Rabenauge. Sabine D. Jacob

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Rabenauge - Sabine D. Jacob страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Rabenauge - Sabine D. Jacob

Скачать книгу

ihn zwischen den Fingern, während er überlegte. Das geschliffene Glas reflektierte das Licht der Deckenstrahler. Jeremy kniff die Augen zusammen, und das Licht brach sich in allen Farben des Regenbogens.

      Übelkeit stieg plötzlich in ihm auf. Rasch nahm er noch einen Schluck Whisky.

      Auf einmal wurde ihm klar, was in Nolans Stimme gelegen hatte: Angst! Er hatte furchtsam geklungen. »… komme … keinen Fall …«, hatte er gesagt. Was bedeutete das? Er, Nolan, würde auf keinen Fall kommen? Aber Jeremy hatte ihn nicht eingeladen. Er wusste auch von keiner Festivität, zu der sie beide eingeladen worden wären. Die Reaktion ergab keinen Sinn.

      Aufgewühlt wählte Jeremy erneut die Nummer. Er musste mit Nolan sprechen. Er brauchte das Geld. Dringend!

      »Die von Ihnen gewählte Nummer ist vorübergehend …« Jeremy legte auf und warf den Manschettenknopf, den er noch immer nervös zwischen den Fingern drehte, auf die dunkelblaue Couch, bevor er das Telefonamt anrief. Eine Stimme teilte ihm mit, dass zurzeit alle Plätze belegt seien, und überließ ihn mit der Bitte um Geduld einer Dreiklangmelodie in der Warteschleife.

      Gereizt legte er auf. Gleich morgen Früh würde er sich auf den Weg machen und die gut zweihundert Meilen, die London von Trinale trennten, hinter sich bringen.

      Er musste Nolan persönlich sprechen – von Angesicht zu Angesicht. Das vergrößerte seine Chance, an das Geld zu kommen. Nolan war mehr als gut betucht, und, seit er allein lebte, dankbar für jeden Besuch. Nebenbei würde Jeremy ein nettes Wochenende verbringen.

      Da Halfpound Wood nicht wissen konnte, wo Jeremy sich aufhielt, würde er ihn dort auch nicht so schnell finden. Zwar riet ihm eine leise Stimme zur Vorsicht, er ignorierte sie aber. Alles war besser, als hier zu hocken und zu brüten.

      Dachte er.

Image

      Trinale

Image

      Die Südwestküste Englands war für Jeremy die schönste überhaupt. Immer wieder zog sie ihn in ihren Bann und verleitete ihn zu dem inneren Schwur, öfter hierherzukommen. Das Zusammenspiel von Licht, Wasser und Felsen gab dem Landstrich stets ein neues Gesicht. Stundenlang war er hier schon spazieren gegangen, ohne sich sattsehen zu können. Die Klippen aus grauem Stein reflektierten die Sonnenstrahlen stets in einem Maße, dass es in den Augen blendete. Weiße Gischt klatschte unermüdlich auf die Felsen und verlieh ihnen bizarre Formen.

      Heute war Jeremy mit seinen Gedanken bei Nolan. Mindestens fünfmal hatte er gestern Abend noch versucht ihn zu erreichen. Ohne Erfolg. Heute Morgen hatte er es, bereits bar aller Hoffnung, erneut versucht. Abermals erfolglos. In aller Herrgottsfrühe hatte Jeremy daher seine Sachen gepackt und war in den Aston Martin, der ihm im Grunde schon nicht mehr gehörte, gestiegen. Auch seine Golfausrüstung hatte er mitgenommen. Nolan liebte Golf, und Trinale verfügte über einen großzügig angelegten Golfplatz. Er bot das geeignete Umfeld für diese Art von Gespräch.

      Die Strecke von London an die Südwestküste fuhr Jeremy ohne Pause mit heruntergelassenem Dach, damit der Fahrtwind seine Gedanken klären konnte.

      Heute Morgen hatte er sich mit einem Kaffee begnügt. Sein Magen war deshalb leicht verstimmt.

      Er hob einen Arm in die Luft und stemmte ihn gegen den Fahrtwind, um die unangenehme Erinnerung an den gestrigen Abend zu verdrängen.

      Als Nieselregen einsetzte, der schon bald in heftigen Regen übergehen sollte, schloss er das automatische Verdeck.

