Rabenauge. Sabine D. Jacob

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Rabenauge - Sabine D. Jacob

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Kopfweiden, die offenbar seit Längerem nicht mehr beschnitten worden und trotz des weit fortgeschrittenen Sommers kaum belaubt waren.

      Die Blöcke, aus denen Trinale erbaut war, waren aus dem ältesten Gestein der Welt geformt, das es nur in Schottland gab. Hohe Rundbogenfenster, eingelassen in das Mauerwerk, schienen den Betrachter eher auszugrenzen, als willkommen zu heißen. Verborgen hinter der Front, schlossen sich rechts und links Flügel an, die den Garten vor den bisweilen heftigen Winden schützten.

      Dort blühten mediterrane Bougainvilleas neben mannshohen Farnen. Die Gärtner hatten wahre Kunstwerke vollbracht, da alles den Anschein von natürlichem Wachstum vortäuschte. Tatsächlich aber benötigte jedes Pflänzchen seinen Raum, und jeder Angriff der nächstgelegenen Pflanzen musste rechtzeitig erkannt werden.

      In Gedanken wanderte Jeremy die verschlungenen Wege dieses Gartens entlang, während er den Wagen startete und die Einfahrt hochfuhr.

      Wasserspiele, Kneippbecken, hohe Hecken und winzige Blumenrabatten harmonierten umgeben von schützendem Mauerwerk in stiller Eintracht.

      Jeremy fuhr bewusst langsam und genoss den Anblick. Mit den vier Türmen, die sich vorn wie hinten rechts und links erhoben, wirkte das imposante Gebäude schwerfällig und unverrückbar.

      Irritiert bemerkte er, dass der Rasen, der das Herrenhaus umgab, stellenweise vergilbt war, als ob er unter Trockenheit gelitten hätte. Dem widersprach jedoch das Unkraut in den sonst so gepflegten Rabatten. An einigen Stellen standen die Brennnesseln mannshoch. Sie ließen den anderen Pflanzen dort immer weniger Platz und reckten ihre Blätter lustvoll dem Himmel entgegen.

      Nolan liebte seine Beete. Noch nie hatte Jeremy sie in einem derart vernachlässigten Zustand gesehen. Auch die asphaltierte Zufahrtsstraße sah milchig grau und nicht mehr schwarz aus.

      Eine seltsame, fast greifbare Ruhe schwebte über der Szenerie, und die Stille schlich sich an – bedrohlich wie ein Schattenmonster.

      Jeremy horchte angestrengt, vernahm aber keinen Laut. Er hörte weder Vogelgezwitscher noch Blätterrauschen, nichts. Verdutzt schaute er zum Haus und es kam ihm vor, als würde es ihn erwarten. Schwarz blickten die blinden Fenster in seine Richtung.

      Ein Schatten strich plötzlich über das Auto hinweg, und er zuckte zusammen.

      Es war nur ein Vogel.

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      Die Asphaltstraße mündete in ein Rondell, das an der rechten Seite einige mit Kopfsteinpflaster befestigte Parkbuchten bereithielt. In der Mitte thronte eine blattlose Trauerbuche mit ausladendem grauen Geäst. Sie war umgeben von einem Bodendecker, der offensichtlich unter Schneckenfraß litt.

      Jeremy stieg aus dem Wagen und runzelte die Stirn. Es roch leicht muffig. Er kannte diesen Geruch von früheren Besuchen auf Trinale. Damals reichten ihm die Treppenstufen in der Eingangshalle noch bis an die Knie. Seine kleinen Hände konnten die Streben des Geländers nur knapp umklammern, während er die endlos scheinende Treppe in die obere Etage erklomm. Dort hingen im Winter stockfleckenübersäte Daunendecken auf einer Leine. Sie dienten den Kindern als beliebtes Versteck. Erst als seine Hände die Holme des Geländers umfassen konnten, begriff Jeremy, dass die Bettdecken als Versteck ungeeignet waren, da zwar sein Oberkörper unsichtbar wurde, seine Beine aber unten herausschauten.

      Er erinnerte sich gut daran, wie spannend es unter diesen Decken war. Er hielt das Leinen mit den Händen immer von seinem Gesicht weg und sog die Luft tief ein – gleichzeitig bemüht nicht durch die Nase zu atmen, um den Ausdünstungen zu entkommen. Die feuchte Luft war knapp unter den Daunendecken, und der muffige Geruch verstärkte den Eindruck, nicht genug Sauerstoff zu bekommen und zu ersticken. Je länger Jeremy darauf wartete, gefunden zu werden, umso schneller schlug sein Herz, umso tiefer wurde die ihn umfangende Dunkelheit und umso heißer wurde ihm. Dann kam der Moment, an dem er es nicht mehr aushielt, die verschossenen rosafarbenen Decken auseinanderschob und wie ein Taucher an der Wasseroberfläche einige tiefe Atemzüge nahm, bevor er wieder unter dem wolkigen Deckenberg verschwand.

