Rabenauge. Sabine D. Jacob

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Rabenauge - Sabine D. Jacob

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und die anderen funktionieren auch nicht mehr.«

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      Jeremy fühlte sich wie zerschlagen und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dann straffte er die Schultern und versuchte seiner Stimme einen entschlossenen Klang zu geben. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Zeig mir deine Gewehre. Den Viechern werde ich Beine machen!«

      »Was? Du denkst, du kannst sie abknallen? Einfach so? Hast du eine Vorstellung, wie viele das sind? Hunderte, vielleicht sogar Tausende, lauern da draußen. Für wie blöd hältst du mich? Glaubst du, ich hätte hier nur herumgesessen und mich in mein Schicksal gefügt? Ich habe bereits auf sie geschossen. Sie reagieren sofort. Für jeden abgeknallten Vogel kommen zehn neue. Du sitzt jetzt genauso in der Patsche wie ich.« Und hier nutzen dir weder dein gutes Aussehen noch dein Einfallsreichtum, hätte er fast hinzugefügt, verkniff es sich aber. »Was ich meine, ist, dass die Situation ziemlich aussichtslos ist.«

      Jeremy ging in Gedanken versunken weiter hin und her. Plötzlich blieb er stehen und schaute Nolan an: »Es gibt doch einen Hintereingang!«

      »Jey, hör auf so zu tun, als hätte ich hier nur dumm herumgesessen.« Nolan wurde langsam wütend. »Du kannst hier nicht einfach im Haus herumspazieren, Waffen zusammenklauben und uns freischießen wie Old Shatterhand. Genauso wenig kannst du hier sorglos durch das Haus schlendern wie ein desinteressierter Museumsbesucher, der nach dem Ausgang Ausschau hält. Wir sind hier einer realen Bedrohung ausgesetzt.«

      Jeremy tat, als habe er ihn nicht gehört. »Nolan, sag mir einfach, wo die Flinten sind, okay?« Schon war er wieder in seinem Element als Darsteller in einem Schwarz-Weiß-Film, und er wünschte sich gerade nichts so sehr wie die Gestalt und die Stimme von John Wayne, der gegen die Indianer antritt.

      Nolan biss sich auf die Unterlippe. Er kannte Jey viel zu gut, um nicht zu wissen, wie er tickte. Und dass Jey damit immer durchkam, wusste er ebenfalls. Nolan erinnerte sich an die vielen Situationen, in denen er, obwohl älter, trotzdem der Unterlegene war. Jey war immer die Nummer eins. Er hatte die Ideen, war hübscher und unterhaltsamer und konnte erst die Erwachsenen und später die Mädchen um den Finger wickeln. Resigniert gab Nolan nach. »Im geschnitzten Jagdschrank im Trophäenzimmer«, sagte er und fügte lahm hinzu: »Es ist aber gefährlich, dieses Zimmer zu verlassen. Denk an die vier Krähen, die sich irgendwo im Eingangsbereich aufhalten.«

      »Das werden wir sehen! Ich lass mich doch nicht von ein paar Singvögeln ins Bockshorn jagen!«

      »Überschätz dich nur nicht!«, warnte ihn Nolan, dachte aber mit einem leisen Anflug von Eifersucht, dass, wenn jemand sie herausholen könnte, es Jey war.

      Als Erstes rissen sie die schweren, mit einem Blumenmuster versehenen Vorhänge von den Fenstern. Mit einem Getöse landeten sie auf dem Fußboden. Jeremy und Nolan befreiten sie von den Haken und Ösen und wickelten sich damit ein, um sich zu schützen, so gut sie konnten.

      »Schirm dir die Augen irgendwie ab«, empfahl Nolan. »Die sind ihre Lieblingsziele. Weißt du, dass sie auch neugeborenen Lämmern mit Vorliebe die Augen herausfressen? Die verenden dann qualvoll. Rabenkrähen gibt es überall, außer in Südamerika.« Als Jeremy ihn stumm, aber genervt ansah, sagte Nolan: »Okay, schon verstanden, keine Vorträge! Wir haben anderes zu tun.«

      Wie zwei verkleidete Marktweiber in einem alten Kinoklamauk traten sie in die Eingangshalle. Die Krähen saßen oben auf dem Lüster und beobachteten sie. Eine schüttelte die Federn und krächzte leise. Unverwandt starrten die Vögel auf die Männer, von denen lediglich die Finger zu sehen waren, die die Vorhänge zusammenhielten. Der dicke Stoff ließ sich kaum fassen, und Jeremy bemerkte bereits Schmerzen in der Unterarmmuskulatur.