      Unterwegs gönnte er sich nicht einmal einen Kaffee, wie er es sonst gern tat. Seine Barschaft betrug nämlich nur noch dreißig Pfund – ein Witz im Vergleich zu dem, was er sonst bei sich hatte.

      Die letzten Scheine hatte ihm Wood, wie er sich wieder erinnerte, noch aus der Tasche gerissen, bevor er ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass seine Anwesenheit nicht länger erwünscht sei und er sich um seine finanziellen Probleme kümmern solle.

      Jeremy rieb sich die Stirn. Es war so widerlich, wenn sich die Gedanken im Kreis drehten und ihm am Ende doch immer wieder seine jetzige Situation offenbarten.

      Das Bild des Straßenpflasters stieg in ihm auf. Er sah die zerfetzten Ellbogen seines Jacketts vor seinem inneren Auge, und er schwor sich, alles daranzusetzen, das Geld zurückzuzahlen. Nie wieder würde er sich dann mit dem Gesindel einlassen. Mit der Begleichung seiner Schulden wäre der Moment gekommen, sich endgültig vom Glücksspiel zu verabschieden.

      Nachdrücklich, wie um es sich selbst zu bestätigen, nickte er und schaltete das Radio ein. Mit den neu gefassten, guten Vorsätzen fühlte er sich gleich besser.

      Am späten Vormittag erreichte er die Auffahrt zum Herrenhaus Trinale, das Mitte des achtzehnten Jahrhunderts im kornischen Stil erbaut worden war. Zusammengesetzt aus großen grauen Quadern besagte die Legende, man habe für den Bau nur drei Nägel benutzt. An die hätten die Erbauer ihre Jacken gehängt, wenn ihnen von der Schlepperei warm geworden war. Alles andere sei ursprünglich aus Stein gewesen, sogar die Bettstätten.

      Das Gestein bildete feste Mauern, denen auch das stärkste Unwetter nichts anhaben konnte. Als Kind hatte Jeremy sich häufig an die Nordwand gestellt, den Kopf in den Nacken gelegt und nach oben geschaut, wo der Dachüberstand ihn drohend überragte. Ihm kam es immer so vor, als würde er gleich bersten und auf ihn herabstürzen. Er schaffte es jeweils nur für ein paar Sekunden, hochzuschauen. Dann nahm die Furcht überhand und Schwindel übermannte ihn. Bis sich das Gefühl, in einem Karussell zu sitzen, gelegt hatte, blickte er stets auf seine verstaubten Füße, die barfuß in hellblauen Sandalen steckten. Wenn sich das Schwindelgefühl gelegt hatte, schaute er wieder hoch und wettete mit sich selbst, ob er diesmal länger durchhalten würde.

      Bis heute hatte dieses alte Gemäuer seine anziehende Wirkung auf ihn nicht verloren. Noch immer war es so, als wolle ihn das Haus zu einem Spiel animieren, dessen Ausgang für Jeremy ungewiss war.

      In Trinale fühlte er sich geschützt und sicher. Von außen wirkte das Haus auf ihn stets bedrohlich.

      Die Zufahrt zum Herrenhaus markierte ein großes schmiedeeisernes Tor. Meistens übersah er es und fuhr beim ersten Mal daran vorbei, da die dorthin führende Landstraße rechts und links von hohen Hecken gesäumt war, wie sie für diesen Landstrich Englands typisch waren, die jeglichen Blick versperrten.

      Heute drosselte er sein Tempo, um nicht erneut daran vorbeizurauschen. Einerseits wäre es ihm lieb gewesen, die Fahrt hätte noch einige Stunden gedauert, damit er sich dem peinlichen Gespräch noch nicht stellen müsste. Andererseits hatte er keine Zeit zu verlieren. In seinem Magen verspürte er deshalb ein Unwohlsein, das nicht nur vom fehlenden Frühstück herrührte.

      Behutsam lenkte er den Wagen durch die offen stehenden, mannshohen Flügel des schmiedeeisernen Tors, fuhr aber dahinter rechts ran, stellte den Motor ab und öffnete das Verdeck des Austins wieder.

      Der Blick, der sich ihm bot, war vertraut und doch so ganz anders, als er ihn in Erinnerung hatte.

      Tief hängende Wolken zogen über den Himmel, gingen ineinander über und bildeten eine geschlossene Decke. Jeremy registrierte, dass der Wind sich gelegt hatte, der in heftigen Böen eben noch den Regen gegen die Windschutzscheibe geschlagen hatte.

      Vor

Скачать книгу