Rabenauge. Sabine D. Jacob

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Rabenauge - Sabine D. Jacob

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auf mich zustürzen. Das Rabenweibchen mit dem verletzten Schnabel hieb ihre Krallen in meine Kopfhaut und mit dem verkrüppelten Schnabel nach meiner Schläfe. Dann färbte sich auch schon alles Rot. Ich schlug mit der Hand nach ihr, sie traf mich an der Stirn. Ich fegte sie vom Kopf, sie nahm ein Stück meines Skalps mit. Hier, diese kahle Stelle stammt von dem Angriff. Da wächst kein Haar mehr. Plötzlich flammte in mir eine unbändige Wut auf. Das war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich weiß noch, dass ich die Autoschlüssel vom Haken riss, ein Geschirrhandtuch auf die Wunde presste, zu Haynes fuhr und Rattengift kaufte. Ein für alle Mal wollte ich dem Ganzen ein Ende bereiten. Zu Hause ging ich direkt in die Küche, nahm den Teller mit dem Gehackten, eine Gabel und beides mit ins Schlafzimmer. Die Vorhänge zog ich zu. Ich weiß, es klingt absurd, aber ich wollte nicht, dass die Krähen mich beobachteten. Erst jetzt arbeitete ich die blauen Körner in ihren Snack ein, und ich empfand eine mörderische Freude dabei. Der Gestank interessierte mich in diesem Moment nicht. Ich wusste ja, dass ich ihn das letzte Mal ertragen musste. Danach stellte ich das Hackfleisch wieder auf seinen Platz und verzog mich nach oben. Mit dem Fernglas konnte ich beobachten, wie der Rabe mit dem grauen Flügel zum Küchenfenster flog. Er verschwand kurz aus meinem Blickfeld. Dann sah ich ihn wieder, als er zu seinem Weibchen – dem Raben mit dem Schnabelriss – flog und sie fütterte. Anscheinend konnte sie nicht mehr allein fressen. Ich lachte mich innerlich kaputt! Der Vogel nahm mir die Arbeit ab und brachte seine Partnerin um.« Jeremy runzelte zwar die Stirn, aber Nolan fuhr einfach fort: »Als ich am nächsten Morgen das Haus verließ, sah ich den Raben mit dem gespaltenen Schnabel. Mit hängenden Flügeln stand er auf dem Pflaster in der Nähe meines Autos. Er schwankte. Seine Augen blickten trüb und glanzlos. Ab und an, wenn er umzufallen drohte, hob er einen Flügel und machte ein paar unsichere Schritte. Als er mich sah, raffte er sich auf, krächzte heiser und hieb mit seinem Schnabel in meine Richtung. Dabei verlor er das Gleichgewicht. Ich trat einen Schritt näher und stupste ihn mit der Schuhspitze. Erneut krächzte er mich an, dann schoss ich ihn weg, dass die Federn stoben. Noch einmal versuchte er, hochzukommen, aber es misslang. Es war urkomisch. Fast musste ich grinsen. Dann riss etwas Scharfes plötzlich meine Wange auf. Der Rabe mit dem grauen Flügel attackierte mich. Hier, die Narbe ist immer noch als helle Stelle erkennbar. Wie ein Schmiss aus einer schlagenden Verbindung, oder? Ich verjagte das Vieh und drückte ein Taschentuch darauf, das sich sofort mit Blut vollsog. Da entdeckte ich Zelma hinter dem oberen Flurfenster. Sie hatte alles mit angesehen. Anstatt herunterzukommen und mir beizustehen, schaute sie mich – mich! – voller Abscheu an. Es war der Tag nach ihrem Geburtstag, den wir wegen ihrer Depressionen nicht gefeiert hatten. Abends dann, nun ja, fand ich ihre Kleidung.«

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      »Du siehst müde aus. Und sicher bist du hungrig.« Erwartungsvoll sah Nolan Jeremy an.

      »Nein danke, mir ist speiübel. Auf keinen Fall kann ich etwas essen. Kann es sein, dass man den Verwesungsgeruch immer noch wahrnehmen kann? Auf jeden Fall stinkt es nach den Vögeln. Im Bunker damals hat es auch so gerochen. Dort saßen brütende Dohlen im Luftabzug, erinnerst du dich? Damals mochte ich den Geruch gern. Er sagte mir: Hey, du bist in Trinale, es ist Sommer, du hast Ferien. Jetzt kommt es mir vor, als hinge der Gestank bereits in meiner Kleidung.« Angewidert verzog Jeremy das Gesicht und erhob sich aus dem Sessel. »Es ist unglaublich! Wenn ich nicht mit eigenen Augen sehen würde, dass die Vögel sich hier zu Hunderten versammeln, ich würde es nicht für möglich halten. Ob sie noch da sind?« Er ging zum Fenster und spähte durch das Astloch. Da es mittlerweile dämmerte, konnte er kaum etwas erkennen.