      Während sie geduckt durch die Halle schlichen, blieb es überraschend still. Die Dämmerung hüllte sie ein. In den letzten Sonnenstrahlen wirbelten Staubflöckchen. Der handgeknüpfte dicke Perser, der den größten Teil des Parkettbodens bedeckte, schluckte ihre Schritte. Ihre Schuhe sanken bis über die Sohlen ein. Bis zu seiner heutigen Ankunft war Jeremy hier noch nie mit Straßenschuhen gelaufen.

      Gegenüber, in der Ecke der Halle, befand sich eine alte Truhe aus Eichenholz. Schmiedeeiserne Beschläge verliehen ihr das geheimnisvolle Aussehen einer Schatztruhe, eines Relikts aus einer vergangenen Zeit. Dessen ungeachtet enthielt sie weder Gold noch Edelsteine, sondern nur mittlerweile speckige Filzpantoffeln in allen erdenklichen Größen.

      Nolans Blick fiel auf die Kiste und unwillkürlich auf Jeremy. Vor seinem geistigen Auge sah er den kleinen Cousin und sich selbst darin nach den passenden Pantoffeln wühlen, wobei sie beide bis zu den Hüften in die Truhe eintauchten. Nach allen möglichen Seiten flogen die zu großen Filzpantoffeln heraus. Am Ende lagen sie großzügig verteilt im Eingangsbereich. Nolan war damals mit seinen sieben Jahren einen Kopf größer als der vierjährige Jey, doch die Truhe schien noch viel größer gewesen zu sein. Beim Versteckspiel war sie für die Kleineren immer die erste Wahl.

      Nolans Gedanken flogen blitzschnell in die Vergangenheit – hin zu einem schwülen Sommertag. Schon seit einer Weile warfen er und Jey lustlos Kiesel in einen Sandhaufen, der vom Bau der Pferdeboxen übrig geblieben war.

      »Papierboot bauen?«, fragte Jey.

      »Nö.« Im Sitzen tastete Nolan den Boden hinter sich nach weiteren Steinen ab. Er fand einen, der so groß und flach war wie sein Ohr und sicherlich mühelos viermal über den Bach flitschen würde, und schmiss ihn in den Sandhaufen.

      »Küche gucken?«

      Das war Jeys Lieblingsspiel und beinhaltete in der Küche nachzuschauen, was gekocht wurde, um vielleicht den einen oder anderen Happen zu bekommen.

      »Ach nee«, sagte Nolan, obwohl er die Idee an sich nicht schlecht fand, nur stammte sie leider nicht von ihm.

      »Bunker!«, rief Jey aufgeregt und sprang auf. »Zum Bunker und Huuuh machen!«

      »Huuuh machen ist doch was für Babys«, sagte Nolan mit abgeklärter Stimme. Er wusste genau, was Jey meinte. Es war spannend, im Bunker zu sitzen und Geräusche zu machen. Das Echo war unheimlich, aber geradezu famos, und ihre Stimmen wurden von den Felsen, in die der Bunker geschlagen war, hin und her geworfen. Ohne Frage war die Idee klasse. Leider war sie wieder nicht von ihm.

      Als wäre er ganz mit Werfen beschäftigt, zermarterte sich Nolan den Kopf. Ihm fiel nichts Besseres ein, als am Bach zu spielen oder Huuuh machen. Das hätte er aber um nichts in der Welt zugegeben.

      Aus dem Augenwinkel sah er, dass Jey sich wieder setzte. Er hatte aufgehört Steine zu werfen, stattdessen begann er sie der Größe nach zu ordnen und zu stapeln. Auf diese Weise türmte er eine kleine Wand auf, aus der mit etwas Geduld eine Festung gebaut werden konnte. Nolan ärgerte sich, dass er nicht auf diese Idee gekommen war. Missmutig schielte er zu Jey. Dann sagte er mit Inbrunst und schnippte mit den Fingern, als wäre es das Nonplusultra: »Ich hab’s! Wir spielen Verstecken.« Ältere Kinder hätten sich sicherlich die Hand vor den Mund gehalten und: ›Nicht schon wieder!‹, gegähnt, aber nicht Jey. Er ließ seine Wand Wand sein und schaute Nolan begeistert an. Dieser triumphierte innerlich und sagte sich, welch kleiner Wurm Jey doch war. Weshalb machten die Erwachsenen nur immer so ein Gewese um ihn?

      »Fein, Nolan. Ich versteck mich und du zählst.« Damit sprang Jey auf, klopfte sich den Sand von den nackten Knien und flitzte ins Haus. Nolan lehnte sich an die Hauswand.

      In

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