      Der Anflug eines Lächelns kräuselte kurz Jeremys Lippen, dann lenkte ihn ein weiterer Geruch ab. Unwillkürlich zog er sein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. Der beißende Ammoniakgeruch hatte sich aber schon in seinen Schleimhäuten festgesetzt.

      Irritiert schaute er sich um. Er konnte nicht erkennen, woher der Gestank kam. Jeremy schob es auf den Klärteich, der hinter dem Herrenhaus lag.

      Er stieg die vier von einem Portal überdachten Steinstufen hoch, bis die große zweiflügelige Eichentür vor ihm aufragte. Sie war übersät von winzig kleinen Einkerbungen. Das war ihm vorher nie aufgefallen. Mit den Fingerkuppen strich er darüber.

      Ein schmiedeeiserner Raubvogelkopf von der Größe einer Kanonenkugel war an der Tür befestigt. Ein Ring, der durch den Schnabel führte, diente als Türklopfer. Jeremy hob die Hand und wollte ihn betätigen, als die Tür einen Spalt aufgerissen wurde, eine Hand ihn am Arm packte und hereinzerrte.

      Der Schreck fuhr Jeremy in alle Glieder. Die Hand zur Faust geballt schoss er herum. Im letzten Moment bremste er sich. »Du meine Güte, Nolan! Verdammt, du hast mich ganz schön erschreckt«, entfuhr es ihm.

      Nolans Hand zuckte vor und presste sich auf Jeremys Mund. »Still! Nicht hier! Hier ist es nicht sicher!«, raunte er und zog den Kopf zwischen die Schultern. Sein Blick huschte hektisch durch die große Eingangshalle, die von einem breiten Treppenaufgang beherrscht und nur spärlich von eindringendem Tageslicht erhellt wurde. »Ruhig! Kein Wort mehr jetzt! Komm mit!« Hastig drehte Nolan sich um. Er zog Jeremy am Ärmel mit sich, und der stolperte halb blind nach dem Tageslicht draußen hinter ihm her.

      Nolan bugsierte ihn zur Bibliothek. Hier war es ebenfalls dämmrig. Nur mühsam gewöhnten sich Jeremys Augen an das schummrige elektrische Licht, das eine grünbeschirmte Tischlampe im Raum verteilte. Deckenhohe Regale, vollgestellt mit Büchern, zogen sich an den Wänden entlang. Ledergebundene Folianten und alte Bibeln standen ganz oben. Einige waren quergestellt, weil die Höhe der Regalfächer nicht ausreichte. Weiter unten befanden sich dicht an dicht weitere Bücher mit zum Teil bereits verblasster Schrift auf den festen Einbänden. In den unteren Regalen lagen kreuz und quer Taschenbücher, daneben stapelweise GEO-Zeitschriften.

      Nolan schloss leise die Tür und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      Jeremy erschrak, als er ihn genauer betrachten konnte. Ihr letztes Treffen lag zwar schon ein halbes Jahr zurück, in dieser Zeitspanne schien Nolan aber um mehr als fünf Jahre gealtert zu sein. Sein unrasiertes Gesicht wirkte so fahl, als würde es das Sonnenlicht vermissen. Das ehemals blauschwarze Haar lag ungepflegt auf dem Hemdkragen auf und war von grauen Strähnen durchzogen. Seine Schultern hingen schlaff herab, und er nestelte an seinen Fingernägeln, die an vielen Stellen bereits blutig rote Ränder aufwiesen.

      Nolan schüttelte langsam den Kopf und sagte verzweifelt: »Du hättest nicht kommen dürfen! Das hab ich dir doch ausdrücklich gesagt! Warum hast du nicht auf mich gehört?«

      Entsetzt starrte Jeremy ihn an. War Nolan jetzt auch ein Opfer von Schwermut oder Wahnsinn geworden wie seine Frau?

      Unmittelbar breitete sich in Jeremy Mitleid aus und ein Schuldgefühl, weil er sich so lange nicht gemeldet hatte.

      Nolan war seit etwa einem halben Jahr verwitwet. Seine Frau Zelma,

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