Äußeres, weshalb es für ihn ein Leichtes war, andere Menschen für sich zu gewinnen. Er wirkte viel souveräner, als er sich meistens fühlte. Sein schauspielerisches Talent hatte er über die Jahre bis zur Perfektion ausgebaut.

      Zurück im Wohnzimmer nahm er noch einen Schluck Whisky, bevor er zum Telefon griff und den einzigen Menschen anrief, der ihm in dieser Situation noch helfen konnte – sein Cousin Nolan.

      Der gute, gelassene, ehrenwerte Nolan würde ihm das Geld ohne großes Gesums geben. Das war eine Sache der Familienehre!

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      »Hallo? Wer ist da?«

      Jeremy atmete erleichtert auf, als endlich abgehoben wurde. »Nolan, guten Abend, hier spricht Jeremy. Ich habe so lange nichts von mir hören lassen. Da dachte ich …«

      »Oh, Jey, wie gut, dass du anrufst.«

      Es rauschte in der Leitung. Die Verbindung war schlecht. Das lag sicherlich an dem Sturm, der sich draußen zusammenbraute. Jeremy konnte die folgenden Worte nur zum Teil verstehen.

      »… hier los ist. … gefährlich … komme … keinen Fall …«

      Nolans Stimme klang hektisch. Er redete wie ein Wasserfall. Dennoch drangen nur Wortfetzen an Jeremys Ohr.

      »Nolan«, rief er in den Hörer. »Nolan, ich kann kaum etwas verstehen. Was hast …«

      Nolan ließ sich nicht unterbrechen. »… sind da. Alles ist schwarz. Wenn du …«

      Tuut-tuut-tuut. Die Verbindung wurde unterbrochen.

      Beunruhigt goss sich Jeremy noch einen Whisky ein und befühlte die Beule an seinem Hinterkopf. Sein rechtes Ohr war zudem geschwollen. Heftig schüttelte er den Kopf, um das Taubheitsgefühl dort zu vertreiben.

      Nolans Stimme hatte aufgebracht geklungen. Die Worte waren regelrecht aus ihm herausgebrochen. Angespannt tippte Jeremy auf die Wahlwiederholungstaste. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er die Wähltöne in der Leitung hörte.

      »Die von Ihnen gewählte Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar«, vernahm er die Stimme vom Band. Er unterbrach die Verbindung und versuchte es erneut.

      »Die von Ihnen gewählte Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar.« Kurz fragte sich Jeremy, ob Nolan die Leitung absichtlich blockierte. Vielleicht erahnte er den Grund seines Anrufs. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass Jeremy seinen Cousin nach Geld fragte. Irgendetwas hatte aber in Nolans Stimme gelegen, das Jeremy stutzig

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