      »Natürlich sind sie noch da, Jey! Und sie werden bleiben.«

      »Wie meinst du das: Sie werden bleiben? Irgendwann werden sie doch verschwinden! Ich meine: Worauf warten sie? Was wollen sie?«

      »Hast du es noch nicht verstanden? Sie wollen mich! Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, dass du hierhergekommen bist. Jetzt steckst du auch ganz schön tief drin.«

      Jeremy spürte, wie seine Ungläubigkeit langsam eine Panik heraufbeschwor. Wo hatte er sich da hineinmanövriert? Er konnte nicht fassen, in welch prekärer Situation sie sich befanden. Daher hoffte er, dass er gleich aufwachen würde oder dass Nolan mit einem lauten »Reingelegt!« in schallendes Gelächter ausbrach, wie er es als Kind gern getan hatte.

      Nichts davon geschah.

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      »Wir müssen hier raus, so viel steht fest«, sagte Jeremy und knetete seine Finger. Unruhig und ziellos lief er in der Bibliothek hin und her wie ein Löwe mit Hospitalismus. Er konnte nicht untätig herumsitzen und kostbare Zeit vergeuden. Sie brauchten einen Plan, wie sie diesem Spuk ein Ende bereiten konnten. »Wir müssen überlegen, welche Möglichkeiten wir haben hier herauszukommen!«

      »Was denkst du, mache ich seit Tagen? Jey, die Viecher lassen sich weder vertreiben noch einschüchtern.«

      »Weshalb hast du niemanden angerufen?«

      »Weil ich die Telefonrechnungen nicht bezahlt habe. Ich hab mich im letzten halben Jahr komplett vergraben. Es können zwar Anrufe herein, aber nicht heraus.«

      »Und der Notruf? Der müsste doch funktionieren.«

      Beschämt schloss Nolan die Augen. Da war es wieder, das altbekannte Gefühl, der kleine, dumme Nolan zu sein, obwohl Jeremy jünger war. Krampfhaft suchte er nach einer plausiblen Erklärung. Wie immer ging der Punkt aber an Jeremy. »Wie dumm von mir. Das hatte ich vergessen«, gestand er widerwillig ein.

      Jeremy sah ihn an, dann zuckte er mit den Schultern. »Wie auch immer. Ich habe ja ein Handy. Ich informiere sofort die Polizei. Die wird alles Weitere veranlassen.«

      »Du hast hier leider kein Netz, Jey!«

      »Und wo finde ich ein Telefon?« Jeremy gab nicht auf.

      »Oben im Salon, der jetzt von Krähen belagert ist. Die Apparate in der Küche und im Büro sind wohl kaputt. Ist bestimmt ein Werk der Vögel. Als du gestern anriefst, hat nur das Telefon im ersten Stock geklingelt. Ich stürmte also nach oben. Sofort folgten mir die drei Krähen, die sich in der Eingangshalle positioniert hatten und dort Wache schoben. Noch bevor ich die ersten Stufen erreicht hatte, attackierten sie mich. Sie versuchten sich in meinem Nacken festzukrallen, aber ich hatte mir vorsorglich einen dicken Wintermantel von der Garderobe geschnappt, einen Hut und einen Schirm. Ich muss ausgesehen haben wie eine fleischgewordene Vogelscheuche. Im Salon schaltete ich die Deckenlampe an. Die Fenster hatte ich bereits letzte Woche verrammelt. Kaum flammte das Licht auf, schossen die Krähen zu den Fenstern und begannen die Latten zu bearbeiten. Sie versuchten die Nägel herauszuziehen. Von außen war ein aufgeregtes Gekrächze zu hören. Es war, als ob sie sich miteinander verständigen würden. Zudem versetzte sie das Läuten des Telefons in schiere Raserei. Während ich mit dir sprach, krachten die ersten Latten herunter und zwei Scheiben zersplitterten. Eine Krähe blutete. Das hielt sie aber nicht auf. Sie machte sich über das Telefonkabel her und riss es aus der Wand. Als die ersten Vögel hereinflatterten, raste ich zur Tür, um so schnell wie möglich aus dem Zimmer zu kommen. Panisch knallte ich sie hinter mir zu. Vier Krähen schafften es dennoch, mir zu folgen. Die anderen polterten gegen die Tür. Seitdem versuchen sie, diese mit Gewalt aufzubrechen. Als ich dich hereinließ, konnte ich deutlich hören, dass sie gar nicht daran denken, aufzugeben. Sie sind immer noch dabei, die Tür zu

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